Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Viertel des letzten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung datiert. Die Ursache der weit-
gehenden Zerstörung muß einige Zeit weiter zurückliegen, denn es sind auch Kennzeichen
einer zunächst nur sehr behelfsmäßigen Wiederherstellung vorhanden (s. S. 70).

Brand im Innern

Im Erechtheion-Werk ist an mehreren Stellen (34, 45, 46, 52, 66, 102, 224, 478, 479) erklärt,
daß es sich bei der Katastrophe um einen großen Brand gehandelt haben müsse, der das
gesamte Dach über den drei Innenräumen des Baues (warum aber nicht auch über der Nord-
halle ?) ergriffen hätte. Die Glut der brennend nach innen herabstürzenden Balken habe dann
nicht nur allenthalben die Wände so angegriffen, daß heute die Innenseiten aller Steine weit
stärker verwittert sind als die Außenseiten, sondern gerade auch alle Tür- und Fenster-
umrahmungen beschädigt, durch die das Feuer mit dem starken Zug des heftigen Brandes
besonders intensiv hindurchgestrichen sei. Erhalten aus der Zeit des Brandes sind nur noch
Teile der beiden Fenster der Ostfront (EW. S. 34ff.), an denen zu erkennen ist, daß ein be-
trächtlicher Streifen der Leibungen abgearbeitet ist, wohlgemerkt sowohl am Sturz wie an
beiden Seiten, also offenbar ringsum (von der Fensterbank ist allerdings kein Stück erhalten).
Zweifellos war also die alte Oberfläche stark beschädigt, was kaum anders als durch Brand-
schaden zu erklären ist. An den neuen Leibungsflächen ist eine regelmäßige Anathyrose her-
gerichtet worden, die jedoch allein nach den Arbeitsspuren nicht datiert werden kann. Sie
läßt nur erkennen, daß die abgearbeitete Schicht durch Vorblendung entsprechender Marmor-
platten ersetzt wurde.

Mit diesem Befund wird EW. 102 die Reparatur der großen Tür in der Nordhalle gleichgesetzt.
Im Unterschied zu den Fenstern der Ostfront ist hier jedoch in frührömischer Zeit nur der
gewaltige Türsturz (gleichzeitig mit dem neuen Aufbau der Westmauer) ganz ausgewechselt
und nicht etwa nur seine Unterseite ausgebessert worden. Die beiden Leibungen blieben un-
verändert und sind auch heute noch teilweise, insbesondere gerade an ihren oberen Enden,
tadellos erhalten ohne die geringste Spur von Kalzinierung durch Feuer. Dieses sollte man
aber erwarten, wenn der Sturz durch Feuer so gelitten hätte, daß an ihm eine einfache, etliche
Zentimeter tiefe Abarbeitung wie bei den Ostfenstern den Schaden nicht behob. Eine andere
Erklärung wird durch das Schicksal dieses römischen Ersatzstückes selbst nahegelegt: so wie
dieses wiederum in spätantiker Zeit einen Sprung bekam, weshalb es durch einen neu ein-
gezogenen marmornen Türrahmen (Taf. 6 und 19) gestützt werden mußte (was billiger und
einfacher zu bewerkstelligen war als ein nochmaliger voller Ersatz), so wird auch der grie-
chische Türsturz gesprungen sein und zwar wohl kaum infolge eines Materialfehlers — für
diesen Türsturz wird man schon einen besonders guten Block ausgesucht haben —, sondern
durch eine unberechenbare Erschütterung, d. h. durch ein Erdbeben.

Erdbeben

Die Schwingung dieses Erdbebens konnte sich gerade über der Türöffnung besonders stark nach
oben fortsetzen, also zersprang auch der marmorne Deckenbalken genau in der Mitte der Hallen-
decke und mußte ersetzt werden. Die Beschädigung auch dieses Deckenbalkens und der benach-
barten Kassetten auf das Konto der an dem Türsturz vorbeizüngelnden Flammen eines großen
Brandes bringen zu wollen, wie es EW. 102 und 224 geschieht, scheitert an dem Augenschein, daß
die Mauerschichten zwischen Türsturz und Deckenbalken tadeUos erhalten sind und daher nie
ein starkes Feuer in ihrer Nähe gewütet haben kann (Taf. 19). Ist somit der Anlaß für die große
römische Reparatur in der Nordhalle aus dem dort verhältnismäßig noch am besten erhaltenen
griechischen Zustand viel besser mit einem schweren Erdbebenschaden als mit einem Brande

33
 
Annotationen