Das Visionäre im Kunstwerk.
E. MAYER
FASSOLD.
»FRAUEN-
GRUPPE«
flache Ebene, nämlich auf die geistigen und
künstlerischen Ausdrucksmittel des Menschen
projiziert, das ist das Kunstwerk. Je ent-
schlossener auf dieser Ebene das Subjekt des
Künstlers gesetzgeberisch und Eigenwelten
schaffend auftritt, desto höher ist der visionäre
Gehalt des Kunstwerks. Visionär in diesem
Sinne ist Rembrandt so gut wie Botticelli, über-
haupt alle starke und große Kunst. Denn sie
beruht auf einem positiven Akt des Schauens,
nämlich des Hineinreißens der äußeren Welt in
eine innere, des Durchtränkens der äußeren
Welt mit einem menschlichen Gesetz.
Es ist keineswegs das Hauptmerkmal des
visionären Kunstwerks, daß es besonders ge-
waltsam und umformend mit der äußeren Natur
umspringt. Man muß sich hüten, mit dem Be-
griff des Visionären die Begriffe des Phantasti-
schen, des Wilden und Schwärmenden allzu
eng zu verbinden. Wir gehen jetzt durch eine
Periode der Kunst und Dichtung, in der das
Visionäre auf eine allzu direkte und geradezu
dilettantische Weise gesucht wird. Die ganze
neue Dramatik steht unter dem Irrtum, unter
der falschen Sucht, kühnen Sprunges über das
Wirkliche hinauszusetzen und statt Leben nackte,
dürre Symbolik vor uns hinzustellen. Im Be-
reich der Malerei ist dasselbe zu beobachten:
ein durchaus kurzsichtiges Vordrängen des Sub-
jekts, äußerste Gewaltsamkeit gegenüber der
E. MAYER
FASSOLD.
»FRAUEN-
GRUPPE«
flache Ebene, nämlich auf die geistigen und
künstlerischen Ausdrucksmittel des Menschen
projiziert, das ist das Kunstwerk. Je ent-
schlossener auf dieser Ebene das Subjekt des
Künstlers gesetzgeberisch und Eigenwelten
schaffend auftritt, desto höher ist der visionäre
Gehalt des Kunstwerks. Visionär in diesem
Sinne ist Rembrandt so gut wie Botticelli, über-
haupt alle starke und große Kunst. Denn sie
beruht auf einem positiven Akt des Schauens,
nämlich des Hineinreißens der äußeren Welt in
eine innere, des Durchtränkens der äußeren
Welt mit einem menschlichen Gesetz.
Es ist keineswegs das Hauptmerkmal des
visionären Kunstwerks, daß es besonders ge-
waltsam und umformend mit der äußeren Natur
umspringt. Man muß sich hüten, mit dem Be-
griff des Visionären die Begriffe des Phantasti-
schen, des Wilden und Schwärmenden allzu
eng zu verbinden. Wir gehen jetzt durch eine
Periode der Kunst und Dichtung, in der das
Visionäre auf eine allzu direkte und geradezu
dilettantische Weise gesucht wird. Die ganze
neue Dramatik steht unter dem Irrtum, unter
der falschen Sucht, kühnen Sprunges über das
Wirkliche hinauszusetzen und statt Leben nackte,
dürre Symbolik vor uns hinzustellen. Im Be-
reich der Malerei ist dasselbe zu beobachten:
ein durchaus kurzsichtiges Vordrängen des Sub-
jekts, äußerste Gewaltsamkeit gegenüber der