EINLEITUNG.
leichtelte« gelehrt werden follen. Die vorgefchrittneren Schüler follen fodann
»nach der Natur zeichnen« , aufserdem wolle man wverfchiedene Köpfe um alle
Passiones kennen zu lernen, auch mit Gewänden bekleidete Figuren und dies in
mancherlei Wendung aufltellen, mithin alle Bewegung und Verrichtung des
mcnfchlichen Körpers Itudiren. Und weilen man bei Anfängern fonderheitlich
überall die Regeln zu Grunde zu legen hat, fo wird in den Lehrflunden jedesmal
der Akademifle, an dem die Reihe der Information ilt, folche auf das getreuelte
angeben und anbei die Lernenden noch überdies auf die bellen Bücher ver-
weifen, damit he diefe Kenntnifs nicht fo oben hin und fuperhciel fondern nach
den wahren principiis erlernen, und gleichfam von jedem Strich und Zug hin-
längliche Rechcnfchaft anzugeben willen.« Bewufstes Befolgen von Regeln und
Einfchnüren jeder felbltändigen Regung in eine behimmt vorgezeichnete Emphn-
dungsweife, welcher für den Ausdruck jeder der wPassiones« eine ganz beflimmte
Form zur Verfügung Fand, das lind die Grundlagen, aus welchen jene unwahre,
gefpreizte, hohle Malerei hervorging, deren einziges Verdient! ein nicht geringer
Grad von Technik ilt und von welcher einer der bedeutenderen Vertreter, Tifch-
bein, fagen konnte, er wilfe wohl wie, aber nicht was er malen folle. (Vgl. Hagen,
Die deutfche Kunlt in unterem Jahrhundert I. S. 9). Da war es in der That auch
hier Zeit, dafs ein neuer Inhalt erhrebt wurde, damit die Malerei wieder Ge-
halt bekäme und aufhörte, ein Spiel mit leeren Formen zu fein. Das Verdient!
aber, darauf hingewiefen und der Kunlt die Mittel und Wege an die Hand ge-
geben zu haben, dies kommt der Wiffenfchaft zu, welche auch hier vorher die
Forderungen feltltellt, ehe durch die Kunlt felblt die Erfüllung gebracht wird.
Und zwar ilt es derfelbe Mann, welcher die Poelie vom Joch der fremden
Regeln befreite, der auch hier das erlöfende Wort fprieht, indem er als Aufgabe
der bildenden Kunlt die durch Körper ausgedrückte Handlung im Augenblick
des fruchtbaren Momentes hinltellte und durch feine radikale Einfeitigkeit Land-
fchaft, Genrebild und Porträt von den werthvollen Leiltungen der Malerei aus-
fchlofs. Und neben Lefhng tritt Winckelmann, welcher zu der theoretifchen Be-
weisführung die praktifche Forderung der Nachahmung nicht etwa der Natur
felblt — dazu ilt er noch zu viel Kind feiner Zeit — fondern der die Natur in
ihrem idealen Zultand darltellenden Griechen fügte und fchon dadurch den
menfchlichen Körper in den Vordergrund der abzubildenden Gegenltände rückte,
während er durch feine begeilterte Hochfchätzung des nackten Körpers und
feiner natürlichen Schönheit die unwahre manierirte Auhaffung delfelben, wie he
damals in der praktifch wirkenden Kunlt noch allgemein üblich war, aus dem
Felde fchlug. Beide aber gemeinfchaftlich priefen als das Wichtiglte den Kon-
tur, die Zeichnung, und betrachteten das Kolorit als das Nebenfächliche, ja
Hinderliche. Galt aber die Zeichnung als Hauptfache, fo war die naturgemäfse
Folge die, dals der Hauptwerth auf die Kompohtion gelegt wurde, die ihrerfeits
einen bedeutenden Inhalt erforderte, um auch fchon als Zeichnung genügen zu
können. So drängt diefer Gedankengang auch die bildende Kunlt darauf hin,
einen bedeutfamen Inhalt zu fuchen, der um feiner felblt willen intereflirte, der
den Künltler dazu zwänge das Hauptgewicht auf die Kompohtion zu legen, der
aber auch, fobald er nur deutlich in ihr erfcheine, he als den wefentlichen Be-
