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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Luecke, Hermann: Bertel Thorwaldsen: geb. 1770 in Kopenhagen, gest. 1844 daselbst
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0090
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BERTEL THORWALDSEN.

waldfens künRlerifchem Naturell die allgemeineren Züge germanifcher Art her-
vorzuheben; denn die Fähigkeit jener tiefen, ernlten und innigen Nachempfindung
antiken Wefens, auf der feine künfllerifche Bedeutung beruhte, fcheint in der
That mit wefentlichen Eigenfchaften des germanifchen Naturells zufammenzu-
hängen. Auch hat Thorwaldfen feit feinem Eintritt in Rom die Einwirkungen
deutfcher Bildung und deutfcher KunRbeRrebungen mehrfach erfahren.
Auf CarRens' EinRufs wurde fchon hingewiefen. Man wird ihn nicht blofs
in den allgemeinen geifligen Anregungen zu fuchen haben, die er von Carflens
empfing, nicht blofs darin, dafs er durch Carflens zuerfl mit der klafhfchen Gei-
fiesrichtung der Zeit lebendige Fühlung erhielt; bei einigen feiner Werke, wie
beim Jafon, bei den Reliefdarflellungen ))der Tanz der Muten« und nAchiR und
Priamus« laffen Reh auch beRimmtc vorbildliche EinRüffe CarRensTcher Zeich-
nungen nachweifen. In folchen Werken gewannen, wie Straufs bemerkt, nCar-
Rens' Umriffe SubRanz und Ausführung, welche Re wohl auch ihrer Natur nach
eher durch den Meifsel als durch den Pinfel gewinnen konnten.« 9)
Nicht unwichtig erfcheinen ferner die Anregungen, die Thorwaldfen bei fei-
nem intimen Verkehr im Humboldt'fchen Kreife empRng. Er berührte Reh hier
mit den edelRen Elementen der deutfch-klafRfchen Bildung; in den künRleri-
fchen AnRchten diefer geiRigen AriRokratie waren die WinckelmannTchen Ideen
durchaus die herrfchenden. Aug. Willi. Schlegel, der Thorwaldfen 1803 in
Rom kennen lernte, fagte von ihm (in einem Artikel der Jenaer Allgem.
Literatur-Zeitung): »wir dürfen ihn gewiffermafsen uns zueignen, da er, ob-
wohl ein Däne von Geburt, wie ein Deutfcher unfere Sprache redet und ganz
deutfehe Bildung beRtzt.« Thiele hat diefe Behauptung mit dem Ausdruck einer
gewiffen nationalen EntrüRung für unbegründet erklärt, da Thorwaldfen unge-
fähr 30 Jahre alt gewefen, als er zum erRen Male deutfehen Boden betreten
habe. ^) In Wahrheit jedoch war er feit feinem Eintritt in Rom mit deutfehen
Bildungselementen in RetemContact, die geiRigeAtmofphäre, in derer lebte, war
mit folchen Elementen reichlich erfüllt, und fo wenig er aus Büchern für feine
künRlerifchen Anfchauungen zu gewinnen vermochte — er hatte gegen alle Lek-
türe die entfchiedenRe Abneigung — fo empfänglich war er für EinRüffe des
lebendigen perfönlichen Umgangs. Jedenfalls iR der dauernde Verkehr in Kreifen,
in welchen die deutfch-klafRfche Bildung zu Haufe war, auf feine künRlerifche
Entwickelung nicht ohne EinRufs geblieben.
Der tiefgehende Unterfchied zwifchen Thorwaldfen's KlafRcismus und dem
Canova's, der Reh beim Jafon zuerR in epochemachender Weife gezeigt hatte,
trat fpäterhin mit immer gröfserer BeRimmtheit hervor, um fo augenfälliger, als
die GegenRände, denen Reh Thorwaldfen mit Vorliebe zuwandte, theils diefelben,
theils ähnliche waren, wie die, welche Canova bevorzugte.
In dem DarRellungsgebiet, das er mit dem Jafon in einem glänzenden An-
lauf eroberte, iR fein Talent nicht eigentlich heimifch geworden; von feinen
übrigen Statuen gehören diefern Gebiet, dem Bereich des heroifchen Stiles, nur
wenige an. Mit dem Jafon haben Re das gemein, dafs Re das Heroifche nicht in
Momenten der Aktion zeigen, fondern den Ausdruck der Kraft mit dem der Ruhe
verbindenJi) Aufgaben, die den Ausdruck des Kühnen und Gewaltigen ver-
 
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