So
TASSO'S DICHTUNG.
giöfen Ideale wieder ins Leben geführt werden. So verlangt Taffo in feinen
Discorf über die Dichtkunf, in welchen er lieh erft theoretifch über die Auf-
gabe eines epifchen Gedichtes klar zu werden fuchte, ehe er an die praktifche
Ausführung feines in bewufsten Gegenfatz zur bisherigen Epik in Italien treten-
den Hauptwerkes ging, ausdrücklich, dafs der Stoff des Epos eines chrifUichen
Dichters nur ein chrifUicher oder hebräifcher fein könne; jedoch dürfe er der
heiligen Gefchichte felbfl nicht entnommen fein, da es ruchlos fei, an ihr zum
Gebrauche der Dichtkunfl etwas zu ändern. Bei einer folchen Forderung und
Stimmung konnte der Dichter allerdings zu keinem geeigneteren Stoffe greifen
als zu den Kreuzzügen, deren erfter wiederum allein die Erreichung des Zieles
und den darum geführten Kampf wenigflens in der Hauptperfon in dem Glanze
heiliger Begeiferung und ungefchwächter Erhabenheit und Gröfse darbot. Zu-
gleich aber konnte er den anderen Forderungen Taffos entfprechen. Er bot
eine Reihe ritterlicher Gehalten, welche fleh vortrefflich dazu eigneten, den Stoff
mit den fchönflen Ausfchmückungen zu bekleiden. Er bot aber auch reiche
Gelegenheit um der romantifchen Neigung für Wunder Gottes und der Zauberei,
an deren Wirklichkeit Taffo mit dem ganzen Mittelalter keinen Augenblick
zweifelte, freien Spielraum zu gewähren, fo dafs der ernfle, wefentlich religiös
gefärbte Stoff für die an leichtere Schöpfungen gewöhnten Hörer und Lefer
fchmackhaft gemacht wurde. In feiner Abgefchloffenheit entfprach er aber
endlich der nicht minder wichtigen Forderung des Aeflhetikers Taffo, dafs er
ein in fleh abgefchloffenes Ganzes ermöglichte, wie es jedes gute Gedicht, über-
haupt jedes Kunflwerk fein foll. Das Hauptereignifs, die Eroberung Jerufalems,
dient daher nicht nur als äufserer Rahmen, als Vorwand, um eine Fülle von
Abenteuern einzuführen, es iff vielmehr auch der Hauptgegenfland der Dar-
flellung, das, an deffen glücklicher Erfüllung das Herz des Dichters felbfl mit
Begeiferung hängt. Die Abenteuer find nur Zuthaten, gleichfam Abfchlags-
zahlungen an den Gefchmack des Publikums, welche den Gang des Gedichtes
zwar fcheinbar aufhalten können, die aber dennoch nie aufser dem innigfen
Zufammenhang mit dem Ziele des Ganzen fehen und fleh diefem dienend unter-
ordnen. Demgemäfs if auch der Fortfehritt der Erzählung ein außerordentlich
klarer. Seine Verarbeitung zu bildlicher Darfellung bot daher in keiner Weife
folche Schwierigkeiten wie Ariofs labyrinthifche Dichtung. Eben darum aber
war für diefen Dichter Overbeck der rechte Mann: fo poetifch feine Aufaffungs-
weife im Einzelnen war, fo wenig reichte feine dichterifche Kraft aus, eine felb-
fändige Schöpfung cyklifcher Art zu fchaffen, wenn er nicht gebahnten Pfaden
folgen konnte. Zudem aber fimmt zu Overbecks Aufaffungsweife der religiöfe Fa-
natismus Taffos ganz vortrefflich, zumal da er dem Künfler gleichfam die Anregung
gab, auch die Nebenhandlungen im Lichte kirchlicher Symbolik zu betrachten
und fe fo aus der flnnlichfchönen in die religiösflttliche Sphäre zu erheben.
