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RAUCH UND SCHADOW.
fchrittliche Verhältnis gegenüber Schadow, fowie den eigenen fleten Fortfehritt
darlegten, von der Grabflatue der Königin Luife an durch die Feldherren-Statuen
hindurch, von bewegterer malerifcher bis zu ruhiger plaflifcher Geflaltung. Im
Reliefflil, im Stil der Bütten wiefen wir einen Entwickelungsgang nach, der fich
durch alle Perioden feines Schaffens hindurchzieht. In jenen monumentalen
Arbeiten erfchienen die Früchte des in «Harren und Krieg, in Sturz und Sieg"
gereiften Nationalgefühls. Als dies Gefühl nach feiner höchtten Erhebung fchwere
Bedrückung empfinden mufste, weil die Hoffnungen nicht in Erfüllung gingen,
welche die Volksfeele belebt hatten, und als fich diefe nunmehr in ihren Trägern
der Wiflenfchaft und Kunft vom Felde der äufseren Politik zurückzog auf die
Ideale des geiftigen Schaffens, da fehen wir Rauch Front machen gegen das
Eindringen der franzöfifchen Romantik in die deutfehe Plaftik und zugleich die
Periode des vorwiegend idealen Schaffens betreten. In diefen Zeitraum bis zu
den Vierziger-Jahren fällt jene Reihe idealer Geftaltungen der Kinderfiguren, die
in den Darftellungen des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung gipfeln, dann
die Danaide, eine Anzahl Skizzen und vor allen die unaufhörliche Ergründung der
Viktoriageftalt, in welcher er zugleich dem ThorwaldfenTchen allgemein-menfeh-
lichen Ideal des Eros das Ideal des deutfehen Nationalgefühls gegenüberftellte.
Die Schlufsperiode feines Wirkens endlich vereinigt den hiftorifchen Stil der erften
Zeit mit dem dann folgenden idealen Stil zu einer fich innerlich durchdringenden
Einheit, welche im Friedrichs-Denkmal den Rauch erreichbar höchften Gipfel
darf! eilte.
An diefe Entwickelung des Meifters anknüpfend folgt fodann die Schule, die
gewonnenen Prinzipien für die Plaftik unterer Tage weitergeftaltend. Da ift Drake
zu nennen und vor allem Rietfchel und die fich diefen wiederum anfchliefsen.
Das ift Rauch's Schule; nicht aber wird fie repräfentirt durch Jeden, der einmal
als Schüler durch feine Werkftatt gegangen ift. Dies mufs ausdrücklich getagt
werden; denn es ift Mode einer oberflächlichen Kritik geworden, den Meifter ver-
antwortlich zu machen für alle Nüchternheit und Leblofigkeit der Arbeiten folcher,
welche als feine Schüler zwar fo wollten wie Rauch, aber nicht fo konnten.
Dies ift die eine Klaffe der Schüler, welche die Schule zu vertreten nicht geeignet
find. Eine zweite konnte auch nicht fo, wie der ^Meifter, aber gerade deshalb
wollte fie auch gar nicht fo, und eine bewufste Oppofition führte aus der Schule
Rauch's hinaus zu Ausfchreitungen, welche die Grundprinzipien der Plaftik in
Frage Teilten und nichts anderes bedeuten, als einen Rückfchritt um etwa ein
Jahrhundert.
Unter dem Einflufs der erfteren Klaffe bildete fich auf Jahrzehnte die Legende
«von dem böfen Rauch", der in jedem wirklichen Talente einen Feind fah und
es nicht duldete, dafs neben ihm Jemand zu Ehren kam. Dem Zeugniffe Rietfchel's
gegenüber bedurfte es kaum der reichen aktenmäfsigen Ausbeute neuerer For-
fchung, um den Werth diefer Legende in ihrer nackten Armuth blofszulegen.
