Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
gefüllten Quelle, daher darf man dieses Stomion nicht mit dem ,,Salzmeer" gleichsetzen,
sondern bezieht es mit größerer Wahrscheinlichkeit auf jenen Felsspalt in der Mitte des Mittel-
raumes, etwas nach Osten gerückt, in dem man auch früher schon zuweilen das ydo\ia (Petersen,
Burgtempel, S. 68, 104) erkannt hat, das Grab des Erechtheus und vielleicht zugleich die
Wohnstätte der Burgschlange (Taf. 1 und 10 bei S). Die ganze selbständige Westhälfte des
Neubaues war dem Erechtheus geweiht: der innerste und größte Raum, das ,,Prostomiaion",
enthielt den Mittelpunkt des Kultes, das Grab des Erechtheus; unter der Halle an seiner West-
seite, der „Parastas", lag das nach dem Heros benannte ,,Salzmeer"; in der Nordwestecke
des Hauptraumes führte ein unterirdischer Zugang unter die Nordhalle zu dem Dreizackmal
des mit Erechtheus im Kult verschmolzenen Poseidon; im Südwesten führten Stufen hinauf
in die Korenhalle, darunter lag Kekrops, der Sohn des Erechtheus, begraben. Daß die sechs
Karyatiden die sechs Töchter des Erechtheus darstellen sollen, bleibt eine unbewiesene Ver-
mutung, die im Zusammenhang mit dem Gedanken aufgetaucht ist, die Korenhalle könne
nicht nur ein simples Treppenhaus sein, sondern sie solle gewissermaßen einen Baldachin über
dem Kekropsgrabe darstellen.

Die amtlichen Namen

Entsprechend diesen von Wilhelm Dörpfeld gegebenen Deutungen soll im folgenden, wenn
von den Innenräumen des Erechtheions gesprochen wird, für den Ostraum der Name „Ost-
cella", für den Mittelraum ,,Prostomiaion" und für den schmalen Westraum ,,Parastas" ge-
setzt werden. Man muß sich jedoch der Tatsache bewußt bleiben, daß sämtliche in den Bau-
inschriften genannten Namen noch nicht die endgültigen und amtlichen für die Kulträume
des Neubaues sind, sondern nur provisorische Neubaubezeichnungen, die sich nach charakte-
ristischen, baulich-räumlichen Einzelheiten und nicht nach den späteren Inhalten richten. Es
scheint fast so, als habe man sich gescheut, vor der Einweihung des Tempels seinen Räumen
bereits die geheiligten Namen zu geben, die später erst den Kulten zukamen, wenn die Götter
den Neubau in Besitz genommen hatten. Nur so ist es jedenfalls zu verstehen, daß nicht ein
einziges Mal in den langen und ausführlichen Bauinschriften die späteren Inhaber des Tempels
und ihre Kultmale auch nur andeutungsweise oder umschrieben erwähnt werden, während
Altäre uad Bezirke ringsum, die vom Neubau unberührt blieben, öfters und mit richtigen
Namen genannt werden. So heißt zunächst der ganze Bau noch in der Uberschrift der Ur-
kunden (EW. 286, II, 1. 1) ,,der Tempel auf der Burg für das alte Kultbild". Der eigentliche
Name später nach Fertigstellung lautete wahrscheinlich kürzer und bestimmter, etwa „der
Tempel der Athena Polias". Dasselbe gilt auch für die Ostcella, in den Inschriften noch ,,der
Raum des Kultbildes", den man endgültig wohl den ,,Naos der Athena Polias" genannt haben
wird. Das „Prostomiaion", zunächst nach einem Bauteil, der Einfassung des Erdschlundes,
benannt, wird später als Grabbezirk des Erechtheus ,,Erechtheion" geheißen haben, so wie
der Grabbezirk des Kekrops „Kekropion" hieß. Auch die „Parastas" hat ihren vorläufigen
Namen lediglich ihrer charakteristischen Bauform zu verdanken und wird später nach dem
„Erechtheischen Meer" unter ihr benannt worden sein, so daß der von Herodot VIII, 41
genannte Name „Erechtheiis" nicht nur für die eigentliche Quelle, sondern auch für ihre
architektonische Fassung, eben die „Parastas" der Bauinschrift gilt. Auch die Nordhalle ist
vielleicht nicht die „Vorhalle mit der großen Tür" geblieben, sondern ist etwa in „Halle des
Poseidon" umbenannt worden. Sogar der Altar in der Nordhalle über dem Dreizackmal wird
in den Inschriften zunächst noch nicht nach dem Gotte, sondern ganz außergewöhnlich nach
dem Opferer benannt.

23
 
Annotationen