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Dörpfeld, Wilhelm; Forbat, Fred; Forbat, Fred [Bearb.]
Alt-Olympia: Untersuchungen und Ausgrabungen zur Geschichte des ältesten Heiligtums von Olympia und der älteren griechischen Kunst (1. Band) — Berlin: Mittler, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.71562#0027
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A. Ansichten über das Alter von Olympia

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Dass auch andere Archäologen und Architekten Furtwänglers neue Lehre zunächst
nicht billigten, sondern fortfuhren, die altertümlichen Figuren aus Ton und Bronze
für Erzeugnisse der vorgriechischen Zeit zu halten, mag hier nicht unerwähnt
bleiben. Erst später hat Furtwänglers Lehre fast allgemeine Zustimmung gefunden.
Der grosse Meinungsunterschied zwischen Curtius und Furtwängler ist es ge-
wesen, der diesen bewogen hat, seine geplante kunstgeschichtliche Einordnung und
seine absolute Datierung der olympischen Bronzen und sonstigen Kleinfunde im
IV. Bande nicht zu veröffentlichen. Verhindert hat Curtius ihn nicht, sondern ihm
nur erklärt, dass er als Herausgeber des ganzen Werkes sich für berechtigt und
sogar für verpflichtet halte, in einem Zusatze seine abweichende Ansicht über die
Datierung der drei Gruppen der Bronzen auszusprechen und zu begründen. Um
diesen Zusatz zu vermeiden, hat Furtwängler damals darauf verzichtet, seine
geplante eingehende Behandlung der drei Gruppen zu veröffentlichen. Wie er selbst
in dem soeben angeführten Satze sagt, hat er es dem Leser überlassen, selbst die
Schlüsse aus dem neuen, reicheren Material zu ziehen, und glaubte dies tun zu
dürfen, weil seine Abhandlung von 1879 allgemein beachtet worden war und
inzwischen viele Zustimmung gefunden hatte.
Die prinzipielle Wichtigkeit des Falles sah Curtius mit Recht in der Entscheidung
über die Frage, ob die literarische Überlieferung oder die Furtwänglersche Da-
tierung der Bodenfunde maassgebend sein müsse bei der Feststellung der Geschichte
von Olympia. Er dachte nicht daran, den Wert und die Bedeutung der Bodenfunde
herabzusetzen. Allen eindeutigen Funden hat er stets den Vorzug gegeben vor der
literarischenüberlieferung, aber zweifelhaften Deutungen und fraglichen Datierungen
wollte und konnte er dieses Vorrecht nicht zugestehen. Furtwänglers Datierung der
olympischen Bronzen hielt er für unrichtig, daher durfte er die reiche und klare
Überlieferung nicht verwerfen.
Furtwängler war sich natürlich voll bewusst, durch seine neue Datierung der
ältesten Weihegaben die literarische Tradition über ein uraltes Olympia um-
gestossen zu haben, und verstand auch, dass Curtius als Historiker ihm wider-
sprechen zu müssen glaubte. Aber er hielt seine eigene Datierung der Bronzen und
Terrakotten für vollkommen gesichert und wagte es, die Überlieferung für wertlos
zu erklären. Das erkennt man deutlich aus den Worten, die er auf die angeführten
Sätze folgen lässt. Er schreibt in den Münchener Sitzungsberichten von 1906
nämlich weiter (480): „Dass für die Geschichte der Frühzeit Griechenlands die
Funde des Bodens, auch die kleinsten und unscheinbarsten, von unendlich grösserer
Bedeutung sein können als die dunklen literarischen Traditionen, die wir besitzen,
ist ein Gedanke, der erst in den letzten Dezennien zum Durchbruch gekommen ist."
Dieser Satz, der sich in erster Linie gegen Curtius richtete, ist in seinen Aus-
drücken nicht nur übertrieben, sondern auch ungerecht. Denn gerade Ernst Curtius
ist es gewesen, der als einer der ersten die grosse Bedeutung der Ausgrabungen
und der Bodenfunde für den Fortschritt der Altertumswissenschaft erkannt und
darum schon 1853 durch seinen berühmt gewordenen Vortrag die Ausgrabung von
 
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