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JOHANN GOTTFRIED SCHADOW. 1788—1824.
Wie die Schönheit des Modells vorzugsweife die Erfcheinung eines idealen
Inhalts in den SchadowTchen Schöpfungen bedingte, dafür fällt das fchlagendfte
Beifpiel, bei welchem es Feh um Porträtgeflalten handelte, auch in diefe Zeit.
Um Weihnachten 1793 war das Schwefternpaar, die Kronprinzefhn und die
Prinzefhn Louis, unter dem Jubel der Bevölkerung in die HauptFadt eingezogen
und hatte durch Liebreiz und Schönheit einen allgemeinen Raufch des Entzückens
und der Bewunderung hervorgerufen Auch Schadow war von diefem Jubel
erfafst und fchuf 1794 in den Büflen beider Prinzeffinnen zwei feiner MeiFer-
werke der Porträt-PlaFik, die der Kronprinzefhn jetzt in Babelsberg, der Prinzefhn
Louis im Hohenzollernmufeum; letztere noch in fpäteren Jahren immer in Ab-
güffen wiederholt als das trehendFe Abbild, von ihr felbF «feu mon visagen benannt.
Als nun auf Grund diefer Büflen der Staatsminifier von Heinitz, welchem die Ver-
waltung der königlichen Porzellan-Manufaktur unterhand, eine Gruppe der beiden
Schwellern für den Biscuitgufs behellte, enthand jenes liebliche Paar, welches bald
von der meilselkundigen Hand auch in Lebensgröfse in das edelfle Material über-
tragen ward und fpäter feine Aufhellung im königlichen Schlöffe fand (f. die
Abbildung S. 2$).
Es ih kein anmuthigeres Bild der Schwehernliebe denkbar. In wunderbarer
Schönheit der Lormen und der gelammten Linienführung kommt auch der ideale,
ethifche Inhalt in dem Zufammenranken und dem gegenfeitigen Stützen der beiden
jugendlichen Lrauengeftalten zum fprechendhen Ausdruck. Bis auf die Sandalen-
bekleidung der Lüfse, das einzige idealihrende Beiwerk, ih die Gewandung
getreu nach der Natur gebildet mit nachbehernder Hand malerifch drapirt.
Selbh das unter das Kinn gefchlungene Kopftuch fehlt nicht, welches von der
Kronprinzefhn wegen eines Halsübels vorübergehend getragen und deshalb zeit-
weilig allgemeine Modetracht ward. Schadow hatte urfprünglich der Kron-
prinzefhn in die herabhängende Rechte einen Blumenkorb gegeben. Diefer
lbllte in der Marmorausführung fortfallen ohne Aenderung der Arm- und Hand-
haltung. Er erfetzte den Korb durch ein von der Hand gehaltenes Gewandhück,
das er an dem Gipsmodell herhellte, indem er einen paffenden Stoff in dünn
angerührten Gips tauchte und über die fchon vorhandenen Falten warf, fo dafs
er die Wirkung erzielte, welche einige antike Statuen zeigen, dafs man durch die
oberen Falten die unteren durchlaufen heht. Er hielt dies für eine Erneuerung
der antiken Technik und befolgte die Methode fortan vorzugsweife bei der An-
lage von Gewandungen sogenannter Idealfiguren, wie denn in der That die
Gewandhücke bei den meihen vorhin erwähnten Skizzen und bei fpäteren Figuren
an Grabmälern den Eindruck machen, dafs ihre Falten nicht blofs durch den
Fall des Stoffes, fondern auch durch die Schwere und die Klebeneigung des
feuchten Elementes bedingt find.
Mit diefem Werke find wir Schadow's Arbeiten bis zum Jahre 1796 gefolgt.
Während der letzten fünf Jahre war das projektirte Denkmal des grofsen Königs,
wie es fchien, ganz in Vergeffenheit gerathen. Schadow's beabfichtigte Reife
nach Paris fahen wir durch den Ausbruch der Schreckensherrfchaft in Frankreich
verhindert. In mehr oder minder unmittelbarer Folge diefes Ereigniffes Fanden
die kriegerifchen Unternehmungen, welche Preufsen in jener Zeit theils nach
JOHANN GOTTFRIED SCHADOW. 1788—1824.
