E. MAYER
FASSOLD.
» DENKMAL-
ENTWURF c
DAS VISIONÄRE IM KUNSTWERK.
Vision bedeutet Schauung. Visionär mutet
ein Sinneseindruck an, wenn er wesentlich
betont ist, nicht als eine der geläufigen Wirk-
lichkeits-Abbilder in der sinnlichen Wahrneh-
mung, sondern als abhängig, ja erschaffen von
einem besonders gestimmten, erregten Subjekt.
Daher hat der Begriff „Vision" im gemeinen
Sprachgebrauch den Wert „Gesicht", d. h. ent-
weder Phantasmagorie oder ein In die Sinne-
Fallen überirdischer Naturen.
Beim Kunstwerk spricht man von visionärer
Anschauung, wenn die in ihm dargestellte Welt
zu wesentlichen Teilen das Merkmal subjektiver
Erschautheit trägt im Gegensatz zu der durch-
schnittlichen, alltäglichen Art und Weise, in der
unser Sinnesapparat die Außenwelt widerzu-
bilden pflegt. Subjektiv ist diese Erschautheit;
doch keineswegs willkürlich oder ungesetzlich.
Ganz im Gegenteil: ein Kunstwerk wird um so
visionärer wirken, je mehr es innere Gesetzlich-
keit spüren läßt; eine Gesetzlichkeit, die aus
Geist und Sinnen des Künstlers stammt und
nicht etwa Wort für Wort von der äußeren Welt
abgelesen ist. Ja, man kann sagen, die äußere
Naturerscheinung hat nicht Gesetz im künst-
lerischen Sinne. Wo immer das Kunstwerk im
Aufbau seiner Form- und Farbenwelt eine be-
stimmte, sinnvolle Ordnung erkennen läßt, da
stammt diese Ordnung aus dem Geiste des
Künstlers. Natur, die sich auf eine bestimmte
FASSOLD.
» DENKMAL-
ENTWURF c
DAS VISIONÄRE IM KUNSTWERK.
Vision bedeutet Schauung. Visionär mutet
ein Sinneseindruck an, wenn er wesentlich
betont ist, nicht als eine der geläufigen Wirk-
lichkeits-Abbilder in der sinnlichen Wahrneh-
mung, sondern als abhängig, ja erschaffen von
einem besonders gestimmten, erregten Subjekt.
Daher hat der Begriff „Vision" im gemeinen
Sprachgebrauch den Wert „Gesicht", d. h. ent-
weder Phantasmagorie oder ein In die Sinne-
Fallen überirdischer Naturen.
Beim Kunstwerk spricht man von visionärer
Anschauung, wenn die in ihm dargestellte Welt
zu wesentlichen Teilen das Merkmal subjektiver
Erschautheit trägt im Gegensatz zu der durch-
schnittlichen, alltäglichen Art und Weise, in der
unser Sinnesapparat die Außenwelt widerzu-
bilden pflegt. Subjektiv ist diese Erschautheit;
doch keineswegs willkürlich oder ungesetzlich.
Ganz im Gegenteil: ein Kunstwerk wird um so
visionärer wirken, je mehr es innere Gesetzlich-
keit spüren läßt; eine Gesetzlichkeit, die aus
Geist und Sinnen des Künstlers stammt und
nicht etwa Wort für Wort von der äußeren Welt
abgelesen ist. Ja, man kann sagen, die äußere
Naturerscheinung hat nicht Gesetz im künst-
lerischen Sinne. Wo immer das Kunstwerk im
Aufbau seiner Form- und Farbenwelt eine be-
stimmte, sinnvolle Ordnung erkennen läßt, da
stammt diese Ordnung aus dem Geiste des
Künstlers. Natur, die sich auf eine bestimmte