Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
X.

DAS GEPLANTE ERECHTHEION

In den Tafeln 13—17 ist der Gedanke Wilhelm Dörpfelds über die ursprünglich geplante Ge-
stalt des Tempels in Zeichnungen ausgedrückt. In allen Ansichten und Schnitten ist die Fugen-
teilung weggelassen worden, im Gegensatz zu den Rekonstruktionszeichnungen EW. Taf. XIV
und XV. Die außergewöhnliche Sorgfalt, mit der die griechischen Steinmetzen bei der Glättung
der Wände klassischer Bauten sich bemühten, alle Mauerfugen für das Auge vollkommen ver-
schwinden zu lassen, beweist zur Genüge, daß die Wand in klassischer Zeit als große glatte
Fläche, nur von plastischer Profilierung begrenzt oder unterteilt, wirken sollte und daß daher
eine Wiederherstellungszeichnung mit Fugenteilung ein falsches Bild gibt. Auch das leuchtende
Weiß des Marmorbaues ist in den Tafeln 14—18 durch Tönung des Hintergrundes wieder-
zugeben versucht, ebenso ist beim Druck die schwarze Farbe vermieden worden, um die
unvermeidliche Härte der technisch-geometrischen Zeichnungen zu mildern.

Wie schon anfangs S. 12 erwähnt, hat Wilhelm Dörpfeld seit 1904 seine grundsätzliche Vor-
stellung von dem ursprünglichen Plan des Erechtheions nur noch in unwesentlichen Punkten
geändert. Lediglich die Erwägung, daß der westliche Raum des geplanten Baues zwei-
geschossig gewesen sei, daher unten den Ersatzraum für den Pandrosos-Tempel und oben
einen neuen „Opisthodom" gebildet hätte, hat er wieder fallen lassen und hier nur einen nach
Westen orientierten (s. oben S. 29) neuen Pandrosos-Tempel ergänzt. Auch Adolf Furtwängler
hat vorher schon bei seiner grundsätzlichen Zustimmung zu dem Gedanken Dörpfelds (SB.
Münch. 1904, S. 370ff.) darauf hingewiesen, daß die genaue spiegelbildliche Wiederholung der
östlichen Tempelcella der Athena Polias auch im Westen nur einen Tempel und nicht einen
Profanbau beherbergen könnte. Es bleibt nun noch festzustellen und nochmals zusammen-
zufassen, inwieweit der jetzt stehende Bau Anzeichen des ursprünglichen Projektes in Grundriß
und Aufbau trägt. Ein bemerkenswerter Unterschied ist immer schon aufgefallen: im östlichen
Teil des Baues trotz des schwierigen und bewegten Baugeländes regelmäßige Formen in Grund-
riß und Aufbau; im Westen ein in so vieler Beziehung ungleichförmiger und in der griechischen
monumentalen Baukunst einzigartig unregelmäßiger, ja unharmonischer Abschluß.

Symmetrieachse

Die Regelmäßigkeit reicht von Osten her bis zu der Achse, die von Norden nach Süden durch
die Nordhalle, durch die große Nordtür und die im Süden liegende kleine Tür zur Korenhalle
läuft. Die Korenhalle selbst ist bereits zu dieser Mittelachse unsymmetrisch und demnach
schon nicht mehr in der Form ausgeführt, wie es nach dem ursprünglichen Plan der Fall sein
müßte. Diese Achse, von der ab nach Westen die Unregelmäßigkeiten beginnen, sollte ur-
sprünglich überhaupt die Symmetrieachse des ganzen Baues werden,"und es scheint fast so,
als ob selbst nach der Kürzung des Projektes zunächst noch alle Möglichkeiten offen gehalten
worden wären, um in späterer Zeit nach Uberwindung der offenbar in der Hauptsache kultli-
chen Widerstände den großen Plan doch noch durchführen zu können.

Osthälfte

Auch die Maße der östlichen Räume und der Nordhalle lassen die klare Planmäßigkeit eines
großzügigen Entwurfes erkennen. Die Ostcella, der vornehme Hauptraum des ganzen Ge-

82
 
Annotationen