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ASMUS JAKOB CARSTENS.
künhlerifchen Elemente, die hch in ihnen vereinigen, immer leicht zu behimmen,
das periodifche Vor walten des einen vor den andern deutlich erkennbar; niemals
aber treten he nur fporadifch, nirgends inAeufserlichkeiten der Formgebung hervor;
überall vielmehr gewahrt man, wie die Phantahe des Künftlers diefe Elemente
innerlich verarbeitet und den Formentypus der Vorbilder aus dem Gedanken,
dem geihigen Motiv der Darheilung gleichfam von Neuem erzeugt hat, fo dafs
er den Charakter innerer Nothwendigkeit trägt. Die klafhfche Formenfprache
erfcheint durchweg als der Ausdruck einer wahren Empfindung; entbehrt he auch
der künhlerifchen Vollendung, fo ih he doch frei von. jeder Affektation, von
jeder Spur des Phrafenhaften, Alles ih echt, die Werke haben Stil.
Ueber die Arbeiten, die Carhens von Rom nach Berlin fandte, wo he aus-
gehellt wurden, fchrieb ihm ein dortiger Freund, ohne Zweifel der Architekt
Genelli, einen Brief voll begeiherten Fobes; fchier überfchwänglich im Ausdruck,
fagt diefer Brief doch deutlich, was in den Arbeiten einen fo tiefen Eindruck
machte — dafs es vor Allem die Wahrheit der künhlerifchen Emphndung war,
worauf ihre Wirkung beruhte, «Weifst Du", fchreibt jener Freund, «was mir in
Deinen Bildern am meihen gefällt? Es ih, bei der Ruhe der Scenen felbh, die
individuelle, im Stillen thätige Seelenkraft charakterihifch überall wirken zu fehen.
Jede Gehalt ih fo unbekümmert über hch, fo ganz einig mit fich, dafs man fühlt:
dies hnd wahre Menfchen, und der Gedanke drängt hch unmittelbar auf, dafs,
wenn es für den Alexander ein Glück gewefen wäre, einen Sänger zu hnden, wie
Homer, es ein ungleich gröfseres Glück für diefen fein würde, endlich einen Maler
zu hnden, der, wie Du, mein Asmus, fo rein ihn fühlt, fo erhaben in feiner
heroifchen Einfachheit und Unbefangenheit ihn darhellt. -O male den ganzen unherb-
lichen Homer und werde felbh unherblich ! wenighens die nicht feltenen, ruhigeren
Scenen; Du bih dazu geboren, das innige Grofsgefühl, das Homer feinen Göttern
und Helden gibt, das überhaupt dem Alterthum eigen ih, grofs und innig nach-
zufühlen, auszufühlen und lebendig darzuhellen."
Die erhe Kompohtion, die Carhens in Rom, wenige Monate nach feiner
Ankunft, vollendete, war eine Umarbeitung der «Argonauten bei Chiron", jener
Zeichnung, die er in der letzten Zeit feines Berliner Aufenthalts entworfen hatte.
Vergleicht man beide Kompohtionen, die hinhchtlich ihrer Enthehung durch einen
fo kurzen Zeitraum getrennt hnd, fo erfcheint der künhlerifche Fortfehritt in der
zweiten überrafchend. Rom hatte fchnell gewirkt; der Stil der Zeichnung er-
fcheint ungleich gröfser und freier, der Charakter der Hauptfiguren heldenhafter
und hrenger im Geih der Antike. Das Ganze ih, auch in der reliefartigen An-
ordnung der Gehalten, vorwiegend plahifch gedacht.
In den meihen übrigen Arbeiten der römifchen Zeit hnd gleichfalls antike
Stoffe behandelt; gegen die Wahl derfelben kann man hier und da Bedenken
haben. Zuweilen ward Carhens auch damals noch durch feine poetifche Lektüre
zur Schilderung von Scenen verleitet, die zur bildlichen Darheilung wenig geeignet
hnd, weil hch gerade das, worin ihre Hauptwirkung ruht, dem bildlichen Aus-
druck entzieht. Die Sophokleifche Scene, wo Oedipus durch die Erzählung des
Boten aus Korinth auf die Entdeckung feiner frevelhaften Ehe mit Jokahe geführt
wird, hat ihre Wirkung nur in dem erfchütternden Vorgang diefer Entdeckung, in
ASMUS JAKOB CARSTENS.
