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PIERRE-JEAN DAVID D'ANGERS.
der MeiRer KirRein und Ohnmacht, ging dann über Karlsruhe, Heidelberg, Frank-
furt und Mainz den Rhein hinunter nach Bonn und Köln; dann nach Berlin, wo
er längere Zeit mit Rauch verkehrte, deffen BüRe damals im Atelier des Bild-
hauers felbR entRand, während Friedrich Tieck dagegen die Davids fertigte. Mit
Rauch und Schinkel, deffen Mufeumsbau feinen vollen Beifall fand, befuchte er das
Grabmal der Königin Louife in Charlottenburg, in Tegel den alten Wilhelm von
Humboldt, deffen Antlitz fchon von der Hand des nahenden Todes berührt war.
Von Berlin zogen Re weiter nach Dresden, wo die Maler Vogel v. VogelRein,
Friedrich, Moritz Retzfeh und der Bildhauer ErnR Rietfchel, vor allem aber
Ludwig Tieck das Intereffe des franzöftfehen KünRlers erregten, der Reh nicht
begnügte eine grofse BüRe des Dichters zu modelliren, fondern ihn nochmals in
ganzer Figur Rtzend in kleinem MafsRab darRellte. In Weimar begrüfst er voll
wehmüthiger Erinnerung das Haus Goethe's, der ihm damals beim Abfchied fo
Rcher zugerufen: »wir müffen uns wiederfehn!" Nürnberg und München fahen
die Reifenden nur Rüchtig, zumal da Re beide erkrankten und in aller Eile über
Stuttgart heimkehren mufsten.
Aufser den Bildniffen feiner Frau und feines Knaben, die befonders liebevoll
ausgeführt unter den Medaillons erfcheinen, gewährt ein Marmorwerk des MeiRers
einen traulichen Einblick in fein häusliches Glück: das Kind mit der Traube. Sein
dreijähriger Sohn Robert iR es, der auf den Fufsfpitzen Rehend eine Rebe herab-
zieht und mit offenem Mäulchen nach einer Traube fchnappt. Der ganze kleine
Körper reckt Reh und Rreckt Reh der füfsen Frucht entgegen und fpricht wie
Mund und Augen die naive Stärke des Verlangens aus. Ebenfo wahr iR die
Behandlung des kindlichen Leibes, deffen langer Rumpf etwas vorstehender
Bauch und kurze Beine ganz dem Alter entfprechen. Natürlich bedurfte es der
ungewöhnlichen Gefchicklichkeit, der genauen Kenntnifs und feinen Beobachtung
Davids, um dem einfachen Vorwurf künRlerifche Bedeutung zu leihen.
Indeffen ruhten die Werke nationaler KunR im Atelier des MeiRers nicht.
Eine wichtige Arbeit diefer Zeit Rnd die Skulpturen an der Aufsenfeite des Tho-
res von Marseille, dort wo die Strafse von Aix mündet. Zu beiden Seiten Rnd
Trophäen aufgethürmt mit der Siegesgöttin vorn, die das eine Mal mit der Spitze
des Bajonnets den Sieg bei Fleurus verzeichnet, das andre Mal mit Rolzem Blick
vor dem Namen Heliopolis ausruht. Darüber fchildern Reliefs, zur Rechten wie
Jourdan den Degen des Marfchalls von Sachfen ablehnt, zur Linken Klebers Sieg
über Aegypten. Das HauptRück iR das Relief unter dem Bogen felbR, welches
den Abfchied der Freiwilligen darRellt, in dreifsig GeRalten wdie Reingewordne
Marfeillaife«. Die GeRalt des Vaterlandes Rreckt Rtzend die Arme aus gegen
ihre Kinder; die mütterliche Haltung, der Ausdruck gebieterifchen Flehens auf
ihren Zügen, erklären die Allmacht ihres Wortes. Frauen zunächR bringen ihren
Schmuck, ihre Brautgefchenke herbei; hinter ihnen die Söhne greifen verlangend
nach den Waffen. Ein junger Soldat breitet die Arme aus gegen das Vaterland,
ein Seemann wetzt fein Meffer auf dem Stein, ein Greis führt feine drei Söhne
herbei; der erRe grüfst bereits militärifch, der zweite entblöfst das Haupt vor
der Göttin, der jüngRe hängt voll kindlicher Zärtlichkeit an den runzligen Wangen
des Greifes, der die Thränen nicht zurückzuhalten vermag. Dort fcheidet ein
PIERRE-JEAN DAVID D'ANGERS.
