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FRANgOIS RÜDE.
weitem übertrift, fondern auch grofse Vorzüge enthält, die man freilich nur be-
greift, wenn man lieh vollfländig auf den nationalen franzöhfchen Standpunkt
feilt. Auch Guftav Planche hat unmittelbar nach der Enthüllung der Reliefs
das Werk Rüdes noch am mildeflen beurtheilt. uDer Abmarfch Rüdes«, fagt er,
^erinnert im Stil der Hauptfiguren an die offianifchen Kompofitionen Girodets;
es fleckt Energie und Begeiferung in der Bewegung der Figuren, aber zu gleicher
Zeit auch viel Manier. Was den Genius des Krieges betrifft, der den Alarmruf
erfchallen läfst und mit der Spitze feines Schwertes auf den Feind weift, fo ift
es mir unmöglich, darin etwas Anderes zu fehen als eine Dame der Hallen, die
der Zorn erficht und deren unartikulirtes Gefchrei Niemand ermuthigen kann.
Bu* häfslicher aufgeriffener Mund if unedel, ohne furchterregend zu fein. Das
Auseinanderfpreizen der Schenkel würde fch vielleicht eher für eine Kunfreiterin
von Franconi fchicken, hat aber jedenfalls nichts Ideales und Himmlifches an
fleh. Wenn das der Genius des Krieges if, fo fnd die Strafsen von Paris voll
von folchen Genien. Es if nicht nöthig, dafs Figuren, denen man überall be-
gegnet, in Marmor nachgebildet werden; ein Fifchweib, welches fch heifer
fchreit und die Mütze und die Haare ihrer Gegnerin bedroht, hat ganz ebenfo-
viel Gröfse und Würde wie der Genius des Krieges von Rüde. Und dennoch
müffen wir zugefehen, dafs die Trophäe Rüdes die befe der vier if. Sie if von
der ernfen Abfcht erfüllt, gut und einfach zu arbeiten. Ohne diefen unglück-
lichen Genius, welchen das ftigfame Modellirholz Rüdes niemals hätte in An-
griff nehmen follen, würde der ^Abmarfch« eine vernünftige und wohlangeordnete
Kompof tion fein. Es wird uns freilich fchwer zu begreifen, warum bei mehreren
der zur Finken des Befchauers angebrachten Figuren die Arme und die Beine
halb in den Stein hineingehen, fo dafs fe eigentlich weder Flachrelief noch ganz
erhabene Arbeit fnd. Aber diefes wenn auch fehr tadelnswerthe Detail würde
nicht alle Augen verletzen und das allgemeine Verdienf des Werkes nicht be-
einträchtigen. Rüde if feinen Antecedentien treu geblieben. Er hat Korrektheit
und Reinheit gezeigt; von ihm Kraft der Erfindung, Gröfse, Idealität zu verlangen,
das würde zu anfpruchsvoll fein, und was uns betrifft, fo gef ehen wir, dafs er
unfere Erwartungen übertroffen hat.« Diefes in verfchiedenen Punkten ungünfige
Urthcil, auf welches die Politik vielleicht nicht ganz ohne Einfufs geblieben if,
hat fch in Frankreich lange Zeit erhalten und auch in deutfehe Bücher ver-
pfanzt. So fagt Fübke in feiner »Gefchichte der Plafik« im Wefentlichen über-
einfimmend: nAbgefehen von dem wirr Gedrängten der Anlage if die maffve,
über der feurig belebten Männergruppe fchwebende Bellona mit häfslich zum
Schreien aufgeriffenem Munde trotz ihres grofsen Flügelpaares fchreitend dar-
gefellt, fo dafs fe völlig wie ein gefpreizt auf zwei Pferden fehender Kunf-
reiter erfcheint.« Dafs die Kompof tion trotz ihrer beträchtlichen Höhe von
zwölf Metern einen zu gedrängten und wirren Eindruck macht, läfst fch nicht
befreiten. Aber auf der anderen Seite wird durch das Zufammendrängen der
Figuren die Bewegung der Maffen, der unwiderfehliche Anfurm der republi-
kanifchen Begeif erung trefflich zum Ausdruck gebracht. Die weit ausfehreitende
Kriegsgöttin if häfslich, wenn man in die Details eingeht. Aber als Ganzes be-
trachtet if fe doch von hinreifsender Wirkung, und fe erfcheint uns fofort in
FRANgOIS RÜDE.
