Talent und Genie.
hier weglasse. In diesem Sinne scheinen mir
Talent und Genie verschieden, nicht wie Farbe
und Ton, sondern etwa wie Blau und Rot,
Schwarz und Weiß. In ihrer Reinheit stellen
sie Extreme dar, und die Wirklichkeit prägt die
Mischformen, die sich bisweilen den Extremen
nähern. Aber zur Erkenntnis dieser Misch-
formen ist die Kenntnis der Extreme wichtig.
Wir werden den tatsächlichen Verhältnissen
bloß gerecht, wenn durch diff erentielle Forschung
Art und Weise dieser einzelnen Mischungen
ersichtlich wird, obzwar wir natürlich nicht der
absurdenMeinung huldigen, die komplexe Misch-
ung sei einfach eine Summation ihrer Elemente.
Wenn wir beim Genialen frei steigende Ein-
fälle antreffen und einer sehr weitgehenden
Mitwirkung des „Unbewußten" (wobei es an
dieser Stelle ganz gleichgültig ist, ob es sich
um Nicht-Bemerktes, Unterbewußtes oder Un-
bewußtes im engeren Sinne handelt) begegnen
und beim Talent dem systematischen Fort-
schreiten bewußter Arbeit, fällt uns leicht die
Analogie zum ethischen Verhalten des Menschen
auf. Die einen handeln — sozusagen — unbe-
wußt gut aus ihrer Natur heraus, fast triebartig;
die anderen tun das Gute, weil sie es als Gutes
erkennen, sie arbeiten angestrengt und ununter-
brochen an ihrem Gutsein. Der bloß seiner
Natur Nachgebende kann sich leichter einmal
„verhauen" als der letztere. Aber für diesen
wird es Schranken des Gutseins geben, nämlich
dort, wo das Wissen um das Gute ihn verläßt,
er also verständnislos gleichsam Gelegenheiten
verpaßt, gut zu sein. Die Ethik muß beide An-
PROF. JOSEF WACKERLE-MÜNCHEN. »FEDERZEICHNUNG«
hier weglasse. In diesem Sinne scheinen mir
Talent und Genie verschieden, nicht wie Farbe
und Ton, sondern etwa wie Blau und Rot,
Schwarz und Weiß. In ihrer Reinheit stellen
sie Extreme dar, und die Wirklichkeit prägt die
Mischformen, die sich bisweilen den Extremen
nähern. Aber zur Erkenntnis dieser Misch-
formen ist die Kenntnis der Extreme wichtig.
Wir werden den tatsächlichen Verhältnissen
bloß gerecht, wenn durch diff erentielle Forschung
Art und Weise dieser einzelnen Mischungen
ersichtlich wird, obzwar wir natürlich nicht der
absurdenMeinung huldigen, die komplexe Misch-
ung sei einfach eine Summation ihrer Elemente.
Wenn wir beim Genialen frei steigende Ein-
fälle antreffen und einer sehr weitgehenden
Mitwirkung des „Unbewußten" (wobei es an
dieser Stelle ganz gleichgültig ist, ob es sich
um Nicht-Bemerktes, Unterbewußtes oder Un-
bewußtes im engeren Sinne handelt) begegnen
und beim Talent dem systematischen Fort-
schreiten bewußter Arbeit, fällt uns leicht die
Analogie zum ethischen Verhalten des Menschen
auf. Die einen handeln — sozusagen — unbe-
wußt gut aus ihrer Natur heraus, fast triebartig;
die anderen tun das Gute, weil sie es als Gutes
erkennen, sie arbeiten angestrengt und ununter-
brochen an ihrem Gutsein. Der bloß seiner
Natur Nachgebende kann sich leichter einmal
„verhauen" als der letztere. Aber für diesen
wird es Schranken des Gutseins geben, nämlich
dort, wo das Wissen um das Gute ihn verläßt,
er also verständnislos gleichsam Gelegenheiten
verpaßt, gut zu sein. Die Ethik muß beide An-
PROF. JOSEF WACKERLE-MÜNCHEN. »FEDERZEICHNUNG«