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II. Abschnitt: Überlieferung über das älteste Olympia
Bevor ich diese Ansicht und die Lehre Furtwänglers von der Gründung des
olympischen Heiligtums im Beginn der dorischen Zeit zu widerlegen und seine der
Überlieferung entsprechende Entstehung und Entwicklung schon in der achäischen
und in der pelasgischen Periode nachzuweisen suche, soll in diesem Abschnitt
möglichst alles zusammengestellt werden, was uns die griechischen Schriftsteller
über die ältesten Zeiten des Heiligtums überliefern, und was die Ergebnisse der
Ausgrabungen, der älteren und der neueren, an Bestätigungen der literarischen
Überlieferung gelehrt haben. Ich beginne mit einigen allgemeinen Sätzen über
die Glaubwürdigkeit der literarischen Quellen und besonders des Pausanias (A),
bespreche sodann die antiken Nachrichten über die ältesten Bauwerke von
Olympia (B) und über die ältesten Spiele (C) und erörtere schliesslich die Nach-
richten über eine vordorische und sogar vorgriechische Bevölkerung und deren
Götterkulte (D).
A. DIE GLAUBWÜRDIGKEIT DER ANTIKEN SCHRIFT-
STELLER, BESONDERS DES PAUSANIAS
Dass Furtwängler als junger Archäologe es wagen durfte, alle Angaben des
Pausanias und der anderen Schriftsteller über ein vordorisches Olympia lediglich
auf Grund seiner neuen Datierung der ältesten Bronzen und Terrakotten für falsch
zu erklären, und dass ihm allmählich fast alle Archäologen und Historiker ohne
Bedenken zugestimmt haben, ist mir sets unverständlich gewesen und erklärt sich
meines Erachtens nur durch die übertriebene Kritik, die seit mehr als einem
Jahrhundert von den meisten Gelehrten an der ältesten literarischen Überlieferung
geübt wird. Schon vor fast 100 Jahren hat Ludwig Ross diese Hyperkritik
in seiner Zeitschrift Hellenika (1846) scharf verurteilt und auf Grund seiner
langjährigen Kenntnis der Altertümer von Griechenland mehr Glauben an die
Wahrheit der antiken Überlieferung gefordert. Aber seine Stimme ist wie die des
Predigers in der Wüste wirkungslos verhallt. Die Gelehrten fuhren damals fort
und tun es noch heute, diejenigen als unwissenschaftlich oder als homergläubig
zu verspotten, die noch an die Wahrheit der Angaben eines Homer, eines Herodot
und sogar eines Pausanias glauben. Wer die von den alten Historikern und von
Homer überlieferte Einwanderung orientalischer Völkerschaften nach Griechen-
land oder die Dorische Wanderung oder gar den Zug der Achäer nach Troja
zur Zurückholung der Helena für geschichtliche Tatsachen hält, wurde früher und
wird zum Teil noch jetzt für einen Verächter der Wissenschaft erklärt.
Durch die anfänglich verspotteten Ausgrabungen Schliemanns und seiner Nach-
folger in Troja und Mykene, in Kreta und Theben, in Pylos und Ithaka ist zwar
das Urteil über die Glaubwürdigkeit des Homer und auch der übrigen Schrift-
steller etwas milder geworden, aber noch wagt man nicht, die Hyperkritik grund-
sätzlich zu verwerfen und denjenigen Gelehrten zuzustimmen, die an der Wahrheit
II. Abschnitt: Überlieferung über das älteste Olympia
Bevor ich diese Ansicht und die Lehre Furtwänglers von der Gründung des
olympischen Heiligtums im Beginn der dorischen Zeit zu widerlegen und seine der
Überlieferung entsprechende Entstehung und Entwicklung schon in der achäischen
und in der pelasgischen Periode nachzuweisen suche, soll in diesem Abschnitt
möglichst alles zusammengestellt werden, was uns die griechischen Schriftsteller
über die ältesten Zeiten des Heiligtums überliefern, und was die Ergebnisse der
Ausgrabungen, der älteren und der neueren, an Bestätigungen der literarischen
Überlieferung gelehrt haben. Ich beginne mit einigen allgemeinen Sätzen über
die Glaubwürdigkeit der literarischen Quellen und besonders des Pausanias (A),
bespreche sodann die antiken Nachrichten über die ältesten Bauwerke von
Olympia (B) und über die ältesten Spiele (C) und erörtere schliesslich die Nach-
richten über eine vordorische und sogar vorgriechische Bevölkerung und deren
Götterkulte (D).
A. DIE GLAUBWÜRDIGKEIT DER ANTIKEN SCHRIFT-
STELLER, BESONDERS DES PAUSANIAS
Dass Furtwängler als junger Archäologe es wagen durfte, alle Angaben des
Pausanias und der anderen Schriftsteller über ein vordorisches Olympia lediglich
auf Grund seiner neuen Datierung der ältesten Bronzen und Terrakotten für falsch
zu erklären, und dass ihm allmählich fast alle Archäologen und Historiker ohne
Bedenken zugestimmt haben, ist mir sets unverständlich gewesen und erklärt sich
meines Erachtens nur durch die übertriebene Kritik, die seit mehr als einem
Jahrhundert von den meisten Gelehrten an der ältesten literarischen Überlieferung
geübt wird. Schon vor fast 100 Jahren hat Ludwig Ross diese Hyperkritik
in seiner Zeitschrift Hellenika (1846) scharf verurteilt und auf Grund seiner
langjährigen Kenntnis der Altertümer von Griechenland mehr Glauben an die
Wahrheit der antiken Überlieferung gefordert. Aber seine Stimme ist wie die des
Predigers in der Wüste wirkungslos verhallt. Die Gelehrten fuhren damals fort
und tun es noch heute, diejenigen als unwissenschaftlich oder als homergläubig
zu verspotten, die noch an die Wahrheit der Angaben eines Homer, eines Herodot
und sogar eines Pausanias glauben. Wer die von den alten Historikern und von
Homer überlieferte Einwanderung orientalischer Völkerschaften nach Griechen-
land oder die Dorische Wanderung oder gar den Zug der Achäer nach Troja
zur Zurückholung der Helena für geschichtliche Tatsachen hält, wurde früher und
wird zum Teil noch jetzt für einen Verächter der Wissenschaft erklärt.
Durch die anfänglich verspotteten Ausgrabungen Schliemanns und seiner Nach-
folger in Troja und Mykene, in Kreta und Theben, in Pylos und Ithaka ist zwar
das Urteil über die Glaubwürdigkeit des Homer und auch der übrigen Schrift-
steller etwas milder geworden, aber noch wagt man nicht, die Hyperkritik grund-
sätzlich zu verwerfen und denjenigen Gelehrten zuzustimmen, die an der Wahrheit