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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Schmarsow, August: Pierre-Jean David d'Angers: geb. zu Angers d. 12. März 1788, gest. in Paris d. 5. Januar 1856
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0215
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SEINE JUGEND.

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»Bonchamps, edelmüthiger Mann, Du halt der Menfchheit einen Zug hinter-
laffen, der nicht verloren fein wird. Ich fchuf Dein Monument, ein grofses Bei-
fpiel aufzuftellen, und mufste Dir dankbar fein als Sohn eines jener Republikaner,
die Du gerettet haft.
»Aber ich fühle mich erdrückt durch die Erregung, ich erliege dem Gewicht
erhabner Eindrücke. Es will Tag werden, meine Lampe erlifcht; ich gehe mein
Söhnchen in feiner Wiege zu umarmen!))
Pierre-Jean David war am 12. März 1788 zu Angers geboren. Sein Vater
Pierre-Louis betrieb die Holzfchnitzerei, die er in Paris erlernt, mit anerkanntem
Gefchick und anfangs gutem Erfolg. Als ihm aber feine Frau Marie Frangoise
Lemasson nach drei Mädchen den einzigen Sohn fchenkte, fafs die Sorge am
Herd und das Elend vor der Thür. Die eifrige republikanifche Gehnnung des
Vaters verfchlimmerte bald das Loos der Seinen. Als die Parifer am 14. Juli
1790 das Feit der Föderation feierten, mufste Pierre-Louis David auch dabei
fein; als die Vendee unter Cathelineau und Bonchamps hch gegen die Mafsregeln
des Convents empörte, liefs er hch in die Armee der Republik einfehreiben,
nahm fein fünfjähriges Söhnchen mit und zog von dannen. In der Schlacht von
Torfou wird er gefangen und mit mehreren Taufend Republikanern in der Kirche
von St. Florent eingefperrt. Nur das Gnadengebot des fterbenden Bonchamps
rettet he vor der Erbitterung der Behegten. Das fchwächliche Kind, auf der
Landffrafse verlaffen, von mitleidigen Frauen aufgenommen, war durch Zufall in
die Nähe des Vaters gelangt, der es bei der Bagage wiederhndet. Kleber möchte
den Tapfern mit gegen Mainz führen; aber David kehrt zu feiner Familie zurück,
die indefs mit der bitterften Noth gerungen. Seine Ansehung beim Fuhrwefen
der Republik bringt nur allzu wenig ein, bis er hch 1796 entfchliefst, feine Holz-
fchnitzarbeit wieder aufzunehmen.
Während der Vater den Altar des Vaterlandes für den Temple decadaire
mit Eichenkränzen verziert, hie und da eine Kirche oder einen Palah mit bild-
nerifchem Schmuck ausflattet, fchaut ihm der Kleine eifrig zu und erhält fo die
erffen Begriffe von Zeichnung, wie er fpielend das Handwerk erlernt. Vergebens
widerfetzt hch die traurige Erfahrung des Alten der fortfehreitenden Liebe feines
Sohnes zu einer Kunfl, die ihm felbft fo wenig frohe Tage bereitet. Widerflrebend
gehattet er ihm, am Zeichenunterricht der Ecole centrale theilzunehmen; 1804
wird diefe Schule in ein Lyceum verwandelt und damit für den jungen David
gefchloffen; aber er hndet belfere Fortbildung bei Deluffe, einem Schüler Viens,
der feine Gaben erkennt und darauf dringt ihn nach Paris zu fchicken. Jemehr
der Knabe zum willkommenen Gehülfen des befcheidenen Kunftbetriebs heran-
wächfl, deflo entfehiedener weigert hch der Vater ihn adern hchern Hungertode
preiszugeben«. Ein Verfuch Pierre-Jean's hch mit Belladonna zu vergiften wird
durch der Mutter Sorgfalt vereitelt, die längft natürlich zur treuen Bundesgenofhn
der Hoffnungen und Pläne geworden war. Endlich gelingt es Deluffe durch
zwei Frauenköpfe, die fein Schützling nach Michelangelo modellirt, den Vater
vom Talent feines Sohnes zu überzeugen und die Einwilligung zu erreichen,
indem er felbfl das Reifegeld nach Paris vorhreckt.
 
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