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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 48.1921

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Kehrer, Hugo: Greco als Erlebnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.9123#0016

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Greco als Erlebnis.

mmm

GRECO
» HL. PETRUS
BETEND«

SAMMLUNG
HEILBUTH-
KOPENHAGBN.

dem Dunkel der ritterlichen Kleidung. Greco
hat in diesem Bilde die Geschichte des spani-
schen Geistes geschrieben, die Welt des 17.
Jahrhunderts liegt in diesem Rahmen, zwischen
links und rechts, zwischen unten und oben.
Und wie er die Menschen auffaßt, über Licht
und Farbe denkt, alles ist schon hier gesagt.

Rein aus dem Erlebnis heraus sind seine
Heiligen entstanden. Malt er den Apokalyptiker
Johannes, so bringt er zugleich das Bekenntnis
des eigenen Lebens, den leidenschaftlichen Auf-
schrei aus Not und Qual und das sehnsüchtige
Drängen nach dem ewigen Lichte. Seine Mönche
haben das Wunderbare einermachtvollen Augen-
blicksvision, sie durchbrechen die Sphäre der
Erscheinung und führen uns in die Tiefe des
Ursprungs zurück. Wie die russischen Heiligen,
so verneinen auch die spanischen das Leben
schlechthin. Grecos „Franz von Assisi" flieht
die sinnliche Welt, die unermeßliche Einsamkeit
sucht er auf, entrückt ist er aller Erdenlast und
Erdenschwere, und nur so empfindet er das in

der Entsagung liegende Glück der Weltüber-
windung. Seine Heiligen stellen ein neues
Menschentum dar, und darum gibt Greco ihnen
jene Proportion, die weit über das übliche Maß
hinausgeht (Abb. S. 8 und S. 17 Verkündigung
Marias, Laokoon). Er treibt die Figuren in die
Höhe und läßt sie in die Wolken ragen.

Was in seiner Seele gährt und tobt, ringt
nach Form und Ausdruck, glüht in der Farbe
auf, es flimmert und flirrt über die Fläche, und
die einzelne Form ist zu völliger Unselbständig-
keit entwertet (Abb. S. 13 Auferstehung Christi).
Er arbeitet auf das Zufällige der Erscheinung hin,
auf die bloß optische Wirkung, und seine Bilder
sind durch reiche Farbengebung zitterig gemacht.
Er bringt magische Wirkungen zustande und singt
Jubellieder auf Rot, Gelb, Blau und Grün. Wie er
Krapplack zum Glühen bringt (Espolio) und in
dem „Martyrium des Heiligen Mauritius" (Abb.
S. 21) Ultramarinblau in nie geahnter Größe auf-
leuchten läßt! Überall ist bei ihm die Farbe nicht
das, was sie ihrer Natur nach sein müßte, nicht
 
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