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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Valentin, Veit: Cornelius, Overbeck, Schnorr, Veit, Führich, 2, Blüthezeit in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0422
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GLYPTOTHEKGEMÄLDE. DER HEROENSAAL.

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Neben diefer unbehreitbaren und das Ganze im wefentlichen gleichmäfsig
beherrfchenden Trefflichkeit der Kompohtion erfcheint die Einzeldurchführung
nicht auf gleicher Höhe. Es macht sich nach zwei Seiten hin eine Ungleich-
mäfsigkeit geltend, in der Geflaltung der Körper und der Gewandung, fowie in
dem für uns moderne Menfchen fo wefentlichen Gehchtsausdruck. Wer erfüllt
von der edlen Durchbildung des antiken Körpers, von der Schönheit und An-
muth der antiken Gewandung, dem hch uns als Stil bemerkbar machenden, auch
im Sturme der Aufregung nicht ganz aulgegebenen Maafshalten, mit ähnlichen
Erwartungen an diefe Schöpfungen herantritt, wird lieh fehr getäufcht fühlen.
Nur in den kleinen Feldern, wie in den Mufcheln, in den Arabeskenfüllungen
des Heldenfaales, befonders aber in den köfllichen Arabesken des Götterfaales,
wird er dem fchönen Maafse begegnen. Je gröfser aber die Felder werden, um
fo mehr regt fich die urwüchhge Schöpferkraft des Meifters, welcher die Tradition
verfchmäht und nach einem Ausdruck für feine mächtigen Empfindungen ringt.
Da findet er feiten den harmonifchen Ausgleich zwifchen überquellender Kraft
und maafsvoller Beherrfchung, der allein zur höchften Schönheit führt. Im Götter -
faal gelingt es noch eher; wo aber, wie im Heldenlaal, der Gegenhand felbh eine
erhöhte Berechtigung zur Kraftentfaltung darbietet, da fcheinen die germanifchen
Recken aufzuwachen und in ihrer ungebändigten Wildheit unter der griechifchen
Maske hervorzubrechen. Dahin gehören vor Allem die Helden im Kampf um
des Patroklos Leiche, der Neoptolemos in der Zerltörung Trojas, zumal in der
urfprünglichen Faffung, wie he auf dem Karton hch findet, während er im Fresco
bereits eine harmonifchere Bewegung erhalten hat. Der Gehchtsausdruck will
dem Meiher aber nur gelingen, wenn er ernhe Ruhe, und noch beffer, wenn er
tiefes Inhchverfunkenfein wiedergeben will, wie in den drei Richtern, in der
dumpf vor hch hinbrütenden, durch das Uebermaals des Schmerzes zur Gefühl-
lohgkeit gebrachten Hekuba, der wir in weit höherem Grade den Preis zuerkennen
möchten, als der vielgepriefenen Kahandra, bei deren erhem Anblick der gerade
auf den Thron gediegene König Ludwig dem Meiher das erhe von ihm ausge-
theilte Kreuz des Civilverdienhordens der bayrifchen Krone verlieh: Cornelius
wurde durch diefen Orden äufserlich in den Adelhand erhoben und hiefs feit-
dem Ritter Peter von Cornelius. Auch wo die heftige Leidenfchaft hervorbricht,
weifs der Meiher den Ausdruck hcher zu treffen, wenn er auch im Realismus
der Wildheit zu weit geht, wie in dem zähnehetfehenden Aias, der den Leichnam
des Patroklos fchützt. Ganz unglücklich aber ih er, wo er Heiterkeit oder
graziöfe Lieblichkeit darhellen will. Die lachenden Göttinnen Hera und Athene
bei der Verwundung des Ares und der Aphrodite find geradezu abhofsend, die
Thetis bei der Vermählung mit Peleus ih geziert, die dem Arion entgegen-
jubelnden Nymphen mindehens nicht anmuthig.
Will man dennoch diefem grofsen Werke gerecht werden, fo mufs man es
in den Kartons hudiren, die zum gröfsten Theil in der Nationalgalerie in Berlin
hch befinden und in ihren bedeutendhen Behandtheilen durch die Photographifche
Gefellfchaft eine vortreffliche Reproduktion in grofsem Formate, in neueher Zeit
auch in handlicherem Heftformat erfahren haben: durch he ih beffer als durch
Stiche, die zudem nur von einzelnen Theilen exihiren und deren mehrfach
 
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