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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 48.1921

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Lindner, Werner: Zu den Arbeiten von Ernst May
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https://doi.org/10.11588/diglit.9123#0271

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ARCHITEKT ERNST MAY— BRESLAU.

»KLEINSIEDELUNG FRANKENSTEINc

ZU DEN ARBEITEN VON ERNST MAY.

Die Arbeiten Ernst May's in Breslau, des
baulichen Leiters der Siedlungsgesellschaft
„Schlesisches Heim", lassen sich am besten be-
werten, wenn man sie im Rahmen des deutschen
Kleinhaus- und Kleinsiedlungsbaus von heute
betrachtet. Ist der allgemeinen Charakteristik
von solchen Werken, die der Zeit gerecht wer-
den, bei den Bauten May's im besonderen
kaum etwas hinzuzufügen, so ist das ein Lob.

Alle gutgelösten Kleinhaus- und Kleinwoh-
nungsaufgaben der Gegenwart haben den Grund-
zug außerordentlicher Einfachheit und Ähnlich-
keit gemeinsam. So sehr, daß mancher bei ihnen
von öder Gleichmacherei und von künstlerischer
Unfähigkeit der Erbauer spricht. Viele Freunde
der Heimat vermissen zudem an ihnen eine
ausreichende Rücksicht auf die den einzelnen
Landschäften eigenen, überlieferten Formen
und Einzelheilen. Sie glauben vielmehr oft
fremde, „welsche" Einflüsse des 18. Jahrhun-
derts feststellen zu müssen.

Die Notwendigkeit und Weisheit einer tat-
sächlich allen mustergültigen Bauten dieser Art
innewohnenden Beschränkung wird allerdings
erst beim näheren Hinschauen sichtbar. Sie
zieht eine aus den wirtschaftlichen Erforder-
nissen geborene Güte der technischen und hand-
werklichen Arbeit nach sich und macht den

ursächlichen Zusammenhang mit der Baukultur
vergangener Zeiten an verwandten Aufgaben
offenbar. Man kann sagen: ohne Ausdruck
dieser natürlichen Beziehung wären solche
Werke der angewandten Kunst verfehlt, unsere
Zeit möge sich noch so neu- und eigenartig ge-
bärden oder es auch sein.

Der angewandten Kunst! Je feineres Ge-
fühl mitspricht, um so weniger sieht man von
„Kunst" in üblichem Sinne. Die Aufgabe an
sich gibt ja schon wenig Raum für sie, die harte
Zeit streicht immer mehr von den letzten Mög-
lichkeiten der „Dekoration" weg.

Was für Möglichkeiten schöner Gestaltung
und Wirkung bleiben denn überhaupt innerhalb
dieser beängstigend engen Grenzen? Eigent-
lich nur Notwendigkeiten, mit denen sich prak-
tisch und schönheitlich zugleich ohne Wider-
willen abzufinden eben die Zeit fordert.

Die alten Bauernhaustypen haben die außer-
ordentlich verschiedenen Baugewohnheiten der
deutschen Stämme am sinnfälligsten bewahrt,
nach Wirtschafts- und Wohnsitten, Gebrauch
heimischer Bauweisen und Handwerksübung.
In scharfem Gegensatz zu ihnen stehen die
wenig beachteten alten Kleinhaustypen in Stadt
und Land. Da sind vielfach die landschaftlichen
Abweichungen im Grundriß wie in derErschei-

XXIV. August 1921. 6
 
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