Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 48.1921

DOI Artikel:
Schiebelhuth, Hans: Puppen als Zimmerschmuck
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.9123#0094

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EMMA VON SICHART-MUNCHEN.

»PUPPEN ALS ZIMMERSCHMUCK«

PUPPEN ALS ZIMMERSCHMUCK.

Hat man irgendwo im Zimmer plastische
Kunstwerke stehen — und sei es lyrische
oder musikalische Kleinplastik — es geht immer
eine geistige Lebendigkeit von ihnen aus. Hat
man Puppen als Zimmerschmuck, so teilen sie
dem Raum eine seelische Lebendigkeit mit.
Ihr Reiz ist ein menschlich-spielerischer. Das
Material ist in allen seinen Bestandteilen Kunst-
mittel geworden; die Ausdrucksmöglichkeit
kommt nicht aus der Gebärde, sie liegt im Ge-
bahren; Puppen wollen nicht erregen, sie be-
wegen uns. Eine Plastik ist Werk, ist Wesen;
sie ist von metaphysischen Mächten in die Welt
der drei Dimensionen geschaffen, das sichtbar
und unsichtbar Stoffliche wurde durchformt.
Eine Puppe ist Geschöpf, ist Ding; sichtbar
Stoffliches wurde so zusammengefügt, daß sich
eine metaphysische Einheit ergab. Die Arbeit
der Puppenkünstlerin ist also nicht rein schöp-
ferisch: Gestaltung, nicht rein technisch: Er-
findung, sondern beides, sie ist Zauberei. Aus
vielen Materialien wird eine gegenständliche
Einheit, aus vielen Materialseelen die Einzel-

seele der Puppe, Frage dabei des kultivierten
Geschmacks lediglich die gewollte Harmonie.
Würde eine Puppe trotzdem Wesen, bekäme
sie geistige Lebendigkeit, dann wäre sie Ge-
spenst, ihr Reiz ein durchaus perverser, wie er
schnell ermüdet, bald unheimlich wird und nie
längere Zeit liebenswürdig wirkt.

Die Puppen von Emma von Sichart-
München sind ganz ohne Gespenstisches, sie
sind liebe, herzige, entzückende Geschöpfe, sie
haben Frauenseelen, sie verhalten sich ganz
passiv zu den Menschen und bleiben in vor-
nehmer Zurückhaltung. Sie nehmen nicht, sie
wollen genommen sein. Unmittelbar sind sie
dann da und nah mit dem Zauber ihrer er-
lauchten Herkunft. Sie teilen dem Zimmer ihre
helle kindliche Süßigkeit mit, sie singen im
Raum. Sie träumen ein entlegenes, von Engeln
entlehntes Lächeln. Ihre Lieblichkeit träumt in
eine galante Zeit zurück. Sie denken des groß-
artigen, peinlichen Zeremoniells wie der traulich-
schlichten Schäferstündchen, der dichten Lau-
bengänge, wo es von Küssen zwitscherte, wie
 
Annotationen