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Dörpfeld, Wilhelm; Forbat, Fred; Forbat, Fred [Bearb.]
Alt-Olympia: Untersuchungen und Ausgrabungen zur Geschichte des ältesten Heiligtums von Olympia und der älteren griechischen Kunst (1. Band) — Berlin: Mittler, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.71562#0212
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VIII. Abschnitt: Baugeschichte des Heraions

VIII. ABSCHNITT
DIE BAUGESCHICHTE DES HERAIONS

Auf Grund der im vorigen Abschnitt von Hans Schleif und mir gegebenen
Baubeschreibung des Heraions lässt sich die Geschichte dieses wichtigen Tempels
mit ziemlicher Sicherheit wiedergewinnen. Bevor ich jedoch auf die verschiedenen
Perioden dieser Geschichte eingehe und sie im Einzelnen festzustellen suche,
scheint es mir angebracht, zunächst noch einige allgemeine Fragen des grie-
chischen Tempelbaues zu erörtern, die für die Geschichte unseres Tempels wich-
tige Grundlagen liefern. Ich meine damit 1. die viel umstrittene Frage, ob der
dorische Steintempel der klassischen Zeit sich aus dem Holzbau entwickelt hat,
oder ob seine Bauformen für den Steinbau geschaffen sind, und 2. die Frage,
ob der griechische Tempel aus dem Orient abgeleitet werden darf oder eine
eigene Erfindung der Griechen und besonders der Dorier gewesen ist.

A. ZWEI HAUPTFRAGEN DES GRIECHISCHENTEMPELBAUS
1. HATTEN DIE ÄLTESTEN GRIECHISCHEN UND BESONDERS
DIE DORISCHEN TEMPEL HÖLZERNE ODER STEINERNE
SÄULEN UND GEBÄLKE?
Über die wichtige Frage, ob der dorische Tempel und seine Bauformen sich am
Holzbau oder aber am Steinbau entwickelt haben, ist seit sehr langer Zeit unter
den Bauforschern gestritten worden und auch jetzt noch keine Einstimmigkeit
erzielt. Die alten Schriftsteller und besonders der römische Architekt Vitruv
(IV, 2) hatten uns überliefert, dass es alte griechische Tempel aus Holz gegeben
habe, die später in Stein erneuert worden seien. Bei der Erörterung der Holz-
tempel spielte unser Heraion stets eine besondere Rolle, weil Pausanias noch im
2. Jahrhundert n. Chr. an diesem sehr alten Steintempel dorischen Stils sah, dass
eine der beiden Säulen des Opisthodoms aus Eichenholz bestand (V, 16, 1).
Obwohl ferner auch Vitruv ausdrücklich berichtet, dass die Formen des
dorischen Stils am Holzbau entstanden seien, und dass die Triglyphen einst den
Enden der hölzernen Balken entsprochen und mit ihren Zwischenräumen den
Wechsel mit den Metopen am dorischen Friese gebildet hätten, war von Karl
Bötticher in seiner „Tektonik der Hellenen" (1874, 8 ff.) die Entstehung der
dorischen Formen aus dem Holzbau geleugnet worden. Er hatte nachzuweisen
 
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