Zur Wertung der Kunstgeschichte.
fr. olivier.
»brunnen
in der
campagna«
Ahnensuche. Jede neue Sehnsucht, die sich
der Gegenwart bemächtigt, betätigt sich vor
allem im Bereich der historischen Wertungen.
Und so ist das Vergangene kein kühler, toter
Statuensaal, in dem sich nichts begibt als das
Fallen des Staubes, sondern hier herrscht ein
emsiges Leben im Herbei- und Fortschaffen der
Standbilder, begleitet oft von nicht geringem
Lärm. Hier wächst und verwittert Ruhm, hier
erglänzen und verbleichen Namen. Eines schö-
nen Tages reißt man Greco herein in sehr
gegenwärtige Kämpfe um eine neue malerische
Form. Grünewald erlebt seine entscheidende
Einreihung in das deutsche Pantheon. Ganze
Kontinente und Archipele werden für die Kunst-
geschichte entdeckt; nicht entdeckt wie Dinge,
die vorher verborgen waren, sondern wie Dinge,
die man wohl gesehen, aber innerlich nicht er-
kannt hatte. Das Kunstgewerbe, die Dichtung,
die Musik liefern ganz dieselben Umwertungen
historischer Werte. Oft erweist sich, daß das
zeitlich uns sehr nahe Liegende toter ist als
eine graue, kaum noch geahnte Vergangenheit.
So daß man z. B. sagen kann, Ibsens „Nora" sei
heute wesentlich veralteter als etwa die „An-
tigone" des Sophokles. Vieldeutig und Leben
ausstrahlend steht so das Vergangene vor uns,
immer bereit, sich finden oder verwerfen zu
lassen von der ewigen Ahnensuche, auf die die
Menschheit nie wird verzichten können, w. m.
fr. olivier.
»brunnen
in der
campagna«
Ahnensuche. Jede neue Sehnsucht, die sich
der Gegenwart bemächtigt, betätigt sich vor
allem im Bereich der historischen Wertungen.
Und so ist das Vergangene kein kühler, toter
Statuensaal, in dem sich nichts begibt als das
Fallen des Staubes, sondern hier herrscht ein
emsiges Leben im Herbei- und Fortschaffen der
Standbilder, begleitet oft von nicht geringem
Lärm. Hier wächst und verwittert Ruhm, hier
erglänzen und verbleichen Namen. Eines schö-
nen Tages reißt man Greco herein in sehr
gegenwärtige Kämpfe um eine neue malerische
Form. Grünewald erlebt seine entscheidende
Einreihung in das deutsche Pantheon. Ganze
Kontinente und Archipele werden für die Kunst-
geschichte entdeckt; nicht entdeckt wie Dinge,
die vorher verborgen waren, sondern wie Dinge,
die man wohl gesehen, aber innerlich nicht er-
kannt hatte. Das Kunstgewerbe, die Dichtung,
die Musik liefern ganz dieselben Umwertungen
historischer Werte. Oft erweist sich, daß das
zeitlich uns sehr nahe Liegende toter ist als
eine graue, kaum noch geahnte Vergangenheit.
So daß man z. B. sagen kann, Ibsens „Nora" sei
heute wesentlich veralteter als etwa die „An-
tigone" des Sophokles. Vieldeutig und Leben
ausstrahlend steht so das Vergangene vor uns,
immer bereit, sich finden oder verwerfen zu
lassen von der ewigen Ahnensuche, auf die die
Menschheit nie wird verzichten können, w. m.