E. MAYER FASSOLD—MÜNCHEN.
»GRUPPE FÜR BRÜCKENPFEILER«
FIGUREN VON ERICH MAYER FASSOLD.
Die Linie Mayer Fassolds ist der Frühling.
Das Schwellend-Linde, das Aufsprossende,
das Knospenhafte und der Schauer vor dem
Wehen winternachziehender Stürme.
Die Linie ist sein Geheimnis, seine Weihe,
seine Wirklichkeit. Aufsteigende Leiber ge-
schwellten Gliederbaues faßt sie zusammen,
Falten bändigt sie, Bewegungen dämpft sie oder
hebt sie zu leisem, süßem Klang.
Es wird viel erzählt von Mädchenschönheit
in den Figuren. Es ist der Frühling I Der
Gegensatzreiche, halb Kind, halb Reife, der in
düsteren Herbheiten das Schöne wachsen und
wachsend erhoffen läßt.
Er ist kein Bildner männlich gespannter Kraft.
Seine Bewegungen sind zu melodisch und dem
zarten Tasten seiner bildenden Hände will man
die Energie gestreckter, tragender, kämpfender
Leiber nicht glauben. Sein Reich und sein
Reichtum ist die weiche Schönheit.
Wohin solche Kunst will und gehen wird?
Ich weiß es nicht. Ich bin kein Verkünder.
Und die reine Freude an dem rührend Zarten,
was ist, genügt.
Schöne Kinder sind beieinander, reiche Lei-
ber verschmiegen sich, geräuschlose Hände ver-
spielen sich in stummen Gebärden, lautlose
Falten legen sich um der Leiber märchenstille
Pracht. Ein Märchen vom menschlichen Leib.
— Der Stein, der harte, ungefüge, rauhe, muß
dem sonnenhaften Spiel der Lichter dienen.
Die kalte Masse der Erden muß der Wärme
Symbol werden. Das unfreundlich Stumpfe des
Mineralischen wird gezwungen als ein schöner
Grundton durch die Gesänge von Frauenschön-
heit und Mädchengrazie zu klingen.
Denn seine Kunst ist Ernst und das Ernste
ist das Große seiner Kunst — an einer schnei-
dend scharfen Grenze, wo Spiel und Wille
sich trennen. — Denn seine Kunst stammt vom
Märchenartigen. Die in einen engen Kreis gläu-
biger Unbefangenheiten hinübergespielte Welt-
wirklichkeit. Realismus — der ornamentale
Realismus des Märchens. —
Solche Kunde von einer lyrischen Wesenheit
der Leiber, wie sie Mayer Fassold gibt, ist
diesseitiger wie die Kunst eines Lehmbruck.
Sie ist ohne die Pein des mystisch Zwanghaften.
Seine Herbheit und seine Süße liegt innerhalb
der Sphäre des Naturhaften — ungefähr ver-
gleichbar antikischen Formgesinnungen — nicht
des Gedankenartigen. (Es liegt fern, einem
Lehmbruck gedankenhafte Wesenheit nach-
zureden, es handelt sich um eine Polarität der
Welten, um zweierlei Wesensgesinnungen. Hier
möchte das Faktum festzustellen sein, daß die
Bahn dieser Figuren von Hildebrand her-
leitet.) Es ist ein diesseitiges Korrelat absoluten
So-Sein-Müssens. Eine Wirklichkeit des Vitalen.
Aber als solche letzten Endes doch eine er-
XXIV. Juni 1921. 5*
»GRUPPE FÜR BRÜCKENPFEILER«
FIGUREN VON ERICH MAYER FASSOLD.
Die Linie Mayer Fassolds ist der Frühling.
Das Schwellend-Linde, das Aufsprossende,
das Knospenhafte und der Schauer vor dem
Wehen winternachziehender Stürme.
Die Linie ist sein Geheimnis, seine Weihe,
seine Wirklichkeit. Aufsteigende Leiber ge-
schwellten Gliederbaues faßt sie zusammen,
Falten bändigt sie, Bewegungen dämpft sie oder
hebt sie zu leisem, süßem Klang.
Es wird viel erzählt von Mädchenschönheit
in den Figuren. Es ist der Frühling I Der
Gegensatzreiche, halb Kind, halb Reife, der in
düsteren Herbheiten das Schöne wachsen und
wachsend erhoffen läßt.
Er ist kein Bildner männlich gespannter Kraft.
Seine Bewegungen sind zu melodisch und dem
zarten Tasten seiner bildenden Hände will man
die Energie gestreckter, tragender, kämpfender
Leiber nicht glauben. Sein Reich und sein
Reichtum ist die weiche Schönheit.
Wohin solche Kunst will und gehen wird?
Ich weiß es nicht. Ich bin kein Verkünder.
Und die reine Freude an dem rührend Zarten,
was ist, genügt.
Schöne Kinder sind beieinander, reiche Lei-
ber verschmiegen sich, geräuschlose Hände ver-
spielen sich in stummen Gebärden, lautlose
Falten legen sich um der Leiber märchenstille
Pracht. Ein Märchen vom menschlichen Leib.
— Der Stein, der harte, ungefüge, rauhe, muß
dem sonnenhaften Spiel der Lichter dienen.
Die kalte Masse der Erden muß der Wärme
Symbol werden. Das unfreundlich Stumpfe des
Mineralischen wird gezwungen als ein schöner
Grundton durch die Gesänge von Frauenschön-
heit und Mädchengrazie zu klingen.
Denn seine Kunst ist Ernst und das Ernste
ist das Große seiner Kunst — an einer schnei-
dend scharfen Grenze, wo Spiel und Wille
sich trennen. — Denn seine Kunst stammt vom
Märchenartigen. Die in einen engen Kreis gläu-
biger Unbefangenheiten hinübergespielte Welt-
wirklichkeit. Realismus — der ornamentale
Realismus des Märchens. —
Solche Kunde von einer lyrischen Wesenheit
der Leiber, wie sie Mayer Fassold gibt, ist
diesseitiger wie die Kunst eines Lehmbruck.
Sie ist ohne die Pein des mystisch Zwanghaften.
Seine Herbheit und seine Süße liegt innerhalb
der Sphäre des Naturhaften — ungefähr ver-
gleichbar antikischen Formgesinnungen — nicht
des Gedankenartigen. (Es liegt fern, einem
Lehmbruck gedankenhafte Wesenheit nach-
zureden, es handelt sich um eine Polarität der
Welten, um zweierlei Wesensgesinnungen. Hier
möchte das Faktum festzustellen sein, daß die
Bahn dieser Figuren von Hildebrand her-
leitet.) Es ist ein diesseitiges Korrelat absoluten
So-Sein-Müssens. Eine Wirklichkeit des Vitalen.
Aber als solche letzten Endes doch eine er-
XXIV. Juni 1921. 5*