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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Luecke, Hermann: Antonio Canova: geboren zu Possagno den 1. Nov. 1757, gest. 12. Oktober 1882 in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0057
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AMOR UND PSYCHE. BERUFUNG NACH PARIS.

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klafhchen Richtung einen hervorragenden Platz behauptet. Die Koloffalhatue
Napoleons, deren Ausführung fchon damals geplant war, wurde von Canova erft
nach einem Jahrzehnt vollendet.
Eine andere grofse Aufgabe, die ihn bereits feit einigen Jahren befchäftigte,
rief ihn jetzt nach Rom zurück: die Arbeit an dem Grabdenkmal für die Erz-
herzogin Chriftine. In der Kompohtion ilt diefes umfängliche Werk von den
früher von Canova ausgeführten Grabdenkmälern wefentlich verfchieden. Er
benutzte für die Kompohtion eine Idee, die er zuerft in einem anderen Monu-
ment zu verwirklichen dachte, in einem Denkmal für Tizian, welches Venedig für
die Kirche de' Frari bei ihm beftellt hatte, deffen Ausführung aber in Folge der
kriegerifchen Ereigniffe, die der Republik Venedig den Untergang brachten,
unterblieb. Die Modihcationen, mit denen der Entwurf für diefes Monument in
dem Denkmal der Erzherzogin zur Ausführung kam, behänden hauptfächlich
in der veränderten Charakterihrung der allegorifchen Gehalten; die Gefammt-
anordnung blieb diefelbe. Der architektonifche Theil des Denkmals, das in der
Auguhinerkirche in Wien an der Rückfeite einer grofsen Kapelle aufgehellt
ih, wird durch eine Pyramidenwand gebildet, die hch über drei Stufen und
einem breiten Unterbau erhebt und aus der Mauerhäche reliefartig hervortritt.
Sie zeigt in der Mitte eine geöffnete Pforte, zu deren beiden Seiten hatuarifche
Kompohtionen angeordnet hnd: zur Linken zwei Gruppen allegorifcher Gehalten,
die in der Weife einer Prozefhon über die Stufen nach der Pforte fchreiten,
voran die Gehalt der ^Tugend« mit der Graburne in der Hand; zur Rechten
neben einem mächtigen Löwen, dem Hüter des Grabes, wehmüthig hingefunken
ein gebügelter Genius, fehl* ähnlich dem Genius des Rezzonico-Denkmals. Ueber
der Pforte ih in Relief die fchwebende Figur der ^Seligkeit« mit dem Porträt
der Erzherzogin angebracht. In der Anordnung des Ganzen, in der Darhellung
einer Art dramatifcher Handlung, die durch eine ganze Reihe von Figuren hin-
durchgeht, in der Beziehung der fchreitenden Gruppen auf den räumlichen Hin-
tergrund macht hch ein malerifches Prinzip fehr auffällig geltend, das in den
Formen der hatuarifchen Plahik einer befriedigenden Wirkung ohne Zweifel
nicht fähig ih. Quatremere ih freilich der Anficht, dafs das Monument nicht
fowohl eine ehrgeizige Invafion in das Gebiet des Malerifchen, fondern eine in-
geniöfe Eroberung innerhalb deffelben bedeute. Doch ih der Mangel an ein-
heitlicher und gefchloffener Wirkung, der hch in der Kompohtion fo entfchieden
fühlbar macht, offenbar eine Folge der Anwendung jenes malerifchen Prinzips.
Eine Kompohtionsweife, die dem Relief erlaubt ih, diefer Mittelgattung zwifchen
Plahik und Malerei, erfcheint hier auf runde Figuren übertragen. Die Figuren
haben weder untereinander, noch mit der räumlichen Umgebung, auf die he be-
zogen hnd, einen künhlerifch gefchloffenen Zufammenhang, he erfcheinen aufge-
hellt wie in einem fogenannten Hebenden Bilde«.
Allegorifche Gehalten, wenn he, wie hier, mit dem Ausdruck eines be-
himmten Affekts in Aktion gefetzt hnd, werden immer einen etwas unklaren
zwitterhaften Eindruck machen, zumal dann, wenn die Aktion und der Affekt,
wie dies hier der Fall ih, nicht aus dem Begriffe, den he repräfentiren, hergeleitet
erfcheinen. Die gebeugte, trauernde Haltung, in der hier die Gehalten der
 
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