Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

DOI article:
Dohme, Robert: Karl Friedrich Schinkel: geb. in Neu-Ruppin d. 13. März 1871, gest. in Berlin d. 9. October 1841
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0025
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
SEIN VERHÄLTNISS ZUR ANTIKE.

15

feiner befonderen Kunh neben allem Nutzen, den er ihr gefchaffen, nicht doch
auch fchwer und unnöthig gefchadet habe, wollen wir dahin gehellt fein Iahen.
In der Plahik führt — um innerhalb der Berliner Schule zu bleiben —
ohne diefe Oppohtion allmälig und glänzend Gottfried Schadow in feinen
Werken vom Rococo und Zopf zur Klafhcität hinüber; auf dem Gebiet der
Architektur nähert fich Schinkel mehr der CarhensTchen Anfchauungsweife.
Innerhalb der auf hellenifchen Studien beruhenden clafhfchen Periode der
erften Hälfte unteres Jahrhunderts ifl er der bedeutendhe Meifter nicht nur
Deutfchlands, fondern der ganzen Welt. Nicht er hat diefe Periode herauf-
geführt, ihre Urfprünge liegen vielmehr weiter rückwärts, im achtzehnten
Jahrhundert; das Erfcheinen von Stuart's und Revett's Aufnahmen griechifcher
Bauten fchon könnte man als die Geburtshunde der neuen Zeit bezeichnen; aber
er hat he zur höchhen Entwickelung geführt fowohl in Bezug auf die künft-
lerifchen Leihungen felbft als auf die kunhphilofophifche Anfchauung, welche
den Werken zu Grunde liegt. Die griechifche Kunh ift ihm ein »erhaben einfacher
Stil, der durch eine ungehörte Entwickelung jedes fremde Element von fich abwies
und dadurch im Gegenfatz zu moderner Kunh, für uns den Charakter der Un-
fchuld bewahrend, fämmtliche geihliche Kraft und Talent auf die innerhe Aus-
bildung der Einzelheiten in jeglichem Theile der Kunh verwendete Die für uns
etwas abfonderliche Anfchauung, dem griechifchen Stil den Charakter der Un-
fchuld zu vindiciren, ih doch ungemein charakterihifch für Schinkel. Darf man
überhaupt in diefem Sinne von Bauformen reden, fo kommt eine folche Be-
zeichnung feinem Stile ganz befonders zu. Eine keufche, knappe, befcheidene
Grazie liegt in feinen Arbeiten. Sie fpricht fich aus in der Schönheit der Verhält-
niffe, der Reinheit der Details, überhaupt derkünhlerifchen Feinhnnigkeit, die hoher
Bewunderung werth ih; aber auch die behen feiner Arbeiten zeigen die Grenzen
jeder auf Rehexion beruhenden Kunh. »Aus dem Geihe des Griechenthums heraus
die neuen anderen Aufgaben, welche unfere Zeit hellt, zu löfen«, das war das Pro-
gramm der Schinkel'fchen Kunh. Die blofse Nachahmung verfchmähte er durch-
aus. Doch ihm und denen, die fein Programm fo oft begeihert nachgefprochen,
ih nicht zum Bewufstfein gekommen, dals jeder Bauhil nur das Refultat der ge-
fammten Kultur feiner Zeit ih; wäre die Kultur eine andere, fo würde auch der Stil
ein anderer fein. Die Frage: Wie würden die Griechen eine Bahnhofsanlage ge-
zeichnet haben? ih im Grunde verkehrt; hätten he Mafchinen, Telegraphen, Eifen-
bahnen, hätten he Pulver und Buchdruckerkunh gekannt, fo wäre auch ihr Bauhil
ein anderer gewefen. Der Beweis diefes gefchichtsphilofophifch unbezweifelbaren
Satzes läfst hch felbh hihorifch führen. Als die Frage: wie foll man eine chrihliche
Kirche bauen? an die Griechen herantrat (das heifst, als die antike Kultur durch
das Chrihenthum eine neue Wendung nahm), da baute man die altchrihlichen
Bahliken, alfo etwas ganz Neues, bisher Beifpiellofes, und nicht — wie die Neu-
griechen des 19. Jahrhunderts — Zwittergebäude nach Art der Madelaine in Paris.
So fehr war Schinkel von der Ueberzeugung durchdrungen, dafs der von
ihm befchrittene Weg allein zum Ziele führe, dafs er, immer noch ein hoher Ver-
ehrer der mittelalterlichen Architektur, die Wiederbelebung diefer aus dem grie-
chifchen Geihe heraus für möglich und deshalb für anhrebenswerth hielt.
 
Annotationen