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erstmalige und zunächst sparsame Verwendung des schwarzen eleusinischen Steines als be-
reicherndes Schmuckelement und die charakteristische Art, wie bei beiden Bauten gerade an
der Stelle, wo eine sicher stilgerecht geplante Ausführung infolge des erwähnten Widerspruchs
durch eine „Verzichtslösung" ersetzt werden mußte (Propyläen: Nordwest-Ecke des Süd-
flügels, Erechtheion: Südwest-Ecke der Nordhalle), ein Doppelantenpfeiler gesetzt wird, der
einen befriedigenden Abschluß gestattet, ohne alle Hoffnung auf spätere Rückkehr zur ur-
sprünglichen Absicht aufzugeben. Ein direkter stilistischer Vergleich mit den ionischen Säulen
im Innern der Propyläen ist dadurch erschwert, daß die Ornamentik an den Außenseiten des
Tempels ungleich viel kostbarer und abwechselungsreicher angelegt ist als im Innern des ins-
gesamt doch schlichteren Profanbaues. Fernerhin wird der Gesamteindruck der Propyläen-
Säulen von den überschlanken Schäften, die wiederum durch die Proportionen der äußeren
dorischen Gliederung bedingt wurden, so stark beeinflußt, daß sie als Ausnahmeerscheinung
gelten müssen (Taf. 19 und 30a). Es bleibt im übrigen unbestritten, daß in den drei Jahren
des Nikiasfriedens an dem Bau und gerade auch an den für die relative Datierung maß-
gebenden Kapitellen weitergearbeitet wurde, bis er in dem Zustand stecken blieb, der im
Jahre 409 von einer Kontrollkommission inschriftlich festgehalten wurde, bevor man zur
VoUendung des Baues schritt, die spätestens 406 abgeschlossen war. Mit der Fundamentierung
jedenfalls scheint man noch unter Perikles begonnen zu haben, vielleicht ein oder zwei Jahre
nach dem Anfang des Propyläenbaues, je nachdem, wie im Zuge der Fertigstellung des
Parthenons neue Arbeiterkolonnen frei geworden waren für die nächste Aufgabe in dem von
Perikles für die ganze Burg aufgestellten Erneuerungsprogramm. Beide Bauvorhaben durch-
dringen sich sogar zeitlich. Der Parthenon ist fertig, das Gelände rings um ihn wird aufgeräumt
und hergerichtet und dabei die große Freitreppe vor seiner Westseite angelegt, und dazu
werden Stylobatsteine vom „Alten Tempel" genommen, die in dem Augenblick frei werden,
als man den Bauplatz für das Erechtheion vorbereitet und so viel vom Stylobat des „Alten
Tempels" abbrechen mußte, wie der Fundamentierung von Korenhalle und Südmauer im
Wege war. Die Gesamtbauzeit belief sich dann auf 7 bis 9 volle Jahre, was im Vergleich zum
Parthenon einerseits (15 Jahre) und zu den Propyläen andererseits (4 Jahre) durchaus an-
gemessen erscheint. Auch kleine technische Unterschiede, wie z. B. die durchgängige Ver-
wendung von T-Dübeln, die am Parthenon und an den Propyläen nur sehr selten vorkommen,
bezeugen nichts anderes, als daß das Erechtheion als letzter von den drei großen Neubauten
auf der Burg in Angriff genommen wurde, was aber ohnehin feststeht, weil er ja auch als
letzter fertig war und als einziger unfertig vom Peloponnesischen Kriege überrascht und
unterbrochen wurde.

Die von E. Preuner 1927 für das Kallias-Dekret von 435 (IG. I2, 92, 39f.) vorgeschlagene
Ergänzung: xaL [Tzaptöeiy\tai MvsaixXs] a xöv dp^rtsx [tova tto:] stv wcmsp xö[v] -po[7:oAx((Dv] ist
zwar keineswegs sicher, aber sie bietet immerhin der frühen Datierung eine weitere Mög-
lichkeit.

Große römische Reparatur

Von den weiteren Schicksalen gibt es keine schriftliche Uberlieferung mehr, nur die Ruine
selbst liefert wichtige Anhaltspunkte dafür, die in den nachfolgenden Abschnitten eingehend
behandelt werden müssen. Insbesondere sind an der Westfront und den anschließenden Teilen
der Nordhalle die Spuren einer einschneidenden Veränderung erhalten, die nicht von einem
zweckvollen Umbau, sondern von umfangreichen Ausbesserungen nach einer Katastrophe
herrühren. Da alle in diesem Zusammenhang erkennbaren Ausbesserungen die charakteri-
stischen Arbeitsmerkmale der frühesten römischen Kaiserzeit tragen (EW. 224), wird die
„große römische Reparatur", von der später noch öfters die Rede sein wird, in das letzte

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