A. Ansichten über das Alter von Olympia
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eine vorgriechische Kultstätte mit den Hauptgöttern Rhea und Kronos bestanden
haben muss. Ich selbst habe den Glauben von Curtius an die Wahrheit der
Überlieferung und an ihre Bestätigung durch die Grabungen geteilt und ihn
stets in seiner Auffassung bestärkt. Im II. Bande des Olympia-Werkes habe ich
bei Besprechung des Heraions (S. 35 f.) nachgewiesen, dass dieser Tempel nach den
Resten und nach der bestimmten Überlieferung bei Pausanias am Ende des
II. Jahrtausends gebaut ist, und dass daher die zahllosen primitiven und geo-
metrischen Weihegaben, die unter seinen Fundamenten zu Tage gekommen
waren, notwendigerweise dem II. Jahrtausend zugeschrieben werden müssen und
somit die Wahrheit der Überlieferung über ein vordorisches Heiligtum bestätigen.
Im Gegensätze zu uns hat aber ein anderer Mitarbeiter, Adolf Furt-
wängler, das hohe Alter von Olympia entschieden geleugnet. Er hatte im
Winter 1878/79 als Assistent von G. Treu an den Grabungen teilgenommen und
noch in demselben Jahre einen später berühmt gewordenen, ja epochemachenden
Aufsatz über die Bronzefunde von Olympia veröffentlicht (Abhandlungen der
Berliner Akademie, 1879, IV; wiederholt in Furtwänglers „Kleinen Schriften" I,
1912, 339). Darin glaubte er zeigen zu können, dass die Überlieferung über ein
vordorisches Olympia durch die Ergebnisse der Ausgrabungen widerlegt sei. Er
bemühte sich nachzuweisen, dass alle in Olympia gemachten Funde, namentlich
die zahllosen primitiven und geometrischen Weihegaben aus Ton und Bronze,
erst der Zeit nach der Dorischen Wanderung angehörten. In Olympia solle kein
Gegenstand gefunden sein, der älter als 1100 vor Chr. wäre. „Keines der
einigermaassen bestimmbaren Stücke der Bronzen Olympias", so sagt er S. 104,
„kann mit Wahrscheinlichkeit über das 8. Jahrhundert hinaus gerückt werden".
Da das olympische Heiligtum demnach erst nach der Dorischen Wanderung
gegründet sein könne, so sei alle Überlieferung über ein älteres Olympia falsch
und zu verwerfen.
Im grossen Olympia-Werk (Band IV von 1890) hat Furtwängler diese seine
Ansicht über das Alter von Olympia nur angedeutet, ohne sie nochmals eingehend
darzulegen und zu begründen. Er hat zwar die zahllosen Bronzen und Terrakotten
sorgfältig beschrieben und in guten Abbildungen wiedergegeben; er hat auch
alle älteren Funde, ebenso wie in seinem Aufsätze von 1879, in drei grosse
Gruppen geteilt, die primitiven, die geometrischen und die orientalisierenden; aber
nach einer Datierung dieser Gruppen und nach ihrer Einordnung in die allgemeine
Kultur-Entwicklung Griechenlands sucht man hier vergebens. Diese Lücke im
Bronze-Bande des Olympia-Werkes musste auffallen, weil in den anderen Bänden
die Bauwerke, die Skulpturen, die Inschriften nicht nur in Wort und Bild ver-
öffentlicht, sondern auch nach ihrer zeitlichen und kunstgeschichtlichen Stellung
mehr oder weniger eingehend behandelt sind. Eine solche Erörterung der Klein-
funde durfte man im IV. Bande um so mehr erwarten, als die Zahl der Bronzen
und Terrakotten, aus denen Furtwängler im Jahre 1879 seine vorläufigen, die
damalige kunstgeschichtliche Lehre umstürzenden Schlüsse gezogen hatte, sich
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eine vorgriechische Kultstätte mit den Hauptgöttern Rhea und Kronos bestanden
haben muss. Ich selbst habe den Glauben von Curtius an die Wahrheit der
Überlieferung und an ihre Bestätigung durch die Grabungen geteilt und ihn
stets in seiner Auffassung bestärkt. Im II. Bande des Olympia-Werkes habe ich
bei Besprechung des Heraions (S. 35 f.) nachgewiesen, dass dieser Tempel nach den
Resten und nach der bestimmten Überlieferung bei Pausanias am Ende des
II. Jahrtausends gebaut ist, und dass daher die zahllosen primitiven und geo-
metrischen Weihegaben, die unter seinen Fundamenten zu Tage gekommen
waren, notwendigerweise dem II. Jahrtausend zugeschrieben werden müssen und
somit die Wahrheit der Überlieferung über ein vordorisches Heiligtum bestätigen.
Im Gegensätze zu uns hat aber ein anderer Mitarbeiter, Adolf Furt-
wängler, das hohe Alter von Olympia entschieden geleugnet. Er hatte im
Winter 1878/79 als Assistent von G. Treu an den Grabungen teilgenommen und
noch in demselben Jahre einen später berühmt gewordenen, ja epochemachenden
Aufsatz über die Bronzefunde von Olympia veröffentlicht (Abhandlungen der
Berliner Akademie, 1879, IV; wiederholt in Furtwänglers „Kleinen Schriften" I,
1912, 339). Darin glaubte er zeigen zu können, dass die Überlieferung über ein
vordorisches Olympia durch die Ergebnisse der Ausgrabungen widerlegt sei. Er
bemühte sich nachzuweisen, dass alle in Olympia gemachten Funde, namentlich
die zahllosen primitiven und geometrischen Weihegaben aus Ton und Bronze,
erst der Zeit nach der Dorischen Wanderung angehörten. In Olympia solle kein
Gegenstand gefunden sein, der älter als 1100 vor Chr. wäre. „Keines der
einigermaassen bestimmbaren Stücke der Bronzen Olympias", so sagt er S. 104,
„kann mit Wahrscheinlichkeit über das 8. Jahrhundert hinaus gerückt werden".
Da das olympische Heiligtum demnach erst nach der Dorischen Wanderung
gegründet sein könne, so sei alle Überlieferung über ein älteres Olympia falsch
und zu verwerfen.
Im grossen Olympia-Werk (Band IV von 1890) hat Furtwängler diese seine
Ansicht über das Alter von Olympia nur angedeutet, ohne sie nochmals eingehend
darzulegen und zu begründen. Er hat zwar die zahllosen Bronzen und Terrakotten
sorgfältig beschrieben und in guten Abbildungen wiedergegeben; er hat auch
alle älteren Funde, ebenso wie in seinem Aufsätze von 1879, in drei grosse
Gruppen geteilt, die primitiven, die geometrischen und die orientalisierenden; aber
nach einer Datierung dieser Gruppen und nach ihrer Einordnung in die allgemeine
Kultur-Entwicklung Griechenlands sucht man hier vergebens. Diese Lücke im
Bronze-Bande des Olympia-Werkes musste auffallen, weil in den anderen Bänden
die Bauwerke, die Skulpturen, die Inschriften nicht nur in Wort und Bild ver-
öffentlicht, sondern auch nach ihrer zeitlichen und kunstgeschichtlichen Stellung
mehr oder weniger eingehend behandelt sind. Eine solche Erörterung der Klein-
funde durfte man im IV. Bande um so mehr erwarten, als die Zahl der Bronzen
und Terrakotten, aus denen Furtwängler im Jahre 1879 seine vorläufigen, die
damalige kunstgeschichtliche Lehre umstürzenden Schlüsse gezogen hatte, sich