Zur Kunster örtcrung des Augenblicks.
ATELIER J. MESSNER—WIEN.
KINDER-HILDNIS »IRENE«
religiöse Verkittung, aus der allein die Kunst
ihre entscheidende Bedeutung gewinnt. Seit
langem schon müßten oder könnten wir wissen,
daß die Kunst nicht mehr dem Gesetz, dem
Ur-Wahren dient, daß sie nicht mehr das große
Wissen ausspricht, welches allein die äußerste
kulturelle Form gewährleistet. Realismus, Na-
turalismus, Symbolismus, Impressionismus, Prä-
rafaelitentum — lauter Namen für das Versagen
der Kunst im letzten entscheidenden Punkt: im
Punkt des Dienstes an einem sinnvoll geordneten
und als sinnvoll empfundenen All. Wenn daher
die Verzweiflungen erst heute kommen, so sind
sie offenbar einer seelischen Depression zu-
zurechnen, die, wie gesagt, nicht einmal unseren
ganzen Kulturkreis befallen hat.
— Ich halte diese Stimmung daher für durchaus
vergänglich. Ich halte sie für ebenso vergäng-
lich wie die Stimmung, auf deren Boden der
ungeheure Erfolg des Spengler'sehen Pessimis-
mus gedeihen konnte. Wir haben Beipiele für
derartige Wellen von negativen Gemütszustän-
den, die mit großer Gewalt anrauschen, ihre
berechtigte Wirkung tun und dann wieder ohne
Spur verfluten. Man mag dabei an die welt-
schmerzliche Stimmung vom Ende des 18. Jahr-
hunderts denken oder an die Periode des
Schopenhauerischen Pessimismus, die beide un-
geheure Angriffe auf unser Lebensgefühl bildeten.
Wir beobachteten auch damals, wie sich ein
dichter Ring von erdrückender Verneinung um
unser Freiheitsgefühl schloß, gemauert aus an-
scheinend unwiderleglichen Argumenten. Der
Verstand wird im Augenblick mit diesen Ar-
XXIV. Juni 1921. 3
ATELIER J. MESSNER—WIEN.
KINDER-HILDNIS »IRENE«
religiöse Verkittung, aus der allein die Kunst
ihre entscheidende Bedeutung gewinnt. Seit
langem schon müßten oder könnten wir wissen,
daß die Kunst nicht mehr dem Gesetz, dem
Ur-Wahren dient, daß sie nicht mehr das große
Wissen ausspricht, welches allein die äußerste
kulturelle Form gewährleistet. Realismus, Na-
turalismus, Symbolismus, Impressionismus, Prä-
rafaelitentum — lauter Namen für das Versagen
der Kunst im letzten entscheidenden Punkt: im
Punkt des Dienstes an einem sinnvoll geordneten
und als sinnvoll empfundenen All. Wenn daher
die Verzweiflungen erst heute kommen, so sind
sie offenbar einer seelischen Depression zu-
zurechnen, die, wie gesagt, nicht einmal unseren
ganzen Kulturkreis befallen hat.
— Ich halte diese Stimmung daher für durchaus
vergänglich. Ich halte sie für ebenso vergäng-
lich wie die Stimmung, auf deren Boden der
ungeheure Erfolg des Spengler'sehen Pessimis-
mus gedeihen konnte. Wir haben Beipiele für
derartige Wellen von negativen Gemütszustän-
den, die mit großer Gewalt anrauschen, ihre
berechtigte Wirkung tun und dann wieder ohne
Spur verfluten. Man mag dabei an die welt-
schmerzliche Stimmung vom Ende des 18. Jahr-
hunderts denken oder an die Periode des
Schopenhauerischen Pessimismus, die beide un-
geheure Angriffe auf unser Lebensgefühl bildeten.
Wir beobachteten auch damals, wie sich ein
dichter Ring von erdrückender Verneinung um
unser Freiheitsgefühl schloß, gemauert aus an-
scheinend unwiderleglichen Argumenten. Der
Verstand wird im Augenblick mit diesen Ar-
XXIV. Juni 1921. 3