weitem übertrift, fondern auch grofse Vorzüge enthält, die man freilich nur be-
greift, wenn man lieh vollfländig auf den nationalen franzöhfchen Standpunkt
feilt. Auch Guftav Planche hat unmittelbar nach der Enthüllung der Reliefs
das Werk Rüdes noch am mildeflen beurtheilt. uDer Abmarfch Rüdes«, fagt er,
^erinnert im Stil der Hauptfiguren an die offianifchen Kompofitionen Girodets;
es fleckt Energie und Begeiferung in der Bewegung der Figuren, aber zu gleicher
Zeit auch viel Manier. Was den Genius des Krieges betrifft, der den Alarmruf
erfchallen läfst und mit der Spitze feines Schwertes auf den Feind weift, fo ift
es mir unmöglich, darin etwas Anderes zu fehen als eine Dame der Hallen, die
der Zorn erficht und deren unartikulirtes Gefchrei Niemand ermuthigen kann.
Bu* häfslicher aufgeriffener Mund if unedel, ohne furchterregend zu fein. Das
Auseinanderfpreizen der Schenkel würde fch vielleicht eher für eine Kunfreiterin
von Franconi fchicken, hat aber jedenfalls nichts Ideales und Himmlifches an
fleh. Wenn das der Genius des Krieges if, fo fnd die Strafsen von Paris voll
von folchen Genien. Es if nicht nöthig, dafs Figuren, denen man überall be-
gegnet, in Marmor nachgebildet werden; ein Fifchweib, welches fch heifer
fchreit und die Mütze und die Haare ihrer Gegnerin bedroht, hat ganz ebenfo-
viel Gröfse und Würde wie der Genius des Krieges von Rüde. Und dennoch
müffen wir zugefehen, dafs die Trophäe Rüdes die befe der vier if. Sie if von
der ernfen Abfcht erfüllt, gut und einfach zu arbeiten. Ohne diefen unglück-
lichen Genius, welchen das ftigfame Modellirholz Rüdes niemals hätte in An-
griff nehmen follen, würde der ^Abmarfch« eine vernünftige und wohlangeordnete
Kompof tion fein. Es wird uns freilich fchwer zu begreifen, warum bei mehreren
der zur Finken des Befchauers angebrachten Figuren die Arme und die Beine
halb in den Stein hineingehen, fo dafs fe eigentlich weder Flachrelief noch ganz
erhabene Arbeit fnd. Aber diefes wenn auch fehr tadelnswerthe Detail würde
nicht alle Augen verletzen und das allgemeine Verdienf des Werkes nicht be-
einträchtigen. Rüde if feinen Antecedentien treu geblieben. Er hat Korrektheit
und Reinheit gezeigt; von ihm Kraft der Erfindung, Gröfse, Idealität zu verlangen,
das würde zu anfpruchsvoll fein, und was uns betrifft, fo gef ehen wir, dafs er
unfere Erwartungen übertroffen hat.« Diefes in verfchiedenen Punkten ungünfige
Urthcil, auf welches die Politik vielleicht nicht ganz ohne Einfufs geblieben if,
hat fch in Frankreich lange Zeit erhalten und auch in deutfehe Bücher ver-
pfanzt. So fagt Fübke in feiner »Gefchichte der Plafik« im Wefentlichen über-
einfimmend: nAbgefehen von dem wirr Gedrängten der Anlage if die maffve,
über der feurig belebten Männergruppe fchwebende Bellona mit häfslich zum
Schreien aufgeriffenem Munde trotz ihres grofsen Flügelpaares fchreitend dar-
gefellt, fo dafs fe völlig wie ein gefpreizt auf zwei Pferden fehender Kunf-
reiter erfcheint.« Dafs die Kompof tion trotz ihrer beträchtlichen Höhe von
zwölf Metern einen zu gedrängten und wirren Eindruck macht, läfst fch nicht
befreiten. Aber auf der anderen Seite wird durch das Zufammendrängen der
Figuren die Bewegung der Maffen, der unwiderfehliche Anfurm der republi-
kanifchen Begeif erung trefflich zum Ausdruck gebracht. Die weit ausfehreitende
Kriegsgöttin if häfslich, wenn man in die Details eingeht. Aber als Ganzes be-
trachtet if fe doch von hinreifsender Wirkung, und fe erfcheint uns fofort in