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VIII. Abschnitt: Baugeschichte des Heraions
mir oben S. 32 f. besprochen. Da sie aus dem II. Jahrtausend stammte, hatte sie zur
Zeit des Pausanias ein Alter von rund 1500 Jahren erreicht. Ein sehr altes Gebälk
aus Holz hat ferner das Heraion besessen, das, wie die Ruine selbst lehrt, niemals
ein solches aus Stein gehabt hat. Das Holzgebälk hatte daher, auch wenn es
einmal erneuert worden sein sollte, sicher ein Alter von mehreren Jahrhunderten
erreicht.
In ähnlicher Weise hat auch ein zweiter Techniker und Kunstgelehrter, Prof.
Reinhardt in Stuttgart, über meine Theorie der allmählichen Ersetzung der
älteren Holzsäulen des Heraions durch Steinsäulen geurteilt. In derselben Bau-
zeitung von Württemberg (1905, 11 ff.) bezeichnet er meine Ansicht als „ganz un-
glaublich" und behauptet mit Bestimmtheit, dass in griechischen Tempeln in den
ältesten Zeiten keine Holzsäulen verwendet worden seien. Die monumentale Bau-
weise des Heraions soll einen solchen Vorgang gänzlich ausschliessen. Derartige
den Tatsachen widersprechende Behauptungen brauchen nicht widerlegt zu werden.
Wenn er aber weiter den nicht anfechtbaren Tatbestand der grossen Verschieden-
heit der Steinsäulen „in ganz einfacher Weise" durch die Annahme erklären zu
können glaubt, dass die Säulen mit ihren verschiedenen Abmessungen, Bauformen
und technischen Eigentümlichkeiten von verschiedenen Städten gestiftet und nach
Olympia transportiert worden seien, so vergisst er offenbar, was ich schon oft
dargelegt habe, dass die sehr verschieden gestalteten Steinsäulen alle aus einem
Muschelkalk bestehen, der im Alpheios-Tal ansteht und daher in Olympia zu allen
Zeiten verwendet worden ist. Auch hat er unbeachtet gelassen, dass die sehr ver-
schiedenen Kapitelle ganz unmöglich aus einer und derselben Zeit stammen
können, sondern teils in altgriechischer, teils in spätgriechischer, teils sogar erst
in römischer Zeit hergestellt sind, und dass ferner die gleichgestalteten Säulen nicht
nebeneinander stehen, sondern unregelmässig auf die verschiedensten Seiten des
Tempels verteilt sind. Auf die eine höchst wichtige Holzsäule, die allein zwischen
den vielen Steinsäulen und dazu noch neben einem hölzernen Wandpfeiler (Pa-
rastas) und unter einem hölzernen Epistyl stand, geht er gar nicht ein.
In derselben Zeitschrift (1907, 41—44) hat endlich noch ein dritter Techniker,
Prof. Josef Durm, der Verfasser des bekannten Buches „Die Baukunst der
Griechen", das Wort zur Frage der hölzernen Säulen des Heraions genommen. Er
lehnt zunächst die Behauptung von Bohnsack und Reinhardt, dass man im grie-
chischen Altertum keine starken Bauhölzer gehabt habe, mit Recht ab und erinnert
an das aus klassischer Zeit stammende Arsenal des Philon im Piräus, dessen auf-
fallend starke Holzbalken durch eine Inschrift in ihren Abmessungen genau bekannt
sind. Obwohl er nicht leugnet, dass es. im allgemeinen in Griechenland in den
ältesten Zeiten Holztempel gegeben habe, glaubt er auch nicht an das Vorhanden-
sein ehemaliger dorischer Holzsäulen am Hera-Tempel von Olympia. Die von
Pausanias erwähnte Holzsäule erklärt er für ein Weihgeschenk, das als Reliquie
eines alten Heiligtums im Opisthodom des Heraions mit anderen Weihegaben auf-
bewahrt worden sei. Sie soll ferner ein dorisches Kapitell nicht gehabt haben
VIII. Abschnitt: Baugeschichte des Heraions
mir oben S. 32 f. besprochen. Da sie aus dem II. Jahrtausend stammte, hatte sie zur
Zeit des Pausanias ein Alter von rund 1500 Jahren erreicht. Ein sehr altes Gebälk
aus Holz hat ferner das Heraion besessen, das, wie die Ruine selbst lehrt, niemals
ein solches aus Stein gehabt hat. Das Holzgebälk hatte daher, auch wenn es
einmal erneuert worden sein sollte, sicher ein Alter von mehreren Jahrhunderten
erreicht.
