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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Luecke, Hermann: Bertel Thorwaldsen: geb. 1770 in Kopenhagen, gest. 1844 daselbst
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0100
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BERTEL THORWALDSEN.

füllung, wodurch diefe KompoAtionen Ach auszeichnen. Unter feinen früheren
Reliefs ih "Achill und Priamus« in diefer Hinhcht eines der vorzüglichhen. Auf
die Kompohtion des "Alexanderzuges« war ohne Zweifel der Relief-Fries des
Parthenons von wichtigem EinAufs, obfchon es wahrfcheinlich ih, dafs Thor-
waldfen, als er den Alexanderzug arbeitete (1812), jenes berühmte griechifche
Bildwerk nur aus Kupferflichen, nicht aus Abgüffen kannte. 20) In der Anordnung
des Ganzen, im Stil der Behandlung, zum Theil auch in Einzelheiten, wie in den
Formen der Pferde, ift diefer EinAufs deutlich erkennbar, fo wenig von irgend
welcher directen Nachahmung des grofsen Vorbildes die Rede fein kann. Den
Mittelpunkt der DarAellung bildet Alexander auf dem Streitwagen, deffen Roffe
die Göttin des Sieges lenkt; ihm folgt das Eleer mit feinen Anführern, Reiterei
und Fufsvolk, in langen Zügen, von der anderen Seite kommt der beAegte König
der Babylonier und fein Gefolge, reiche Gefchenke mit Ach führend, ihm ent-
gegen. Die Klarheit der Kompohtion, die fchöne Mannigfaltigkeit der Gehalten,
die Harmonie in der lebendigen Bewegung der Gruppen, die "hihorifche« Würde
in der Haltung des Ganzen, verbunden mit einem grofsen Reichthum lebendiger,
der Natur unmittelbar entlehnter Einzelmotive, dies Alles zufammen giebt dem
Alexanderzug einen hervorragenden Platz unter den Werken des Künhlers.
Stellenweife ih die Gemeffenheit der DarAellung, das "hilvolle Maafshaltem< aller-
dings von dem Eindruck eines gewiffen Zwanges nicht frei; einige freiere und
kühnere Züge wären mit dem Stil-Charakter des Ganzen nicht unverträglich
gewefen.
Die ganze Schönheit feines Talents hat Thorwaldfen in den Kompohtionen
jener Reliefs offenbart, die durch taufendfältige Wiederholungen der verfchie-
denhen Art weltbekannt, einen dauernden Behandtheil des Schatzes der dekora-
tiven Plahik bilden. Diefe Reliefs, "die Nachts und "der Morgen« und "die
vier Jahreszeiten«, die den Namen des Künhlers populär gemacht haben, fchliefsen
Ach der nicht grofsen Zahl von Kunhwerken an, in denen ein klarer, allgemein
verhändlicher Gedanke, wie in jenen dichterifchen Sentenzen, die von Mund zu
Mund gehen, ebenfo einfach, wie erfchöpfend ausgedrückt ih und die deshalb
recht eigentlich klahifch zu nennen And.
Alle fonhigen Werke Thorwaldfens, die Darhellungen aus dem Bereich
chrihlicher Stoffe, die grofse Zahl von Monumenten, Porträtbühen und Porträt-
hatuen, fo reich viele derfelben an plahifchen Vorzügen And, liegen gewiher-
mafsen an der Peripherie des künhlerifchen Gebietes, das er beherrfchte; Ae And
nicht aus dem eigentlichen Centrum feines künhlerifchen Schaffens hervorgegangen;
man kann eine ganze Reihe diefer Werke Ach wegdenken, ohne das Gefühl zu
haben, dafs das Gefammtbild feiner Thätigkeit dadurch an Bedeutung wefentlich
verlöre, ja, man könnte fogar, was die Bildniffe betrifft, verfucht fein, zu be-
klagen, dafs Thorwaldfen genöthigt war, fo viele Zeit auf derartige Arbeiten zu
verwenden.
Unter den Werken der religiöfen Gattung, die Ach fah fämmtlich in der
Frauenkirche zu Kopenhagen beAnden, ih die Chrihushatue weitaus das be-
deutendhe, eine Gehalt von feierlicher Erhabenheit, die in ihrer ganzen Er-
fcheinung auf das fchöne, rein menfchliche Chrihusideal der Renaiflancezeit
 
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