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Dörpfeld, Wilhelm; Forbat, Fred; Forbat, Fred [Bearb.]
Alt-Olympia: Untersuchungen und Ausgrabungen zur Geschichte des ältesten Heiligtums von Olympia und der älteren griechischen Kunst (1. Band) — Berlin: Mittler, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.71562#0213
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A. 1. Holz- oder Stein-Tempel in ältester Zeit?

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gesucht, dass alle dorischen Architektur-Formen am Steinbau entstanden seien.
Eine ganze Generation von Gelehrten ist ihm in dieser Lehre gefolgt, von denen
hier der Architekt Fr. Adler und der Archäologe Ad. Michaelis genannt werden
mögen.
In diesem Streite hat die Ausgrabung des Heraions von Olympia die Ent-
scheidung gebracht; denn wie von mir in einem Aufsatz der Festschrift für Ernst
Curtius (1884, 137—155) und in „Olympia" (II, 1892, 28 ff.) dargelegt ist, haben
die Ruinen des Heraions die Angabe des Pausanias über die eine übrig gebliebene
Holzsäule vollkommen bestätigt. Sie lehrten deutlich erstens, dass alle Säulen des
Tempels im Äusseren und Inneren ursprünglich aus Holz bestanden hatten und
allmählich im Laufe vieler Jahrhunderte in Stein ersetzt worden waren. Zweitens
haben sie uns durch das Fehlen aller Steine des Gebälks, des Epistyls, des Tri-
glyphenfrieses und des Geisons, gezeigt, dass das ganze Gebälk aus Holz ge-
blieben war.
Es ist eine seltsame Erscheinung, dass trotz dieser monumentalen Bestätigung
der literarischen Überlieferung über alte Holztempel der Widerspruch von Ge-
lehrten und Technikern gegen die Entstehung der dorischen Bauformen am Holzbau
nicht verstummt ist. Es ist meine Pflicht, auf diesen Widerspruch einzugehen.
So hat, um zunächst einige Techniker zu erwähnen, Baurat C. Bohnsack,
Professor der Baugeschichte in Braunschweig, in der Bauzeitung für Württemberg
(1906, 359 ff.) in einem Aufsatz „War das Heraion in Olympia ursprünglich von
Holz?" die Frage mit einem entschiedenen Nein beantwortet. Er sucht nachzu-
weisen, dass technische Gründe der Annahme von Holzsäulen im Heraion wider-
sprächen. Denn erstens habe es für solche Säulen damals in Griechenland keine
Hölzer der von mir angenommenen Abmessungen gegeben, und zweitens hätten
diese auch weder zu Lande noch auf dem Alpheios transportiert werden können.
Dabei schiebt er, um seine Berechnungen möglichst eindrucksvoll zu gestalten,
mir die Ansicht zu, dass der Schaft der Säulen mit dem Kapitell aus einem ein-
zigen Holzstamm von 1,40 m Durchmesser herausgearbeitet worden sei. Selbstver-
ständlich habe ich mir nur den Schaft aus einem einzigen Stamm gedacht und sogar
hinzugefügt, dass er aus mehreren Stämmen zusammengesetzt sein konnte. Zur
Zeit der Ausgrabungen sind noch oft ganze Flösse von Baumstämmen aus Arkadien
den Alpheios herabgekommen; ausserdem war der Peloponnes im Altertum schon
im II. Jahrtausend nachweisbar mit Fahrstrassen versehen. Auffallend grosse Eich-
bäume gibt es ferner noch jetzt in Elis und Arkadien; sie konnten auch im Altertum,
ebenso wie heute, leicht von dort nach Olympia geschafft werden. Wenn Bohnsack
weiter behauptet, dass Holzsäulen sich in Griechenland nicht Jahrhunderte hindurch
erhalten haben könnten, so scheint er die zahlreichen Beispiele sehr alter Säulen
und Gebälke aus Holz, von denen uns die Literatur berichtet, nicht zu kennen.
Gerade in Olympia gab es charakteristische Beispiele. So sah Pausanias selbst
äusser der einen alten Holzsäule im Heraion eine noch ältere vom Königshaus des
Oinomaos, die durch eine Bronze-Inschrift ihre Geschichte verkündete. Sie ist von
 
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