leichtelte« gelehrt werden follen. Die vorgefchrittneren Schüler follen fodann
»nach der Natur zeichnen« , aufserdem wolle man wverfchiedene Köpfe um alle
Passiones kennen zu lernen, auch mit Gewänden bekleidete Figuren und dies in
mancherlei Wendung aufltellen, mithin alle Bewegung und Verrichtung des
mcnfchlichen Körpers Itudiren. Und weilen man bei Anfängern fonderheitlich
überall die Regeln zu Grunde zu legen hat, fo wird in den Lehrflunden jedesmal
der Akademifle, an dem die Reihe der Information ilt, folche auf das getreuelte
angeben und anbei die Lernenden noch überdies auf die bellen Bücher ver-
weifen, damit he diefe Kenntnifs nicht fo oben hin und fuperhciel fondern nach
den wahren principiis erlernen, und gleichfam von jedem Strich und Zug hin-
längliche Rechcnfchaft anzugeben willen.« Bewufstes Befolgen von Regeln und
Einfchnüren jeder felbltändigen Regung in eine behimmt vorgezeichnete Emphn-
dungsweife, welcher für den Ausdruck jeder der wPassiones« eine ganz beflimmte
Form zur Verfügung Fand, das lind die Grundlagen, aus welchen jene unwahre,
gefpreizte, hohle Malerei hervorging, deren einziges Verdient! ein nicht geringer
Grad von Technik ilt und von welcher einer der bedeutenderen Vertreter, Tifch-
bein, fagen konnte, er wilfe wohl wie, aber nicht was er malen folle. (Vgl. Hagen,
Die deutfche Kunlt in unterem Jahrhundert I. S. 9). Da war es in der That auch
hier Zeit, dafs ein neuer Inhalt erhrebt wurde, damit die Malerei wieder Ge-
halt bekäme und aufhörte, ein Spiel mit leeren Formen zu fein. Das Verdient!
aber, darauf hingewiefen und der Kunlt die Mittel und Wege an die Hand ge-
geben zu haben, dies kommt der Wiffenfchaft zu, welche auch hier vorher die
Forderungen feltltellt, ehe durch die Kunlt felblt die Erfüllung gebracht wird.
Und zwar ilt es derfelbe Mann, welcher die Poelie vom Joch der fremden
Regeln befreite, der auch hier das erlöfende Wort fprieht, indem er als Aufgabe
der bildenden Kunlt die durch Körper ausgedrückte Handlung im Augenblick
des fruchtbaren Momentes hinltellte und durch feine radikale Einfeitigkeit Land-
fchaft, Genrebild und Porträt von den werthvollen Leiltungen der Malerei aus-
fchlofs. Und neben Lefhng tritt Winckelmann, welcher zu der theoretifchen Be-
weisführung die praktifche Forderung der Nachahmung nicht etwa der Natur
felblt — dazu ilt er noch zu viel Kind feiner Zeit — fondern der die Natur in
ihrem idealen Zultand darltellenden Griechen fügte und fchon dadurch den
menfchlichen Körper in den Vordergrund der abzubildenden Gegenltände rückte,
während er durch feine begeilterte Hochfchätzung des nackten Körpers und
feiner natürlichen Schönheit die unwahre manierirte Auhaffung delfelben, wie he
damals in der praktifch wirkenden Kunlt noch allgemein üblich war, aus dem
Felde fchlug. Beide aber gemeinfchaftlich priefen als das Wichtiglte den Kon-
tur, die Zeichnung, und betrachteten das Kolorit als das Nebenfächliche, ja
Hinderliche. Galt aber die Zeichnung als Hauptfache, fo war die naturgemäfse
Folge die, dals der Hauptwerth auf die Kompohtion gelegt wurde, die ihrerfeits
einen bedeutenden Inhalt erforderte, um auch fchon als Zeichnung genügen zu
können. So drängt diefer Gedankengang auch die bildende Kunlt darauf hin,
einen bedeutfamen Inhalt zu fuchen, der um feiner felblt willen intereflirte, der
den Künltler dazu zwänge das Hauptgewicht auf die Kompohtion zu legen, der
aber auch, fobald er nur deutlich in ihr erfcheine, he als den wefentlichen Be-