Die zweite Klaffe jener nicht zur Schule gehörenden Schüler fchuf die Legende
«vom überwundenen Standpunkte Rauch's". Um den Scheinpreis der Unabhängig-
keit und Originalität trat man, wie bemerkt, über 100 Jahre rückwärts und hob
Schadow auf den Schild, der gerade die Geltung jener Epoche als einer der
RAUCH UND SCHADOW.
fchrittliche Verhältnis gegenüber Schadow, fowie den eigenen fleten Fortfehritt
darlegten, von der Grabflatue der Königin Luife an durch die Feldherren-Statuen
hindurch, von bewegterer malerifcher bis zu ruhiger plaflifcher Geflaltung. Im
Reliefflil, im Stil der Bütten wiefen wir einen Entwickelungsgang nach, der fich
durch alle Perioden feines Schaffens hindurchzieht. In jenen monumentalen
Arbeiten erfchienen die Früchte des in «Harren und Krieg, in Sturz und Sieg"
gereiften Nationalgefühls. Als dies Gefühl nach feiner höchtten Erhebung fchwere
Bedrückung empfinden mufste, weil die Hoffnungen nicht in Erfüllung gingen,
welche die Volksfeele belebt hatten, und als fich diefe nunmehr in ihren Trägern
der Wiflenfchaft und Kunft vom Felde der äufseren Politik zurückzog auf die
Ideale des geiftigen Schaffens, da fehen wir Rauch Front machen gegen das
Eindringen der franzöfifchen Romantik in die deutfehe Plaftik und zugleich die
Periode des vorwiegend idealen Schaffens betreten. In diefen Zeitraum bis zu
den Vierziger-Jahren fällt jene Reihe idealer Geftaltungen der Kinderfiguren, die
in den Darftellungen des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung gipfeln, dann
die Danaide, eine Anzahl Skizzen und vor allen die unaufhörliche Ergründung der
Viktoriageftalt, in welcher er zugleich dem ThorwaldfenTchen allgemein-menfeh-
lichen Ideal des Eros das Ideal des deutfehen Nationalgefühls gegenüberftellte.
Die Schlufsperiode feines Wirkens endlich vereinigt den hiftorifchen Stil der erften
Zeit mit dem dann folgenden idealen Stil zu einer fich innerlich durchdringenden
Einheit, welche im Friedrichs-Denkmal den Rauch erreichbar höchften Gipfel
darf! eilte.
An diefe Entwickelung des Meifters anknüpfend folgt fodann die Schule, die
gewonnenen Prinzipien für die Plaftik unterer Tage weitergeftaltend. Da ift Drake
zu nennen und vor allem Rietfchel und die fich diefen wiederum anfchliefsen.
Das ift Rauch's Schule; nicht aber wird fie repräfentirt durch Jeden, der einmal
als Schüler durch feine Werkftatt gegangen ift. Dies mufs ausdrücklich getagt
werden; denn es ift Mode einer oberflächlichen Kritik geworden, den Meifter ver-
antwortlich zu machen für alle Nüchternheit und Leblofigkeit der Arbeiten folcher,
welche als feine Schüler zwar fo wollten wie Rauch, aber nicht fo konnten.
Dies ift die eine Klaffe der Schüler, welche die Schule zu vertreten nicht geeignet
find. Eine zweite konnte auch nicht fo, wie der ^Meifter, aber gerade deshalb
wollte fie auch gar nicht fo, und eine bewufste Oppofition führte aus der Schule
Rauch's hinaus zu Ausfchreitungen, welche die Grundprinzipien der Plaftik in
Frage Teilten und nichts anderes bedeuten, als einen Rückfchritt um etwa ein
Jahrhundert.
Unter dem Einflufs der erfteren Klaffe bildete fich auf Jahrzehnte die Legende
«von dem böfen Rauch", der in jedem wirklichen Talente einen Feind fah und
es nicht duldete, dafs neben ihm Jemand zu Ehren kam. Dem Zeugniffe Rietfchel's
gegenüber bedurfte es kaum der reichen aktenmäfsigen Ausbeute neuerer For-
fchung, um den Werth diefer Legende in ihrer nackten Armuth blofszulegen.
Die zweite Klaffe jener nicht zur Schule gehörenden Schüler fchuf die Legende
«vom überwundenen Standpunkte Rauch's". Um den Scheinpreis der Unabhängig-
keit und Originalität trat man, wie bemerkt, über 100 Jahre rückwärts und hob
Schadow auf den Schild, der gerade die Geltung jener Epoche als einer der