H.BUERGEL
GOODWIN.
»BLONDER
KOPF«
KÜNSTLERISCHE KULTUR IM PHOTOGRAPHISCHEN KINDERBILDNIS.
TEXT VON DR. W. WARSTAT.
Das photographische Kinderbild besitzt auch
heute noch für einen großen Teil der Väter
und Mütter in erster Reihe Erinnerungswert von
halb scherzhaftem, halb wehmütigem Charakter.
Der nackte Säugling, der sich auf seinem Bären-
fell mehr oder weniger ungemütlich fühlt, der
Konfirmand im ersten schlecht sitzenden schwar-
zen Rock oder schwarzen Kleide mit Gesang-
buch, Taschentuch und Sträußchen in der Hand,
das sind die typischen Beispiele dafür, was auch
heute noch auf diesem Gebiete in den weitaus
meisten Fällen vom Photographen verlangt wird
und womit die Masse des Publikums zufrieden ist.
Und doch hat die eifrige Arbeit unserer Kunst-
photographen, die sich in den letzten Jahrzehn-
ten mit Glück abmühten, aus der Photographie
unter weiser und zielbewußter Ausnutzung der
ihr zur Verfügung stehenden künstlerischen und
technischen Mittel eine Kunstübung von durch-
aus eigenartigem Stil in Formengebung und
Ausdruck zu schaffen, wohl auf keinem Sonder-
gebiete der Photographie so erfreuliche Erfolge
gezeitigt wie gerade auf dem Gebiete der Kin-
derphotographie. Als bester Beweis dafür kann
die hier gebotene Sammlung photographischer
Kinderbildnisse gelten, die aus besten deut-
XXIV. Juni 1921. 1
sehen Lichtbildwerkstätten und von Amateuren
stammen und deren eingehende Betrachtung
einerseits dem schaffenden Lichtbildner wert-
volle Anregungen und einen Ansporn für wei-
teres Streben nach Stil- und Ausdruckskultur,
andererseits dem nehmenden Publikum einen
Maßstab liefern kann für die Ansprüche, die
es mit Recht an die Leistung des Lichtbildners
stellen darf, sowie eine Schulung in der ge-
schmacklichen Bewertung des ihm gelieferten
Bildwerkes. Mit ihrer Veröffentlichung erwirbt
sich Hofrat Alexander Koch ein neues, wert-
volles Verdienst um die Erziehung unseres
Volkes zu künstlerischer Ausdruckskultur und
zur Beseelung des Alltags durch die Freude
am Schönen und Gediegenen.
Es ist unverkennbar, daß gerade das Kinder-
bild dem Lichtbildner, der danach strebt, in
seinen Werken lebendigen Persönlichkeitsaus-
druck in geschmackvoller Form zu gestalten,
nicht ungünstige Vorbedingungen bietet. Wäh-
rend alle Lebens- und Ausdrucksäußerungen
des Erwachsenen gewohnheitsmäßig durch den
Zwang der gesellschaftlichen Form und Sitte
beherrscht und gehemmt werden, zeichnet sich
das Gefühlsleben des Kindes durch unmittel-
GOODWIN.
»BLONDER
KOPF«
KÜNSTLERISCHE KULTUR IM PHOTOGRAPHISCHEN KINDERBILDNIS.
TEXT VON DR. W. WARSTAT.
Das photographische Kinderbild besitzt auch
heute noch für einen großen Teil der Väter
und Mütter in erster Reihe Erinnerungswert von
halb scherzhaftem, halb wehmütigem Charakter.
Der nackte Säugling, der sich auf seinem Bären-
fell mehr oder weniger ungemütlich fühlt, der
Konfirmand im ersten schlecht sitzenden schwar-
zen Rock oder schwarzen Kleide mit Gesang-
buch, Taschentuch und Sträußchen in der Hand,
das sind die typischen Beispiele dafür, was auch
heute noch auf diesem Gebiete in den weitaus
meisten Fällen vom Photographen verlangt wird
und womit die Masse des Publikums zufrieden ist.
Und doch hat die eifrige Arbeit unserer Kunst-
photographen, die sich in den letzten Jahrzehn-
ten mit Glück abmühten, aus der Photographie
unter weiser und zielbewußter Ausnutzung der
ihr zur Verfügung stehenden künstlerischen und
technischen Mittel eine Kunstübung von durch-
aus eigenartigem Stil in Formengebung und
Ausdruck zu schaffen, wohl auf keinem Sonder-
gebiete der Photographie so erfreuliche Erfolge
gezeitigt wie gerade auf dem Gebiete der Kin-
derphotographie. Als bester Beweis dafür kann
die hier gebotene Sammlung photographischer
Kinderbildnisse gelten, die aus besten deut-
XXIV. Juni 1921. 1
sehen Lichtbildwerkstätten und von Amateuren
stammen und deren eingehende Betrachtung
einerseits dem schaffenden Lichtbildner wert-
volle Anregungen und einen Ansporn für wei-
teres Streben nach Stil- und Ausdruckskultur,
andererseits dem nehmenden Publikum einen
Maßstab liefern kann für die Ansprüche, die
es mit Recht an die Leistung des Lichtbildners
stellen darf, sowie eine Schulung in der ge-
schmacklichen Bewertung des ihm gelieferten
Bildwerkes. Mit ihrer Veröffentlichung erwirbt
sich Hofrat Alexander Koch ein neues, wert-
volles Verdienst um die Erziehung unseres
Volkes zu künstlerischer Ausdruckskultur und
zur Beseelung des Alltags durch die Freude
am Schönen und Gediegenen.
Es ist unverkennbar, daß gerade das Kinder-
bild dem Lichtbildner, der danach strebt, in
seinen Werken lebendigen Persönlichkeitsaus-
druck in geschmackvoller Form zu gestalten,
nicht ungünstige Vorbedingungen bietet. Wäh-
rend alle Lebens- und Ausdrucksäußerungen
des Erwachsenen gewohnheitsmäßig durch den
Zwang der gesellschaftlichen Form und Sitte
beherrscht und gehemmt werden, zeichnet sich
das Gefühlsleben des Kindes durch unmittel-