IN DER WERKSTATT SCHADOW'S.
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Hülfe des Arztes auf dem Schlachtfelde. Der inmitten der Kompofltion hervor-
ragende Genius Preufsens fchirmt die Seinen; ein Verwundeter wird aus dem zur
Linken tobenden Kampfe nach rechts hin gebracht, wo die Thätigkeit des Arztes
und feiner Gehülfen in mehrfachen Stadien ihre Bethätigung findet. Die Aus-
führung in dreiviertel Lebensgröfse, fo dafs das ganze Relief 1$ Fufs lang und
3 Fufs hoch ward, übertrug Schadow an Rauch, dem er nach Vollendung diefer
erften gröfseren Arbeit bezeugte: ((Herr Rauch aus Kaffel hat nach meiner
Esquiffe diefes Sujet als ein Motif zum wahren Kunftftudium behandelt. Alle
Figuren darin Und nach dem lebendigen Modell bis in die kleinften Details vor-
gearbeitet. Der Künfller hat fleh auf diefe Weife einen vorzüglichen Grad von
Gefchicktheit, insbefondere in Behandlung des Basreliefs erworben. B *)
Die Förderung, welche dem Kammerdiener durch Befchäftigung in der Werk-
ftatt des Hofbildhauers zu Theil ward und in diefem Falle noch ein aufser-
ordentliches Geldgefchenk von 100 Thalern zur Folge hatte, lockerte thatfächlich
das dienfUiche Verhältnifs am Königshofe. Aber es koftete doch noch vielerlei
Bemühung, bis Rauch endlich im Sommer 1804 die Entlaffung aus dem könig-
lichen Dienfte und die Erlaubnifs zur Reife nach Rom, fowie zu einem fechs-
jährigen dortigen Aufenthalt erlangte. — Hier hatte das langerfehnte Ziel feiner
Wünfche gelegen, das freilich mit der ihm belaffenen Penfion von jährlich 123
Thalern 12 Grofchen auch noch nicht leicht zu erreichen war. Aber fein Gönner,
der Baron von Schilden, forgte in ausgiebigiter Weife durch einen Zufchufs von
200 Thalern zu den Reifekoften, und als Rauch nun aus Dankbarkeit deffen eigene
Büfte modellirte, ward auch diefe von ihm mit 100 Thalern honorirt.
Dann fügte ein glücklicher Zufall, dafs ein junger Graf Sandretzky einen
Künfller als Reifegefährten nach Italien fuchte. Rauch ward ihm in Vorfchlag
gebracht und gern angenommen. Vor der Abreife ward ihm endlich noch zu
Theil, dafs er in Charlottenburg auf Wunfch des Königs die Bülte der Königin
Luife modelliren und damit diejenige Arbeit in den Händen des Königs zurück-
laffen durfte, welche ihm fpäter den Weg zum Ruhme bahnen follte. Am 23. Juli
1804 war fie vollendet — eine Woche fpäter ging Rauch zu dem Grafen San-
dretzky nach Dresden. — Die Römerfahrt begann.
