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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 48.1921

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Handwerkliche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9123#0213

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»HANDWERKLICHE KUNST«.

Der handwerklichen Kunst neue Freunde zu
gewinnen, Verständnis und Liebe für alte
und neue Arbeiten zu wecken, ist das Ziel des
letzten „Werkbund-Jahrbuches". Schöne hand-
werkliche Arbeiten aus alter und neuer Zeit sind
in dem Bande vereinigt, und erprobte Kunst-
handwerker haben zu den einzelnen Arbeitsge-
bieten leichtfaßliche Erklärungen gegeben. Der
Herausgeber des Buches, Professor Karl Groß,
sagt in der Vorrede manches beherzigenswerte
Wort, das zum Segen unseres Kunsthandwerkes
in alle Ohren dringen sollte. Er schreibt: „Kunst-
handwerk, künstlerisches Handwerk, ange-
wandte Kunst, handwerkliche Kunst — all
diese Benennungen sind gebräuchlich für jenes
schöpferische Gestalten, das zwischen dem nur
technische Handwerk und der freien Kunst
steht. Freie Kunst ist ein Schaffen mit starken
seelischen Werten, unbeeinflußt von Zweckge-
danken oder Auftraggebern, ein reines Erlebnis
des Künstlers. Wie viele können sich rühmen,
solch „freie Künstler" zu sein, nur so schaffen

zu können?......

Der Einzelne, auf sich allein gestellt, und sei
es der größte Künstler, kann nur Pfadfinder sein;
das ganze geistige Wollen seiner Zeitepoche
vermag er nicht auszudrücken. In künstlerisch
unreifer Zeit wirkt der freie Künstler groß; eine

reife Zeit, welche die Künste zur Harmonie des
Schaffens zusammenfaßt, ordnet den Künstler
ein zu einem Glied im Ganzen. Sein Schaffen
rollt ins Leben, in den Kreislauf des Blutes der
Nation, seine Werke werden nicht in Museen
gezeigt wie fremde Tiere im Zoologischen Gar-
ten. Erst dann steigt die freie Kunst von ihrer
einsamen Höhe, und alles Große und Schöne
wird zur angewandten Kunst. Unterdessen mag
die freie Kunst Hüterin des heiligen Feuers sein.

Bedeutet so „angewandte Kunst" Einordnen
der Persönlichkeit in eine höhere Einheit, so
steht bei dem Begriff „handwerkliche Kunst"
der mit dem Material ringende Künstler der
Gestalter des Einzelwerkes vor uns. All das,
was im Ganzen künstlerisch lebt und wirkt,
gehört hierher; was gemalt, gemeißelt und ge-
schnitzt ist, was in Gold und Silber gehämmert
und gegossen, in Samt und Seide gestickt und
gewirkt, in Ton geformt und glasiert ist, alles
das ist handwerkliche Kunst, soweit es künst-
lerisch beseelt ist. Schade, daß man heute
diesen spitzfindigen Unterschied machen muß
und nicht schlankweg vom Handwerk reden
kann. Um das zu können, müssen wir aber
aus der heutigen Zerrissenheit der Lebens- und
Arbeitsanschauungen erst wieder zur höheren
Einheit kommen. Wer handwerkliche Kunst im

»PERLMUTTER-DOSE«

MIT VERGOLDETER SILBERFASSUNG. SAMMLUNG GRÜNES GEWÖLBE-DRESDEN.
 
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