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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,1): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1877

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Dohme, Robert: Einhart: geboren um 770, † 840
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https://doi.org/10.11588/diglit.33504#0035

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DIE ERZÄHLUNG DER uTRANSLATIO«.

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kannte, trotz seines Betrugs nicht zu brechen. Aufmerksam durchwanderte er
die Kirchen und untersuchte die darin vorhandenen Gräber von Heiligen; end-
lich entdeckte er, dass die Körper der heiligen Petrus und Marcellinus in einer
Krypta (Katakombe der heiligen Helena?) an der Via Labicana neben der jetzt
verschwundenen Kirche S. Tiburcio leicht und ohne Aufsehen zu hehlen wären.
In Deusdona's Gesellschaft slieg man Nachts hinab, härkte lieh durch frommes
Gebet zu dem Vorhaben, erbrach den Stein und fand zu vorderh den Körper
des heiligen Marcellinus, der mit grösstem Respect in ein bereitgehaltenes Tuch
gewickelt und von Deusdona in seine Wohnung bei S. Pietro in vincoli getragen
wurde. Ratleic hatte erreicht, was er gewollt, und hätte hch damit begnügen
können. Jetzt aber kamen ihm religiöse Bedenken, ob es nicht sündhaft sei, den
Körper des einen Heiligen mit hch zu nehmen und seinen Gefährten im
Märtyrerthum zurückzulassen, nachdem beide über fünfhundert Jahren in gemein-
samer Gruft geruht. Davon aber wollte Deusdona nichts wissen, dem die Sache
zu gefährlich war, und der mit einmaliger Hülfeleihung seine volle Schuldigkeit
gethan zu haben glaubte. Stand doch nach damaligem römischem Gesetz der
Tod auf Schändung von Gräbern. An seiner Stelle liess hch ein griechischer
Mönch, Bahlius, zu dem neuen Streich bereit hnden. Wieder gelang Alles nach
Wunsch und im Behtz zweier ganzer Heiligen rühete man zur Abreise. Weniger
glücklich war unterdessen Hilduins Abgesandter gewesen, der den Körper des
heiligen Tiburtius aus der gleichnamigen Kirche entwenden wollte, aber bei der
Fettigkeit des Verschlusses davon abstehen und unverrichteter Sache in die Hei-
mat zurückkehren musste. In aller Stille sandte Ratleic seinen kostbaren Schatz
voraus, und nachdem er selbst noch heben Tage gewartet, um hch zu verge-
wissern, dass der Raub unentdeckt geblieben, brach auch er endlich auf. In
Pavia hatten hch beide Parteien in der Kirche S. Giovanni, deren Benehziar
Einhart war, Rendezvous gegeben und trafen auch glücklich zusammen. Von
nun an war kaum noch Gefahr zu befürchten. Boten gingen an Einhart ab,
und schon in Solothurn traf man auf eine von diesem entgegengesandte Escorte.
Da das Geheimniss jetzt nicht mehr gewahrt zu werden brauchte, so verbreitete
hch die Nachricht von der Ankunft der Reliquien schnell durch das Land, und
von allen Seiten hrömten verehrende Gläubige herbei. Der Resl der Reise glich
einem Triumphzuge.
Mit der Ankunft in Michelhadt aber war der letzte Akt des Stückes noch
nicht gespielt und Einhards Sorgen nicht zu Ende. Hilduin's Abgesandter, der
die Reise doch nicht ganz vergeblich gemacht haben wollte, hatte nämlich in
Pavia nächtlicher Weile einen Theil vom Körper des einen Heiligen entwendet
und ihn seinem Abte übergeben, der damit wohl zufrieden war. Nicht so Ein-
hart, welcher fürchtete, dass das Ansehen seines Belitz.es unter der allmälig
ruchbar werdenden Kunde von dem Diebhahl leiden könnte, und daher alles
aufbot, Hilduin zur Herausgabe des Entwendeten zu bewegen. Nach vielen
Bitten und Vorhellungen erst gelang es ihm. Nicht weniger schwer aber traf
ihn der Umstand, dass den Heiligen der Aufenthalt in Michelhadt nicht zusagte,
und he durch allerlei Erscheinungen die Weiterführung verlangten. Nur ungern
und erh auf die ausdrücklichhen Mahnungen entschloss er hch, auf seinen
 
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