künhlerifchen Elemente, die hch in ihnen vereinigen, immer leicht zu behimmen,
das periodifche Vor walten des einen vor den andern deutlich erkennbar; niemals
aber treten he nur fporadifch, nirgends inAeufserlichkeiten der Formgebung hervor;
überall vielmehr gewahrt man, wie die Phantahe des Künftlers diefe Elemente
innerlich verarbeitet und den Formentypus der Vorbilder aus dem Gedanken,
dem geihigen Motiv der Darheilung gleichfam von Neuem erzeugt hat, fo dafs
er den Charakter innerer Nothwendigkeit trägt. Die klafhfche Formenfprache
erfcheint durchweg als der Ausdruck einer wahren Empfindung; entbehrt he auch
der künhlerifchen Vollendung, fo ih he doch frei von. jeder Affektation, von
jeder Spur des Phrafenhaften, Alles ih echt, die Werke haben Stil.
Ueber die Arbeiten, die Carhens von Rom nach Berlin fandte, wo he aus-
gehellt wurden, fchrieb ihm ein dortiger Freund, ohne Zweifel der Architekt
Genelli, einen Brief voll begeiherten Fobes; fchier überfchwänglich im Ausdruck,
fagt diefer Brief doch deutlich, was in den Arbeiten einen fo tiefen Eindruck
machte — dafs es vor Allem die Wahrheit der künhlerifchen Emphndung war,
worauf ihre Wirkung beruhte, «Weifst Du", fchreibt jener Freund, «was mir in
Deinen Bildern am meihen gefällt? Es ih, bei der Ruhe der Scenen felbh, die
individuelle, im Stillen thätige Seelenkraft charakterihifch überall wirken zu fehen.
Jede Gehalt ih fo unbekümmert über hch, fo ganz einig mit fich, dafs man fühlt:
dies hnd wahre Menfchen, und der Gedanke drängt hch unmittelbar auf, dafs,
wenn es für den Alexander ein Glück gewefen wäre, einen Sänger zu hnden, wie
Homer, es ein ungleich gröfseres Glück für diefen fein würde, endlich einen Maler
zu hnden, der, wie Du, mein Asmus, fo rein ihn fühlt, fo erhaben in feiner
heroifchen Einfachheit und Unbefangenheit ihn darhellt. -O male den ganzen unherb-
lichen Homer und werde felbh unherblich ! wenighens die nicht feltenen, ruhigeren
Scenen; Du bih dazu geboren, das innige Grofsgefühl, das Homer feinen Göttern
und Helden gibt, das überhaupt dem Alterthum eigen ih, grofs und innig nach-
zufühlen, auszufühlen und lebendig darzuhellen."
Die erhe Kompohtion, die Carhens in Rom, wenige Monate nach feiner
Ankunft, vollendete, war eine Umarbeitung der «Argonauten bei Chiron", jener
Zeichnung, die er in der letzten Zeit feines Berliner Aufenthalts entworfen hatte.
Vergleicht man beide Kompohtionen, die hinhchtlich ihrer Enthehung durch einen
fo kurzen Zeitraum getrennt hnd, fo erfcheint der künhlerifche Fortfehritt in der
zweiten überrafchend. Rom hatte fchnell gewirkt; der Stil der Zeichnung er-
fcheint ungleich gröfser und freier, der Charakter der Hauptfiguren heldenhafter
und hrenger im Geih der Antike. Das Ganze ih, auch in der reliefartigen An-
ordnung der Gehalten, vorwiegend plahifch gedacht.
In den meihen übrigen Arbeiten der römifchen Zeit hnd gleichfalls antike
Stoffe behandelt; gegen die Wahl derfelben kann man hier und da Bedenken
haben. Zuweilen ward Carhens auch damals noch durch feine poetifche Lektüre
zur Schilderung von Scenen verleitet, die zur bildlichen Darheilung wenig geeignet
hnd, weil hch gerade das, worin ihre Hauptwirkung ruht, dem bildlichen Aus-
druck entzieht. Die Sophokleifche Scene, wo Oedipus durch die Erzählung des
Boten aus Korinth auf die Entdeckung feiner frevelhaften Ehe mit Jokahe geführt
wird, hat ihre Wirkung nur in dem erfchütternden Vorgang diefer Entdeckung, in