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Dörpfeld, Wilhelm; Forbat, Fred; Forbat, Fred [Bearb.]
Alt-Olympia: Untersuchungen und Ausgrabungen zur Geschichte des ältesten Heiligtums von Olympia und der älteren griechischen Kunst (1. Band) — Berlin: Mittler, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.71562#0053
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A. Glaubwürdigkeit der antiken Schriftsteller

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der ernsten Überlieferung solange festhalten, bis das Gegenteil erwiesen ist.
Noch hat fast kein Gelehrter Anstoss genommen an der Lehre Furtwänglers von
der gänzlichen Wertlosigkeit der reichen und klaren Überlieferung über ein
achäisches und sogar pelasgisches Heiligtum von Olympia und über achäische
olympische Spiele des II. Jahrtausends. Im Gegenteil! Gerade nach Beendigung der
grossen Ausgrabungen von Olympia, durch welche zahllose Angaben des Pausanias
und anderer Schriftsteller über das Heiligtum sich bewahrheitet hatten, ist im
Jahre 1886 das Hauptwerk gegen die Glaubwürdigkeit dieses Schriftstellers er-
schienen: A. Kalkmann, Pausanias, der Perieget.
Der Verfasser trug kein Bedenken, unseren wichtigsten Zeugen über Olympia
als „Lügner" und „Schwindler" zu bezeichnen und sogar zu behaupten, dass
Pausanias trotz seiner wiederholten Versicherungen, dies oder jenes in Olympia
selbst gesehen oder gehört zu haben, die Altis wahrscheinlich gar nicht besucht
habe. Der alte Perieget soll alles aus älteren Quellen abgeschrieben oder sogar
selbst erfunden haben. Dass er vieles älteren Schriftstellern entnommen hat,
versteht sich von selbst und wird an mehreren Stellen ausdrücklich von ihm
gesagt. Dass er aber Nachrichten selbst erfunden habe, ist eine unberechtigte
Verleumdung. Mir und mehreren meiner olympischen Mitarbeiter, die wir den
Pausanias fast überall, wo wir seine Angaben nachprüfen konnten, als zuverlässig
erkannt hatten, war der überkritische und negative Geist des Kalkmannschen
Buches ganz unverständlich. Wir begrüssten es daher freudig, dass Kalkmanns
Urteil über Pausanias bald auch öffentlich Widerspruch fand.
Mehrere Archäologen traten damals für den viel geschmähten Periegeten ein:
so namentlich Wilhelm Gurlitt (Über Pausanias, Graz, 1890) und Rudolf Heberdey
(Die Reisen des Pausanias, Wien, 1894). Beide haben die Mängel und Fehler
des alten Schriftstellers nicht verschwiegen, aber seine Glaubwürdigkeit wieder-
herzustellen gewusst. Trotzdem haben auch sie an der Lehre Furtwänglers,
dass alle Angaben des Periegeten und der älteren Schriftsteller über ein vor-
dorisches Olympia durch die Ausgrabungen als unrichtig und als wertlos erwiesen
seien, leider nicht zu rütteln versucht.
Die von beiden Gelehrten behandelte Frage nach der Abhängigkeit des Pausanias
von älteren Schriftstellern brauche ich hier nicht zu erörtern, weil sie für unsere
Untersuchung keine Rolle spielt. Denn die Glaubwürdigkeit einer Nachricht wird
dadurch nicht vermindert, dass sie einer älteren Quelle entnommen ist, im Gegen-
teil, sie kann dadurch nur noch grösser werden. Andrerseits kann Pausanias
auch durch unrichtige Angaben älterer Quellen zuweilen irre geführt worden sein
oder sich dabei selbst geirrt haben. Gleichwohl sind wir meines Erachtens ver-
pflichtet, den Angaben des Pausanias und auch der anderen Schriftsteller über
ihre eigene Zeit und ihre nächste Vergangenheit zu glauben, solange kein
besonderer Grund zum Misstrauen vorliegt. Ein solcher besteht allerdings, wenn
der Schriftsteller über eine entferntere Vergangenheit oder gar über vorhistorische
Zeiten berichtet. Aber auch in diesem Falle dürfen wir seine Aussagen nur
 
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