Wie die Schönheit des Modells vorzugsweife die Erfcheinung eines idealen
Inhalts in den SchadowTchen Schöpfungen bedingte, dafür fällt das fchlagendfte
Beifpiel, bei welchem es Feh um Porträtgeflalten handelte, auch in diefe Zeit.
Um Weihnachten 1793 war das Schwefternpaar, die Kronprinzefhn und die
Prinzefhn Louis, unter dem Jubel der Bevölkerung in die HauptFadt eingezogen
und hatte durch Liebreiz und Schönheit einen allgemeinen Raufch des Entzückens
und der Bewunderung hervorgerufen Auch Schadow war von diefem Jubel
erfafst und fchuf 1794 in den Büflen beider Prinzeffinnen zwei feiner MeiFer-
werke der Porträt-PlaFik, die der Kronprinzefhn jetzt in Babelsberg, der Prinzefhn
Louis im Hohenzollernmufeum; letztere noch in fpäteren Jahren immer in Ab-
güffen wiederholt als das trehendFe Abbild, von ihr felbF «feu mon visagen benannt.
Als nun auf Grund diefer Büflen der Staatsminifier von Heinitz, welchem die Ver-
waltung der königlichen Porzellan-Manufaktur unterhand, eine Gruppe der beiden
Schwellern für den Biscuitgufs behellte, enthand jenes liebliche Paar, welches bald
von der meilselkundigen Hand auch in Lebensgröfse in das edelfle Material über-
tragen ward und fpäter feine Aufhellung im königlichen Schlöffe fand (f. die
Abbildung S. 2$).
Es ih kein anmuthigeres Bild der Schwehernliebe denkbar. In wunderbarer
Schönheit der Lormen und der gelammten Linienführung kommt auch der ideale,
ethifche Inhalt in dem Zufammenranken und dem gegenfeitigen Stützen der beiden
jugendlichen Lrauengeftalten zum fprechendhen Ausdruck. Bis auf die Sandalen-
bekleidung der Lüfse, das einzige idealihrende Beiwerk, ih die Gewandung
getreu nach der Natur gebildet mit nachbehernder Hand malerifch drapirt.
Selbh das unter das Kinn gefchlungene Kopftuch fehlt nicht, welches von der
Kronprinzefhn wegen eines Halsübels vorübergehend getragen und deshalb zeit-
weilig allgemeine Modetracht ward. Schadow hatte urfprünglich der Kron-
prinzefhn in die herabhängende Rechte einen Blumenkorb gegeben. Diefer
lbllte in der Marmorausführung fortfallen ohne Aenderung der Arm- und Hand-
haltung. Er erfetzte den Korb durch ein von der Hand gehaltenes Gewandhück,
das er an dem Gipsmodell herhellte, indem er einen paffenden Stoff in dünn
angerührten Gips tauchte und über die fchon vorhandenen Falten warf, fo dafs
er die Wirkung erzielte, welche einige antike Statuen zeigen, dafs man durch die
oberen Falten die unteren durchlaufen heht. Er hielt dies für eine Erneuerung
der antiken Technik und befolgte die Methode fortan vorzugsweife bei der An-
lage von Gewandungen sogenannter Idealfiguren, wie denn in der That die
Gewandhücke bei den meihen vorhin erwähnten Skizzen und bei fpäteren Figuren
an Grabmälern den Eindruck machen, dafs ihre Falten nicht blofs durch den
Fall des Stoffes, fondern auch durch die Schwere und die Klebeneigung des
feuchten Elementes bedingt find.
Mit diefem Werke find wir Schadow's Arbeiten bis zum Jahre 1796 gefolgt.
Während der letzten fünf Jahre war das projektirte Denkmal des grofsen Königs,
wie es fchien, ganz in Vergeffenheit gerathen. Schadow's beabfichtigte Reife
nach Paris fahen wir durch den Ausbruch der Schreckensherrfchaft in Frankreich
verhindert. In mehr oder minder unmittelbarer Folge diefes Ereigniffes Fanden
die kriegerifchen Unternehmungen, welche Preufsen in jener Zeit theils nach