Als Rauch die hohe Schule der Kunft in Rom bezog, ftand Schadow in
Berlin auf dem Gipfel feines künftlerifchen Schaffens. In wenig mehr als zwei
Decennien feit feiner Anftellung als Hofbildhauer drängen fleh die Arbeiten zu-
fammen, welche feiner Geltung für die Gefchichte der Plaftik das dauernde Ge-
präge geben. Wir wollen in chronologifcher Folge an die ganze Reihe diefer
Werke herantreten, fie felbft und ihre Entftehung kurz befchreibend, um weiter-
hin das fleh ergebende eigenthümliche Refultat zu erklären, wie ohne wefentliche
Unterbrechung verfchiedene, an fich fcharf gefonderteKunftftile — der ideal-klaffifche,
der modern-realiftifche und eine Vermifchung beider mit dem Zopfftil — fortdauernd
in parallelen Gruppen neben einander zur Geltung kommen, hauptfächlich dadurch
unter einander verknüpft und auf die Hand eines Meifters zurückzuführen, dafs
die Ausführung der Arbeiten von Anfang an in ftets gleichbleibender Meifter-
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Hülfe des Arztes auf dem Schlachtfelde. Der inmitten der Kompofltion hervor-
ragende Genius Preufsens fchirmt die Seinen; ein Verwundeter wird aus dem zur
Linken tobenden Kampfe nach rechts hin gebracht, wo die Thätigkeit des Arztes
und feiner Gehülfen in mehrfachen Stadien ihre Bethätigung findet. Die Aus-
führung in dreiviertel Lebensgröfse, fo dafs das ganze Relief 1$ Fufs lang und
3 Fufs hoch ward, übertrug Schadow an Rauch, dem er nach Vollendung diefer
erften gröfseren Arbeit bezeugte: ((Herr Rauch aus Kaffel hat nach meiner
Esquiffe diefes Sujet als ein Motif zum wahren Kunftftudium behandelt. Alle
Figuren darin Und nach dem lebendigen Modell bis in die kleinften Details vor-
gearbeitet. Der Künfller hat fleh auf diefe Weife einen vorzüglichen Grad von
Gefchicktheit, insbefondere in Behandlung des Basreliefs erworben. B *)
Die Förderung, welche dem Kammerdiener durch Befchäftigung in der Werk-
ftatt des Hofbildhauers zu Theil ward und in diefem Falle noch ein aufser-
ordentliches Geldgefchenk von 100 Thalern zur Folge hatte, lockerte thatfächlich
das dienfUiche Verhältnifs am Königshofe. Aber es koftete doch noch vielerlei
Bemühung, bis Rauch endlich im Sommer 1804 die Entlaffung aus dem könig-
lichen Dienfte und die Erlaubnifs zur Reife nach Rom, fowie zu einem fechs-
jährigen dortigen Aufenthalt erlangte. — Hier hatte das langerfehnte Ziel feiner
Wünfche gelegen, das freilich mit der ihm belaffenen Penfion von jährlich 123
Thalern 12 Grofchen auch noch nicht leicht zu erreichen war. Aber fein Gönner,
der Baron von Schilden, forgte in ausgiebigiter Weife durch einen Zufchufs von
200 Thalern zu den Reifekoften, und als Rauch nun aus Dankbarkeit deffen eigene
Büfte modellirte, ward auch diefe von ihm mit 100 Thalern honorirt.
Dann fügte ein glücklicher Zufall, dafs ein junger Graf Sandretzky einen
Künfller als Reifegefährten nach Italien fuchte. Rauch ward ihm in Vorfchlag
gebracht und gern angenommen. Vor der Abreife ward ihm endlich noch zu
Theil, dafs er in Charlottenburg auf Wunfch des Königs die Bülte der Königin
Luife modelliren und damit diejenige Arbeit in den Händen des Königs zurück-
laffen durfte, welche ihm fpäter den Weg zum Ruhme bahnen follte. Am 23. Juli
1804 war fie vollendet — eine Woche fpäter ging Rauch zu dem Grafen San-
dretzky nach Dresden. — Die Römerfahrt begann.
Als Rauch die hohe Schule der Kunft in Rom bezog, ftand Schadow in
Berlin auf dem Gipfel feines künftlerifchen Schaffens. In wenig mehr als zwei
Decennien feit feiner Anftellung als Hofbildhauer drängen fleh die Arbeiten zu-
fammen, welche feiner Geltung für die Gefchichte der Plaftik das dauernde Ge-
präge geben. Wir wollen in chronologifcher Folge an die ganze Reihe diefer
Werke herantreten, fie felbft und ihre Entftehung kurz befchreibend, um weiter-
hin das fleh ergebende eigenthümliche Refultat zu erklären, wie ohne wefentliche
Unterbrechung verfchiedene, an fich fcharf gefonderteKunftftile — der ideal-klaffifche,
der modern-realiftifche und eine Vermifchung beider mit dem Zopfftil — fortdauernd
in parallelen Gruppen neben einander zur Geltung kommen, hauptfächlich dadurch
unter einander verknüpft und auf die Hand eines Meifters zurückzuführen, dafs
die Ausführung der Arbeiten von Anfang an in ftets gleichbleibender Meifter-