Zur Kunsterörterung des Augenblicks.
E. LENDVAI-DIRCKSEN.
»KINDER-BILDNIS«
werken des Gedankens (etwa der Reihe Speng-
ler, Gundolf, Bertram usw.); die eigentliche
Kunst aber sei dazu bestimmt, in hingedehnter
Decadence reizvoll oder stürmisch zu verwesen.
Dies etwa zur Kennzeichnung der Lage.
Bemerkenswert daran ist vor allem, daß
diese Schilderung nur für Deutschland gilt.
In Frankreich z. B. ist wohl Picasso am Werk,
sich im Zurückgreifen auf Ingres und Puvis de
Chavannes eine neue Wegstrecke zu eröffnen.
Aber er steht damit einstweilen ziemlich allein
und die französische Kunsterörterung scheint
sehr weit davon entfernt, die negative deutsche
Bewertung der künstlerischen Gesamtlage zu
teilen. Im Gegenteil: es herrscht in ihr ein
recht zuversichtlicher Ton. Man geht die mit
dem Kubismus beschrittene Linie rüstig weiter
und hofft im Bereich der Erkenntnis wie des
Schaffens auf gute Ergebnisse.
Der Umstand, daß Frankreich die enttäuschte
Stimmung der deutschen Kunsterörterung nicht
teilt, scheint zu erhärten, was mir schon von
anderer Seite her wahrscheinlich dünkt: Her-
kunft der geschilderten Verzichtstimmung aus
augenblicklichen Depressionsgefühlen. Ich neige
zu der Anschauung, daß die übertrieben hoff-
nungslose Bewertung des deutschen Kunstaugen-
blicks nicht eine sachliche Erkenntnis ist, sondern
zum größeren Teil eine Erschlaffung des Gemüts.
Der Rückschlag auf die expressionistischen
Räusche zeigt sich in allzu kalter Ernüchterung.
Frankreich hat eine expressionistische Periode
in deutschem Sinne nicht erlebt. Daher bleibt
ihm auch der heftige Rückschlag erspart. Bei
E. LENDVAI-DIRCKSEN.
»KINDER-BILDNIS«
werken des Gedankens (etwa der Reihe Speng-
ler, Gundolf, Bertram usw.); die eigentliche
Kunst aber sei dazu bestimmt, in hingedehnter
Decadence reizvoll oder stürmisch zu verwesen.
Dies etwa zur Kennzeichnung der Lage.
Bemerkenswert daran ist vor allem, daß
diese Schilderung nur für Deutschland gilt.
In Frankreich z. B. ist wohl Picasso am Werk,
sich im Zurückgreifen auf Ingres und Puvis de
Chavannes eine neue Wegstrecke zu eröffnen.
Aber er steht damit einstweilen ziemlich allein
und die französische Kunsterörterung scheint
sehr weit davon entfernt, die negative deutsche
Bewertung der künstlerischen Gesamtlage zu
teilen. Im Gegenteil: es herrscht in ihr ein
recht zuversichtlicher Ton. Man geht die mit
dem Kubismus beschrittene Linie rüstig weiter
und hofft im Bereich der Erkenntnis wie des
Schaffens auf gute Ergebnisse.
Der Umstand, daß Frankreich die enttäuschte
Stimmung der deutschen Kunsterörterung nicht
teilt, scheint zu erhärten, was mir schon von
anderer Seite her wahrscheinlich dünkt: Her-
kunft der geschilderten Verzichtstimmung aus
augenblicklichen Depressionsgefühlen. Ich neige
zu der Anschauung, daß die übertrieben hoff-
nungslose Bewertung des deutschen Kunstaugen-
blicks nicht eine sachliche Erkenntnis ist, sondern
zum größeren Teil eine Erschlaffung des Gemüts.
Der Rückschlag auf die expressionistischen
Räusche zeigt sich in allzu kalter Ernüchterung.
Frankreich hat eine expressionistische Periode
in deutschem Sinne nicht erlebt. Daher bleibt
ihm auch der heftige Rückschlag erspart. Bei