In ähnlicher Weise hat auch ein zweiter Techniker und Kunstgelehrter, Prof.
Reinhardt in Stuttgart, über meine Theorie der allmählichen Ersetzung der
älteren Holzsäulen des Heraions durch Steinsäulen geurteilt. In derselben Bau-
zeitung von Württemberg (1905, 11 ff.) bezeichnet er meine Ansicht als „ganz un-
glaublich" und behauptet mit Bestimmtheit, dass in griechischen Tempeln in den
ältesten Zeiten keine Holzsäulen verwendet worden seien. Die monumentale Bau-
weise des Heraions soll einen solchen Vorgang gänzlich ausschliessen. Derartige
den Tatsachen widersprechende Behauptungen brauchen nicht widerlegt zu werden.
Wenn er aber weiter den nicht anfechtbaren Tatbestand der grossen Verschieden-
heit der Steinsäulen „in ganz einfacher Weise" durch die Annahme erklären zu
können glaubt, dass die Säulen mit ihren verschiedenen Abmessungen, Bauformen
und technischen Eigentümlichkeiten von verschiedenen Städten gestiftet und nach
Olympia transportiert worden seien, so vergisst er offenbar, was ich schon oft
dargelegt habe, dass die sehr verschieden gestalteten Steinsäulen alle aus einem
Muschelkalk bestehen, der im Alpheios-Tal ansteht und daher in Olympia zu allen
Zeiten verwendet worden ist. Auch hat er unbeachtet gelassen, dass die sehr ver-
schiedenen Kapitelle ganz unmöglich aus einer und derselben Zeit stammen
können, sondern teils in altgriechischer, teils in spätgriechischer, teils sogar erst
in römischer Zeit hergestellt sind, und dass ferner die gleichgestalteten Säulen nicht
nebeneinander stehen, sondern unregelmässig auf die verschiedensten Seiten des
Tempels verteilt sind. Auf die eine höchst wichtige Holzsäule, die allein zwischen
den vielen Steinsäulen und dazu noch neben einem hölzernen Wandpfeiler (Pa-
rastas) und unter einem hölzernen Epistyl stand, geht er gar nicht ein.
In derselben Zeitschrift (1907, 41—44) hat endlich noch ein dritter Techniker,
Prof. Josef Durm, der Verfasser des bekannten Buches „Die Baukunst der
Griechen", das Wort zur Frage der hölzernen Säulen des Heraions genommen. Er
lehnt zunächst die Behauptung von Bohnsack und Reinhardt, dass man im grie-
chischen Altertum keine starken Bauhölzer gehabt habe, mit Recht ab und erinnert
an das aus klassischer Zeit stammende Arsenal des Philon im Piräus, dessen auf-
fallend starke Holzbalken durch eine Inschrift in ihren Abmessungen genau bekannt
sind. Obwohl er nicht leugnet, dass es. im allgemeinen in Griechenland in den
ältesten Zeiten Holztempel gegeben habe, glaubt er auch nicht an das Vorhanden-
sein ehemaliger dorischer Holzsäulen am Hera-Tempel von Olympia. Die von
Pausanias erwähnte Holzsäule erklärt er für ein Weihgeschenk, das als Reliquie
eines alten Heiligtums im Opisthodom des Heraions mit anderen Weihegaben auf-
bewahrt worden sei. Sie soll ferner ein dorisches Kapitell nicht gehabt haben