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KARL FRIEDRICH SCHINKEL.
Werken der Renaiffance Verwandtes. Was kann es Anmuthigeres in diefer Art
geben als das architektonifche Idyll Charlottenhof für den damaligen Kronprinzen
(vergl. die Abbildung S. 17), wie alle Schinkelfchen Bauten bei aufserordentlich
geringen Mitteln gefchaffen, mit feinen fchön gruppirten Gebäuden, den Pergolen
und Terraffen, der Fülle malerifcher Durchblicke, der reizvollen Verwerthung
antiker Sculpturrefle und der gefchickten Heranziehung des Waffers in die archi-
tektonifche Landfchaft! Die Schilderung diefes in feiner Art einzigen und doch
fo befcheidenen Architekturbildes durch Worte ih unmöglich; man mufs den
eigenthümlichen Liebreiz des Ganzen fehen, um ihn voll zu empfinden. Hier ift
vielleicht das einzige Mal dieffeits der Alpen in Wirklichkeit eins jener Bilder
gefchaffen, jene Vermählung von Natur und Kunft, wie fie die klaffifchen Roman-
tiker, wenn das Wort geflattet ift, Schinkel und fein hoher Bauherr, der Kronprinz
Friedrich Wilhelm, auf dem Papier fo oft erträumten. Aber freilich dürfen wir
bei aller Bewunderung uns nicht verhehlen, dafs wir nur ein Bild, eine zauberhaft
liebliche Decoration vor uns haben; als Bauwerk für die Zwecke des Bewohnens
gefchaffen, erfcheint das Schlöfschen mit feinen kleinen niedrigen Zimmern auch
für befcheidene Anfprüche durchaus nicht bequem.
Der grofsartigeren Umgebung mit der breiten Wafferfläche im Vordergründe
entfprechend, find dem gegenüber Cafino und Schlofs Glienicke (1824—25) etwas
ftrenger in den architektonifchen Linien gehalten. Wie einfach und befcheiden,
aber doch wie vornehm erfcheint die Anlage gegenüber den mit fo viel reiche-
ren Mitteln errichteten modernen Villenbauten! Wer endlich hätte nicht den
Zauber des lieblichen, fich ihm bietenden Architekturbildes empfunden, der, mit
dem Schiffe fich der Glienicker Brücke nähernd, in einen Blick zufammenfafst:
das Cafino mit feinem Hintergründe von Baumriefen und daneben, durch das
Grün fchimmernd, das Schlofs von Glienicke, dann die Brücke felbfl (1831) mit
jener reizvollen Variante des Lyfikrates-Denkmals, dem ))Antikentempeh< (1836),
zu ihrer Linken, und endlich auf der Berghöhe des Hintergrundes Schlofs Babels-
berg. All' dies Werke Schinkels! ')
In den letzten Jahren feines Lebens trat an Schinkel eine Aufgabe heran, deren
Ausführung die umfangreichfte Schöpfung feines Lebens geworden fein würde, wie
die von feinen Schülern publizirten Entwürfe die Höhe feiner künfllerifchen Ent-
wickelung bezeichnen. Die Kaiferin Alexandra Feodorowna von Rufsland, geb.Prin-
zefs Charlotte von Preufsen, wünfchte von dem berühmten Architekten ihres Vaters
den Entwurf zu einem Luflfchlofs an den Eidlichen orangenduftenden Abhängen der
Krim-Halbinfel. Es war dies fo recht eine Aufgabe nach dem Herzen Schinkels;
es galt eine landfchaftliche Architektur im gröfsten Stile zu fchaffen. Und wenn
man heute die grofsen, forgfältig ausgeführten, farbigen Blätter dazu durchfieht,
fo fcheint es faR, dafs nicht nur die Rückficht auf die hohe BeRellerin ihn zu
fo liebevoller Durchführung von Einzelheiten führte, die für Anforderungen des
praktifchen Baubetriebes entbehrlich waren, fondern dafs es ihm felbR Genufs
1) Schlofs Babelsberg wenigflens in einem erften, bei der Ausführung Bark benutzten Entwürfe vom
Jahre 183$. Der Bau wurde 1844 von Perlius begonnen und von Strack und Gottgetreu zu Ende
geführt.