der MeiRer KirRein und Ohnmacht, ging dann über Karlsruhe, Heidelberg, Frank-
furt und Mainz den Rhein hinunter nach Bonn und Köln; dann nach Berlin, wo
er längere Zeit mit Rauch verkehrte, deffen BüRe damals im Atelier des Bild-
hauers felbR entRand, während Friedrich Tieck dagegen die Davids fertigte. Mit
Rauch und Schinkel, deffen Mufeumsbau feinen vollen Beifall fand, befuchte er das
Grabmal der Königin Louife in Charlottenburg, in Tegel den alten Wilhelm von
Humboldt, deffen Antlitz fchon von der Hand des nahenden Todes berührt war.
Von Berlin zogen Re weiter nach Dresden, wo die Maler Vogel v. VogelRein,
Friedrich, Moritz Retzfeh und der Bildhauer ErnR Rietfchel, vor allem aber
Ludwig Tieck das Intereffe des franzöftfehen KünRlers erregten, der Reh nicht
begnügte eine grofse BüRe des Dichters zu modelliren, fondern ihn nochmals in
ganzer Figur Rtzend in kleinem MafsRab darRellte. In Weimar begrüfst er voll
wehmüthiger Erinnerung das Haus Goethe's, der ihm damals beim Abfchied fo
Rcher zugerufen: »wir müffen uns wiederfehn!" Nürnberg und München fahen
die Reifenden nur Rüchtig, zumal da Re beide erkrankten und in aller Eile über
Stuttgart heimkehren mufsten.
Aufser den Bildniffen feiner Frau und feines Knaben, die befonders liebevoll
ausgeführt unter den Medaillons erfcheinen, gewährt ein Marmorwerk des MeiRers
einen traulichen Einblick in fein häusliches Glück: das Kind mit der Traube. Sein
dreijähriger Sohn Robert iR es, der auf den Fufsfpitzen Rehend eine Rebe herab-
zieht und mit offenem Mäulchen nach einer Traube fchnappt. Der ganze kleine
Körper reckt Reh und Rreckt Reh der füfsen Frucht entgegen und fpricht wie
Mund und Augen die naive Stärke des Verlangens aus. Ebenfo wahr iR die
Behandlung des kindlichen Leibes, deffen langer Rumpf etwas vorstehender
Bauch und kurze Beine ganz dem Alter entfprechen. Natürlich bedurfte es der
ungewöhnlichen Gefchicklichkeit, der genauen Kenntnifs und feinen Beobachtung
Davids, um dem einfachen Vorwurf künRlerifche Bedeutung zu leihen.
Indeffen ruhten die Werke nationaler KunR im Atelier des MeiRers nicht.
Eine wichtige Arbeit diefer Zeit Rnd die Skulpturen an der Aufsenfeite des Tho-
res von Marseille, dort wo die Strafse von Aix mündet. Zu beiden Seiten Rnd
Trophäen aufgethürmt mit der Siegesgöttin vorn, die das eine Mal mit der Spitze
des Bajonnets den Sieg bei Fleurus verzeichnet, das andre Mal mit Rolzem Blick
vor dem Namen Heliopolis ausruht. Darüber fchildern Reliefs, zur Rechten wie
Jourdan den Degen des Marfchalls von Sachfen ablehnt, zur Linken Klebers Sieg
über Aegypten. Das HauptRück iR das Relief unter dem Bogen felbR, welches
den Abfchied der Freiwilligen darRellt, in dreifsig GeRalten wdie Reingewordne
Marfeillaife«. Die GeRalt des Vaterlandes Rreckt Rtzend die Arme aus gegen
ihre Kinder; die mütterliche Haltung, der Ausdruck gebieterifchen Flehens auf
ihren Zügen, erklären die Allmacht ihres Wortes. Frauen zunächR bringen ihren
Schmuck, ihre Brautgefchenke herbei; hinter ihnen die Söhne greifen verlangend
nach den Waffen. Ein junger Soldat breitet die Arme aus gegen das Vaterland,
ein Seemann wetzt fein Meffer auf dem Stein, ein Greis führt feine drei Söhne
herbei; der erRe grüfst bereits militärifch, der zweite entblöfst das Haupt vor
der Göttin, der jüngRe hängt voll kindlicher Zärtlichkeit an den runzligen Wangen
des Greifes, der die Thränen nicht zurückzuhalten vermag. Dort fcheidet ein