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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Eggers, Friedrich: Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0112
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JOHANN GOTTFRIED SCHADOW. 1764—1788.

des hebenjährigen Krieges nach Berlin, gründete hch fein Gefchäft und zugleich
durch glückliche Verheirathung leinen Hausftand.
Seine Gattin, die Mutter Gottfried Schadow's, war in ihrer Jugend vom Lande
in die Stadt gekommen zu einem in Berlin lebenden Oheim, der als früherer
Buchdrucker und demnächftiger Inhaber eines kleinen Kramladens ihr eine forg-
fältigere Erziehung gewährte, als die ländliche. Der Sohn hebt ihre bis ins Alter
vorhaltende Neigung zum Bücheriefen hervor; auch bemerkt er, dafs he fehr
richtige Begriffe von Landkarten und allen Arten von Plänen hatte, fowie die natür-
liche Fertigkeit, den Plan eines Haufes, Gartens u. dgl. mit Kreide ganz richtig
anzugeben.
Kreide war auch das Zeichenmaterial des Vaters. Wenn er das auf die
Tafel gerollte Tuch zuzufchneiden hatte zum Rock oder Beinkleid, tupfte er
hier- und dorthin weifse Kreidepunkte, welche die Anlage des Kunftwerkes voll-
ftändig umfchrieben. Die dann folgende Verbindung durch gerade oder nach
Erfordernifs gebogene Kreideftriche mochte kaum noch nothwendig fein als
Wegweifer für den Lauf der Zufchneidefcheere. Es fcheint mithin von Seiten
beider Eltern ein Erbtheil des Zeichentalentes auf den jungen Gottfried gefallen
zu fein, von welchem er fchon in frühefter Jugend überrafchende Proben ab-
legte. Es wird erzählt, dafs er als heben- oder achtjähriger Knabe das fcharf-
gefchnittene Profil feines Vaters völlig getreu auf der Schiefertafel entwarf, indem
er, der Zeichenmethode des Vaters folgend, erft die nöthigen Markirpunkte mit
dem Griffel hintupfte, bevor er die Linien des Umriffes zog.
Das ausgefprochene Zeichentalent mufste aber vorerft auf alle Ausbildung
verzichten. Der Erwerb des Vaters geftattete ihm, feinen Kindern — es waren
noch zwei Töchter und ein jüngerer Sohn — eine tüchtige Erziehung angedeihen
zu laffen, doch mit ftandesgemäfser Sparfamkeit und mit Vermeidung alles
pädagogifchen Luxus. Gottfried und fein Bruder Rudolf durften das Gymnahum
zum grauen Klofter befuchen, «weil diefe Schule die wenigften Kohen vermochten;
aber der Zeichenunterricht mufste befonders bezahlt werden und blieb deshalb
den Luxusartikeln zugezählt. Natürlich erfchienen Gottfried die bevorzugten
Mitfchüler als befonders «vornehme junge Leute.)) Er entfchädigte hch für die
nothgedrungene Entbehrung in den Rechenftunden auf eigene Hand, indem er
die Schiefertafeln feiner Genoffen mit kleinen Zeichnungen von Pferden füllte,
wofür jene ihm feine Rechenaufgaben löfen mufsten.
Ein Wandel trat ein, als der aus Antwerpen Rammende Bildhauer Taffaert,
durch Friedrich den Grofsen von Paris nach Berlin berufen, hier als königlicher
Hofbildhauer eine grofsartig angelegte Werkftatt einrichten mufste. Es handelte
hch um die plaftifche Ausfchmückung der neu erbauten Schlöffer, der dazu
gehörigen Gartenanlagen und der öffentlichen Plätze in Berlin und Potsdam.
Italienifche, franzöfifche und flamländifche Gehülfen, heben oder acht in wechfeln-
der Zahl, arbeiteten unter feiner Leitung und Randen in königlichem Sold. Die
leichtlebige Natur des einen diefer Gehülfen kam dem jungen Schadow zu Statten.
Selvino, fo hiefs er, konnte die bei Schadow's Vater gemachten Schulden für
angefertigte Kleider nicht bezahlen, und man einigte hch auf Tilgung derfelben
durch Ertheilung von Zeichenunterricht. Nun ward Gottfried's Talent zum erRen
 
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