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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Eggers, Friedrich: Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0149
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RÖMISCHER AUFENTHALT.

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Fragmente: das Parzen-Relief in Tegel, ein Relief für Graf Balle in Petersburg
und jene Hydrophore in Tegel, welche früher falfchlich Nymphe Anchyrrhoe
genannt ward. Ferner neun Marmorbüflen: die von Rafael Mengs für die Wal-
halla, zweimal die Königin Luife nach dem oben erwähnten zu Charlottenburg
gemachten Modell (einmal koloffal, jetzt im Hohenzollern-Mufeum), drei Hum-
boldtTche Kinder, endlich der Erzbifchof von Tarent, der Kammerherr von
Wengersky und eine Kopie des Euripides nach der Antike. Sodann begann er
in Rom das lebensgrofse Sitzbild der Adelheid von Humboldt und arbeitete das
reizende Relief-Medaillon für Tegel: wie Venus dem Mars ihre von dem Diomedes
verwundete Hand zeigt, ganz an ThorwaldfenTche Arbeiten diefer Gattung er-
innernd. Modellirt wurde aufserdem ein Amor, drei weitere Büften, darunter die
von Zacharias Werner und drei Reliefs, Ulyffes und Penelope, Phaedra und Hip-
polyt, endlich Jafon, das goldene Vliefs gewinnend.
Dies angeregte römifche Kunftleben erlitt einen jähen Bruch, der Niemandem
fühlbarer wurde, als Rauch, durch die Abberufung Wilhelms von Humboldt und
feine Entfendung nach Wien als außerordentlichen Gefandten und bevollmächtigten
Minifters am öfterreichifchen Hofe im Sommer 1810. Die Gattin folgte im Herb ff.
Rauch begleitete he bis Florenz und kehrte dann mit dem fchmerzlichen Gefühl
der Vereinfamung nach Rom zurück. Hier fand er den Brief Humboldfs vor,
der die entfcheidendfle Wirkung auf feine ganze Zukunft geübt hat, obwohl
dies für den Augenblick kaum denkbar erfchien. Im Juli war die Nachricht von
dem Tode der Königin Luife nach Rom gelangt. Rauch vollendete deren
Marmorbüfle, welche er noch unter Händen hatte, und fandte fie an den König.
Diefer hatte den Plan gefafst, ein Maufoleum in Charlottenburg zu errichten mit
der Büfte der Königin, änderte diefe Abficht aber bald dahin, dafs die Königin
in ganzer Figur auf dem Sarkophag liegend dargeffellt werden follte und fetzte
nun Humboldt in Bewegung, die befte Ausführung feines Planes zu vermitteln.
Zunächft hatte der König die Beflellung bei Canova oder Thorwaldfen, den be-
rühmteflen Bildnern jener Zeit, im Auge gehabt. Die Abfendung der Königin-
Büffe von Rauch aber gab Anlaß, dafs auch an ihn gedacht ward. Von diefen
drei Künftlern follte Humboldt Zeichnungsentwürfe nach der detaillirten Idee des
Königs zu Wege bringen. Rauch war freilich freudig überrafcht durch den Brief,
der ihm diefe Aufforderung zur Konkurrenz brachte; doch glaubte er folche nicht
beftehen zu können und bat Humboldt, den König doch auf Schadow zu ver-
werfen, der neben fo Gutes als jeder bedeutende Künftler zu liefern im Stande
feia und deshalb eher mit Canova und Thorwaldfen in die Schranken treten
könnte. Letzterer lehnte die Konkurrenz fowohl aus Lreundfchaft für Rauch als
auch aus dem Grunde ab, dafs er überhaupt nicht mit einer Zeichnung kon-
kurriren möchte, welche, einmal gewählt, für ihn bindend werden müßte. Canova
erklärte fleh freiwillig bereit zur Ausführung des Denkmals auf Beftellung binnen
drei Jahren, nicht aber zur Einfendung einer bindenden Zeichnung. Nun hatte
Humboldt fchon vorher feinen Beirath dahin abgegeben, das Monument ohne
weitere Konkurrenz bei Rauch zu beftellen. Denn nur er habe ein fachlich be-
geifterndes Intereffe an der Arbeit, welches ohne Frage den etwaigen fonftigen
Vorzügen der beiden größeren Künftler das Gegengewicht bieten würde. Von
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