KARL FRIEDRICH SCHINKEL.
Werken der Renaiffance Verwandtes. Was kann es Anmuthigeres in diefer Art
geben als das architektonifche Idyll Charlottenhof für den damaligen Kronprinzen
(vergl. die Abbildung S. 17), wie alle Schinkelfchen Bauten bei aufserordentlich
geringen Mitteln gefchaffen, mit feinen fchön gruppirten Gebäuden, den Pergolen
und Terraffen, der Fülle malerifcher Durchblicke, der reizvollen Verwerthung
antiker Sculpturrefle und der gefchickten Heranziehung des Waffers in die archi-
tektonifche Landfchaft! Die Schilderung diefes in feiner Art einzigen und doch
fo befcheidenen Architekturbildes durch Worte ih unmöglich; man mufs den
eigenthümlichen Liebreiz des Ganzen fehen, um ihn voll zu empfinden. Hier ift
vielleicht das einzige Mal dieffeits der Alpen in Wirklichkeit eins jener Bilder
gefchaffen, jene Vermählung von Natur und Kunft, wie fie die klaffifchen Roman-
tiker, wenn das Wort geflattet ift, Schinkel und fein hoher Bauherr, der Kronprinz
Friedrich Wilhelm, auf dem Papier fo oft erträumten. Aber freilich dürfen wir
bei aller Bewunderung uns nicht verhehlen, dafs wir nur ein Bild, eine zauberhaft
liebliche Decoration vor uns haben; als Bauwerk für die Zwecke des Bewohnens
gefchaffen, erfcheint das Schlöfschen mit feinen kleinen niedrigen Zimmern auch
für befcheidene Anfprüche durchaus nicht bequem.
Der grofsartigeren Umgebung mit der breiten Wafferfläche im Vordergründe
entfprechend, find dem gegenüber Cafino und Schlofs Glienicke (1824—25) etwas
ftrenger in den architektonifchen Linien gehalten. Wie einfach und befcheiden,
aber doch wie vornehm erfcheint die Anlage gegenüber den mit fo viel reiche-
ren Mitteln errichteten modernen Villenbauten! Wer endlich hätte nicht den
Zauber des lieblichen, fich ihm bietenden Architekturbildes empfunden, der, mit
dem Schiffe fich der Glienicker Brücke nähernd, in einen Blick zufammenfafst:
das Cafino mit feinem Hintergründe von Baumriefen und daneben, durch das
Grün fchimmernd, das Schlofs von Glienicke, dann die Brücke felbfl (1831) mit
jener reizvollen Variante des Lyfikrates-Denkmals, dem ))Antikentempeh< (1836),
zu ihrer Linken, und endlich auf der Berghöhe des Hintergrundes Schlofs Babels-
berg. All' dies Werke Schinkels! ')
In den letzten Jahren feines Lebens trat an Schinkel eine Aufgabe heran, deren
Ausführung die umfangreichfte Schöpfung feines Lebens geworden fein würde, wie
die von feinen Schülern publizirten Entwürfe die Höhe feiner künfllerifchen Ent-
wickelung bezeichnen. Die Kaiferin Alexandra Feodorowna von Rufsland, geb.Prin-
zefs Charlotte von Preufsen, wünfchte von dem berühmten Architekten ihres Vaters
den Entwurf zu einem Luflfchlofs an den Eidlichen orangenduftenden Abhängen der
Krim-Halbinfel. Es war dies fo recht eine Aufgabe nach dem Herzen Schinkels;
es galt eine landfchaftliche Architektur im gröfsten Stile zu fchaffen. Und wenn
man heute die grofsen, forgfältig ausgeführten, farbigen Blätter dazu durchfieht,
fo fcheint es faR, dafs nicht nur die Rückficht auf die hohe BeRellerin ihn zu
fo liebevoller Durchführung von Einzelheiten führte, die für Anforderungen des
praktifchen Baubetriebes entbehrlich waren, fondern dafs es ihm felbR Genufs
1) Schlofs Babelsberg wenigflens in einem erften, bei der Ausführung Bark benutzten Entwürfe vom
Jahre 183$. Der Bau wurde 1844 von Perlius begonnen und von Strack und Gottgetreu zu Ende
geführt.