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bau gesetzt worden. Nach derZerstörung der
Reihe von Fachwerkhäusern, die vor 1945 an
der Nordflanke des Gewandhauses angebaut
waren, empfand man vor allem die große klaf-
fende Lücke zwischen dem Chor der Martini-
kirche und dem Gewandhauswestgiebel als
störende Fehlstelle in der räumlichen Be-
grenzung des Altstadtmarktes. Man ent-
schloß sich daher in Anlehnung an den frühe-
ren Zustand, hier ein Fachwerkhaus neu zu
errichten.
Das dreigeschossige, zum Altstadtmarkt
traufständige Gebäude verbindet ein in Hau-
stein errichtetes Erdgeschoß mit zwei vorkra-
genden Fachwerkobergeschossen, an denen
Holzteile des „Rüninger Turm“ genannten
Zollhauses verbaut wurden, das, 1643 errich-
tet, an der alten Handelsstraße nach Frankfurt
stand und zur Landwehr der Stadt Braun-
schweig gehörte. Von der alten Fachwerk-
substanz sind vor allem die Zierelemente er-
wähnenswert, die besonders im Bereich der
Vorkragungen an Knaggen, Balkenköpfen,
Füllhölzern und Fußschwellen als reiche Or-
namentschnitzerei auftreten. Die dreieckigen
Fußbänder zeigen ein rankendes, beschlag-
werkartiges Ornament, und die Ständer sind
im unteren Bereich zumeist mit stilisierten
Blumen, im oberen mit einer gedrehten, mit
Perlen wechselnden Schnur geschmückt.
Ebenso wie die Neugestaltung der Gewand-
hausnordseite liegt die Denkmalbedeutung
dieses Hauses in erster Linie in seinem Zeug-
niswert für die Wiederaufbauphase der ersten
Jahre nach dem Kriege.

ALTSTADTMARKT-
NÖRDLICHE RANDBEBAUUNG
Die Schadenskarte der Stadt Braunschweig
von 1945 kartiert die drei Gebäude des nördli-
chen Platzrandes als Totalschäden. Von 1948
bis 1956 entstanden diese drei Wohn-/Ge-
schäftshäuser neu, unterschiedlich stark an
ihren zerstörten Vorgängern orientiert, aber
insgesamt den Vorkriegeszustand reflektie-
rend.
Das sogenannte Stechinelli-Haus (Alstadt-
markt 8), Eckhaus an der Einmündung der
Breiten Straße, ist als das bekannteste und äl-
teste der drei Gebäude in seinen Fassaden
rekonstruiert worden und präsentiert sich
heute nahezu in der äußeren Form von 1690,
als der braunschweigisch-lüneburgische Ge-
neralpostmeister F. M. Capellini gen. Stechi-
nelli das Haus umbauen ließ. An originaler
Bausubstanz hat sich ein steinernes Rundbo-
genportal von ca. 1630 erhalten, das bereits
in dem Umbau von 1690 wiederverwendet
wurde. Es ist besetzt von Masken und Roset-
ten und flankiert von ionisierenden Säulen auf
hohen Piedestalen, die ein kräftiges Gebälk
tragen. Auch die in der Höhe des zweiten
Obergeschosses angebrachten Eckplastiken
stammen noch von dem alten Haus und wur-
den an ihrem ursprünglichen Platz in den re-
konstruierten Bau integriert. Dargestelltistein
springender Löwe und die um 1870 von Ju-
lius Meyer geschaffene Figur eines Bettel-
knaben. Über einer Tür in der Westseite des
Hauses ist das mit Hut und Rosette gefüllte,
1690 datierte Wappen des Stechinelli einge-
lassen.