Nur unter diefem Gefichtspunkte konnten manche Scenen geduldet werden, die,
für fleh genommen und einfach als das aufgefafst und dargefellt, was fe fnd,
vor des Künflers Auge keine Gnade gefunden hätten. So ergaben fch für die
bildliche Darfellung naturgemäfs zwei Kreife. Der eine fchildert epifch die
Ereigniffe in freng hiforifcher Folge, dem Gange des Gedichtes genau folgend,
TASSO'S DICHTUNG.
giöfen Ideale wieder ins Leben geführt werden. So verlangt Taffo in feinen
Discorf über die Dichtkunf, in welchen er lieh erft theoretifch über die Auf-
gabe eines epifchen Gedichtes klar zu werden fuchte, ehe er an die praktifche
Ausführung feines in bewufsten Gegenfatz zur bisherigen Epik in Italien treten-
den Hauptwerkes ging, ausdrücklich, dafs der Stoff des Epos eines chrifUichen
Dichters nur ein chrifUicher oder hebräifcher fein könne; jedoch dürfe er der
heiligen Gefchichte felbfl nicht entnommen fein, da es ruchlos fei, an ihr zum
Gebrauche der Dichtkunfl etwas zu ändern. Bei einer folchen Forderung und
Stimmung konnte der Dichter allerdings zu keinem geeigneteren Stoffe greifen
als zu den Kreuzzügen, deren erfter wiederum allein die Erreichung des Zieles
und den darum geführten Kampf wenigflens in der Hauptperfon in dem Glanze
heiliger Begeiferung und ungefchwächter Erhabenheit und Gröfse darbot. Zu-
gleich aber konnte er den anderen Forderungen Taffos entfprechen. Er bot
eine Reihe ritterlicher Gehalten, welche fleh vortrefflich dazu eigneten, den Stoff
mit den fchönflen Ausfchmückungen zu bekleiden. Er bot aber auch reiche
Gelegenheit um der romantifchen Neigung für Wunder Gottes und der Zauberei,
an deren Wirklichkeit Taffo mit dem ganzen Mittelalter keinen Augenblick
zweifelte, freien Spielraum zu gewähren, fo dafs der ernfle, wefentlich religiös
gefärbte Stoff für die an leichtere Schöpfungen gewöhnten Hörer und Lefer
fchmackhaft gemacht wurde. In feiner Abgefchloffenheit entfprach er aber
endlich der nicht minder wichtigen Forderung des Aeflhetikers Taffo, dafs er
ein in fleh abgefchloffenes Ganzes ermöglichte, wie es jedes gute Gedicht, über-
haupt jedes Kunflwerk fein foll. Das Hauptereignifs, die Eroberung Jerufalems,
dient daher nicht nur als äufserer Rahmen, als Vorwand, um eine Fülle von
Abenteuern einzuführen, es iff vielmehr auch der Hauptgegenfland der Dar-
flellung, das, an deffen glücklicher Erfüllung das Herz des Dichters felbfl mit
Begeiferung hängt. Die Abenteuer find nur Zuthaten, gleichfam Abfchlags-
zahlungen an den Gefchmack des Publikums, welche den Gang des Gedichtes
zwar fcheinbar aufhalten können, die aber dennoch nie aufser dem innigfen
Zufammenhang mit dem Ziele des Ganzen fehen und fleh diefem dienend unter-
ordnen. Demgemäfs if auch der Fortfehritt der Erzählung ein außerordentlich
klarer. Seine Verarbeitung zu bildlicher Darfellung bot daher in keiner Weife
folche Schwierigkeiten wie Ariofs labyrinthifche Dichtung. Eben darum aber
war für diefen Dichter Overbeck der rechte Mann: fo poetifch feine Aufaffungs-
weife im Einzelnen war, fo wenig reichte feine dichterifche Kraft aus, eine felb-
fändige Schöpfung cyklifcher Art zu fchaffen, wenn er nicht gebahnten Pfaden
folgen konnte. Zudem aber fimmt zu Overbecks Aufaffungsweife der religiöfe Fa-
natismus Taffos ganz vortrefflich, zumal da er dem Künfler gleichfam die Anregung
gab, auch die Nebenhandlungen im Lichte kirchlicher Symbolik zu betrachten
und fe fo aus der flnnlichfchönen in die religiösflttliche Sphäre zu erheben.
Nur unter diefem Gefichtspunkte konnten manche Scenen geduldet werden, die,
für fleh genommen und einfach als das aufgefafst und dargefellt, was fe fnd,
vor des Künflers Auge keine Gnade gefunden hätten. So ergaben fch für die
bildliche Darfellung naturgemäfs zwei Kreife. Der eine fchildert epifch die
Ereigniffe in freng hiforifcher Folge, dem Gange des Gedichtes genau folgend,