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XIII. Abschnitt: Entwicklung der älteren griechischen Kunst
gelernt. Sie decken sich in der Hauptsache mit den in den Homerischen Ge-
dichten genannten Stätten einer reichen orientalischen Kunst, nämlich Mykene,
Sparta und Orchomenos.
Diese hohe, ursprünglich orientalische Kunst ist, obwohl sie allmählich
immer mehr geometrisch wurde, eine der Hauptwurzeln der späteren klassisch-
griechischen Kunst geworden. Besonders gilt dies von der Bildhauer- und Bau-
kunst. Denn die Löwen vom mykenischen Burgtor, die zahlreichen Bildwerke der
mykenischen Kunst in der Argolis und in Kreta und die von den orientalischen
Gephyräern herrührenden Poros-Skulpturen der athenischen Akropolis und das
Hera-Bild vom Heraion in Olympia (Abb. Beilage 16) sind für mich wertvolle
Zeugen der Herkunft der griechischen Bildhauerkunst aus dem Orient.
Namentlich liegt dies auf dem Gebiet der Baukunst klar zutage; denn hier er-
kennen wir deutlich den orientalischen Ursprung der griechischen und besonders
der dorischen Bauformen aus ihrer Übereinstimmung mit den mykenischen, eine
auch von vielen Archäologen anerkannte Tatsache, auf die ich an mehreren
Stellen dieses Buches hingewiesen habe. Mit den Doriern hat die sogenannte
dorische Baukunst überhaupt nichts zu tun.
Als die zweite Einwanderung griechischer Stämme, die sog. Dorische Wan-
derung, um 1100 Griechenland erreichte, sind die Zentren der mykenischen
Kunst fast alle vernichtet worden. Nur wenige Plätze der älteren Kunstrichtungen,
der geometrischen und der mykenischen, sind unzerstört geblieben, so namentlich
Athen, das von den Doriern nicht betreten wurde, und dessen geometrische
Dipylon-Kunst vom Orient nur wenig beeinflusst geblieben war.
Vor 50 Jahren hatten A. Furtwängler und G. Löscheke die Lehre aufgestellt,
dass die Dorier die bemalte geometrische Tonware, wie namentlich die Dipylon-
Vasen aus ihrer nördlichen Heimat nach Griechenland mitgebracht hätten. Sie
haben das allerdings bald selbst als unhaltbar erkannt, aber noch heute ist diese
Lehre nicht ganz verschwunden. Noch ist unbekannt, welche Stilart die Dorier
aus ihrer nördlichen Heimat nach Griechenland gebracht haben. Mir ist es nie
zweifelhaft gewesen, dass sie dasselbe einfache Kunstgewerbe mitgebracht haben,
wie etwa 500 Jahre früher die Achäer, nämlich eine vorhistorische einfarbige Topf-
ware. Nirgends, wohin die Dorier kamen, ist sie lange geblieben, sondern hat
überall einheimischer bemalter Keramik weichen müssen.
Bald nach der Dorischen Wanderung ist eine zweite orientalische
Welle der Kunst aus dem Orient ins ganze Mittelmeer vorgedrungen, die so-
genannte korinthische Kunst, die ich soeben als jung-phönikisch nach-
gewiesen habe. Ich zeigte dort, dass sie nach der Eroberung Syriens und Phö-
nikiens durch Tiglatpileser I. um 1100 aus einer Verbindung der alt-phönikisch-
mykenischen Kunst mit der assyrischen entstanden ist und von Tyros aus all-
mählich das ganze Mittelmeer erobert hat. Aus der Verbindung der um 1100
in den verschiedenen Landschaften und Inseln Griechenlands herrschenden
XIII. Abschnitt: Entwicklung der älteren griechischen Kunst
gelernt. Sie decken sich in der Hauptsache mit den in den Homerischen Ge-
dichten genannten Stätten einer reichen orientalischen Kunst, nämlich Mykene,
Sparta und Orchomenos.
Diese hohe, ursprünglich orientalische Kunst ist, obwohl sie allmählich
immer mehr geometrisch wurde, eine der Hauptwurzeln der späteren klassisch-
griechischen Kunst geworden. Besonders gilt dies von der Bildhauer- und Bau-
kunst. Denn die Löwen vom mykenischen Burgtor, die zahlreichen Bildwerke der
mykenischen Kunst in der Argolis und in Kreta und die von den orientalischen
Gephyräern herrührenden Poros-Skulpturen der athenischen Akropolis und das
Hera-Bild vom Heraion in Olympia (Abb. Beilage 16) sind für mich wertvolle
Zeugen der Herkunft der griechischen Bildhauerkunst aus dem Orient.
Namentlich liegt dies auf dem Gebiet der Baukunst klar zutage; denn hier er-
kennen wir deutlich den orientalischen Ursprung der griechischen und besonders
der dorischen Bauformen aus ihrer Übereinstimmung mit den mykenischen, eine
auch von vielen Archäologen anerkannte Tatsache, auf die ich an mehreren
Stellen dieses Buches hingewiesen habe. Mit den Doriern hat die sogenannte
dorische Baukunst überhaupt nichts zu tun.
Als die zweite Einwanderung griechischer Stämme, die sog. Dorische Wan-
derung, um 1100 Griechenland erreichte, sind die Zentren der mykenischen
Kunst fast alle vernichtet worden. Nur wenige Plätze der älteren Kunstrichtungen,
der geometrischen und der mykenischen, sind unzerstört geblieben, so namentlich
Athen, das von den Doriern nicht betreten wurde, und dessen geometrische
Dipylon-Kunst vom Orient nur wenig beeinflusst geblieben war.
Vor 50 Jahren hatten A. Furtwängler und G. Löscheke die Lehre aufgestellt,
dass die Dorier die bemalte geometrische Tonware, wie namentlich die Dipylon-
Vasen aus ihrer nördlichen Heimat nach Griechenland mitgebracht hätten. Sie
haben das allerdings bald selbst als unhaltbar erkannt, aber noch heute ist diese
Lehre nicht ganz verschwunden. Noch ist unbekannt, welche Stilart die Dorier
aus ihrer nördlichen Heimat nach Griechenland gebracht haben. Mir ist es nie
zweifelhaft gewesen, dass sie dasselbe einfache Kunstgewerbe mitgebracht haben,
wie etwa 500 Jahre früher die Achäer, nämlich eine vorhistorische einfarbige Topf-
ware. Nirgends, wohin die Dorier kamen, ist sie lange geblieben, sondern hat
überall einheimischer bemalter Keramik weichen müssen.
Bald nach der Dorischen Wanderung ist eine zweite orientalische
Welle der Kunst aus dem Orient ins ganze Mittelmeer vorgedrungen, die so-
genannte korinthische Kunst, die ich soeben als jung-phönikisch nach-
gewiesen habe. Ich zeigte dort, dass sie nach der Eroberung Syriens und Phö-
nikiens durch Tiglatpileser I. um 1100 aus einer Verbindung der alt-phönikisch-
mykenischen Kunst mit der assyrischen entstanden ist und von Tyros aus all-
mählich das ganze Mittelmeer erobert hat. Aus der Verbindung der um 1100
in den verschiedenen Landschaften und Inseln Griechenlands herrschenden