Altstadtmarkt 9 ist ein ab 1948 in traditioneller
Form wiederaufgebautes Wohn-/Geschäfts-
haus, das nicht nur in der Kubatur den in neu-
romanischen Formen errichteten Vorgänger-
bau des 19. Jh. wiederholt, sondern auch
dessen Fensteranordnung mit einer mittigen
Dreiergruppierung und flankierenden Zwil-
lingsfenstern.
Das erst 1956 wiedererrichtete große Eck-
haus zur Gördelingerstraße, Altstadtmarkt 10,
verwendet betont traditionelle Bauelemente:
Rundbogenarkaden, ein hölzerner Erker un-
ter Glockendach und spitzgieblige Dach-
häuschen sind die Dominanten an diesem
sonst sehr schlichten Bau, diezum Teil und in
abgewandelter Form auch Bestandteile des
historistischen Vorgängerbaus waren.
ALTSTADTMARKT-
ÖSTLICHE RANDBEBAUUNG
Zu dem am Altstadtmarkt vorherrschenden
städtebaulichen Grundtenor der durch For-
menvielfalt individuell gegliederten Fassaden
tragen auf der Ostseite des Platzes heute
noch die Bauten Altstadtmarkt 11 und Alt-
stadtmarkt 12 bei.
Altstadtmarkt 11, das sog. „Haus zu den sie-
ben Türmen“ ist in seinem Kern noch ein Bau
von 1708. Das dreigeschossige, massive und
verputzte Haus mit breitgelagertem Zwerch-
haus hatte nur im Dachbereich leichte Kriegs-
schäden und wurde schon 1946 wieder repa-
riert. Danach sind, bei Modernisierung der La-
deneinbauten im Erdgeschoß, die ursprüng-
lich in einem Tor und vier großen Fenstern
sich öffnenden Rundbögen des Erdgeschos-
ses einheitlich auf Straßeniveau geöffnet wor-
den. Seinen Beinamen „Zu den sieben Tür-
men“ trägt das Haus nach einer Überliefe-
rung, derzufolge die Fassade des mittelalterli-
chen Vorgängerbaues mit sieben Kalkstein-
türmchen geschmückt war, worauf das Relief
im Dreiecksgiebel des Zwerchhauses heute
noch hinweist.

Von dem in den Formen der Neorenaissance
als viergeschossiges Wohn-/Geschäftshaus
errichteten Vorgänger von Alstadtmarkt 12
hat sich das Werksteinportal der Durchfahrt
erhalten, das in den jetzt dreigeschossigen
Wiederaufbau von 1948 integriert ist. Ver-
gleichbar mit Altstadtmarkt 9 wurde die Fas-
sade durch Zusammenfassen der Fenster in
Zweier- und Dreiergruppen rhythmisiert. Mit
der Reduktion der Geschoßzahl von vier auf
drei gegenüber dem Vorgängerbau ist beim
Wiederaufbau die städtebauliche Dominanz
des in der Verlängerung der Sonnenstraße
liegenden Hauses abgeschwächt und die
Traufhöhe auf gleiches Niveau mit dem nörd-
lich anschließenden „Haus zu den sieben
Türmen“ gebracht worden.
SÜDLICHE ALTSTADT
Umfangreichere zusammenhängende Denk-
malzonen gibt es in der südlichen Altstadt
nicht mehr. DergrößereTeil derdenkmalwer-
ten Bausubstanz in diesem Stadtbereich be-
steht aus von Neubauten umgebenen Einze-
lobjekten oder aus Resten von Altbauten, die
in Wiederaufbauten integriert wurden, wie das
um 1600 entstandene Portal des Hauses An
der Martinikirche 1. Der zweigeschossige,
aus Hermenpfeilern und aufrecht stehenden
Löwen aufgebaute Portalrahmen ist ganz aus
Elmkalkstein gearbeitet. Das gesamte Portal
wurde mit seinen beiden bekrönenden Lan-
zenträgern schon 1888 hierher versetzt, als
das Gebäude an der Sonnenstraße, mit dem
es ursprünglich verbunden war, abgerissen
wurde. Von Kriegsschäden weitgehend ver-
schont, ist es heute Bestandteil eines dem
Altstadtrathaus zugeordneten, wiederaufge-
bauten Verwaltungsgebäudes von 1957.
Nach Untersuchung der originalen Pigmente
und Bindemittel wurde das Portal 1989-90 in
seiner ursprünglichen Farbigkeit restauriert.
Das westlich anschließende, heute der städti-
schen Verwaltung dienende Gebäude An der
Martinikirche 2 war bis zu seiner fast völligen

Altstadtmarkt 11 und 12


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