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Dorotheum <Wien> [Hrsg.]
Joseph Freiherr von Dietrich'sche Kunstsammlung: alte Gemälde, Kunstmobiliar, darunter zwei Petit-Point-Garnituren um 1700, ein grosser Brüsseler Bildteppich von Van der Borght, Musikinstrumente, Elfenbeinarbeiten, Serpentin-Gefässe, grosse Porzellanservice, Serie von 10 Mohn-Gläsern, Bronzen, Silber- und Zinnarbeiten; Versteigerung: Montag, den 26. und Dienstag, den 27. November 1923 (Katalog Nr. 344) — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.15757#0013
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44 Vier blaue SEIDENSTREIFEN mit bunter, seidener Applikationsstickerei.

18. Jahrh. 62:54 cm

45 Tournay Velour ZIMMERSPANNTEPPICH, zusammengesetzt, zirka 30 m2.

Beschädigt. Stellenweise mottig.

46 PERSER FERAHAN, blauer Fond, Heratizeidinung, rote Bordüre mit Wappen-
muster. 325 : 445 cm

47 GROSSE TAPISSERIE. Kampfszene aus dem spanischen Erbfolgekriege.
Englisches und holländisches Fußvolk überfällt in einer Waldblöße einen von
französischen und polnischen Reitern gedeckten Warentransport. Breite Bor-
düre, oben ornamentales Wappenschild, unten kriegerische Embleme, in den
Ecken Kartuschen.

Brüssel, um 1710. Manufakturendes Josse de Vos und van der Borght. 432:715 cm
Ein Bildteppich mit derselben Darstellung, nur mit reicherer Bordüre <Kriegstrophäen> und

geringen Varianten in der Landschaft hängt im Audienzzimmer des kgl. Schlosses Schleißheim bei

München in der Serie der sog. »Schlachten Max Emanuels«.

Gleichartige Schlachtentapisserien befinden sich ferner im Münchener Nationalmuseum, im Schlosse

zu Dresden, in Blenheim-Castle u. A. Vergl. Hermann Schmitz, Bildteppiche, S. 256.

Mit Ausnahme kleinerer Beschädigungen an der Bordüre vorzüglich erhalten und von prächtiger

Farbenwirkung.

Der vorliegende Bildteppich wird in dem bei Bruckmann in München vorbereiteten Werke von
Herrmann Schmitz, Meisterwerke der Gobelinmalerei reproduziert werden. Derselbe Ver-
fasser schreibt über diese Folge in seinem Werke, Bildteppiche, Berlin 1922, S. 256f. folgendes:

»Als die großartigste Schöpfung aus dieser letzten Blüteepoche der Brüsseler Manufakturen kann
man die um 1700 bis 1710 von Josse de Vos und van der Borght nach Zeichnungen van der
Meulens gewirkte große Folge von zeitgenössischen Schlachtbildern bezeichnen, deren prächtigste
Ausführung die beiden Gobelinsäle im Schloß zu Schleißheim schmückt. Sie wird dort als Darstellung
der Schlachten Max Emanuels bezeichnet, durch ihn sind sie in Brüssel erworben worden. Einige
zugehörige Stücke, »la Marche«, »le Fouragement«, die Heuernte, die Pferdeweide und eine Seeschladit,
angeblich die Vernichtung der spanischen Silberflotte im Hafen von Vigo 1702 darstellend, sind in das
Münchener Nationalmuseum gelangt. Eine Anzahl derselben Schladitenbilder erwarb im Jahre 1708
August der Starke in Brabant als »fonetions militaires« oder »die Schlachten bei Höchstädt und
Malplaquet« für das kgl. Schloß in Dresden, wo sie sich noch befinden. Eine dritte Ausführung be-
sitzt das Schloß Ivenak in Mecklenburg, darunter auch die Seeschlacht bei Vigo, und eine vierte,
darunter wiederum diese Sdiladit, bewahrt die Bank von Brüssel. Schließlich scheinen hierher auch die
als Lager Malbourought und Prinz Eugens in Blenheim = castle aufbewahrten Teppiche, ein Zug
österreichischer Soldaten in Sdiönbrunn und andere im Handel begegnende Militärszenen zu gehören.

Diese Gruppe von Kampf* und Lagerszenen mit prächtigen Reiterfiguren im Vordergrunde nimmt
ihren Ausgang von den berühmten Sdilachten Ludwigs XIV. aus der Gobelinmanufaktur, die anläßlich
der von Mercier gewirkten Kriege des großen Kurfürsten schon erwähnt wurden. An Stelle der
Lebrunschen Arabeskenbordüren sind hier die Rahmen aus Kriegstrophäen zusammengesetzt. Im Gegen-
satz zu den bunten harten Tönen der Gobelins herrscht eine warme graubraune Gesamtstimmung. Von
dem bräunlichen Erdreich, den dunkelgrünen Busch» und Baumkulissen des Vordergrundes wie von den
weiten, von Sonnenblidcen beleuchteten, mit dem zartgrauen Gewölk des Himmels verschwimmenden
grauweißen Landschaftsfernen heben sich die roten, blauen und violetten Uniformen leuchtend ab. Das
vlämische Element erhebt sich wieder in seiner vollsten Kraft. Trotz der höchstgesteigerten Bildwirkung
ist der dekorative Effekt der Arbeiten der denkbar größte. In den beiden Gobelinsälen des Schleiß*
heimer Schlosses, wo diese herrlichen Textilgemälde in ihrer ursprünglichen Anordnung die Wände
ringsum, auch als abgepaßte »Entre=fenetres« zwischen den Fenstern bededeen, wird dieser Eindrudi
in seltener Stärke gewonnen. Der Zusammenhang der Bildteppiche mit der Wanddekoration erreichte
in diesem Zeitabschnitt den Höhepunkt.

Bei Josse de Vos bestellte um diese Zeit Wilhelm III. von England eine nicht erhaltene Folge
seiner Kriegstaten.«

Siehe Abbildung Tafel VII.

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