LETZTE EPOCHE. SCHÜLER
245
227. Bacchiacca, Taufe Christi. Florenz, Uffizien.
Phot. Alinari.
hingesetzten Lichtern geisterartig hervor; der Maler löst die Gestalten mehr voneinander, aber kraft ihres groß-
zügigen einfachen Zusammenhangs beherrschen sie den Raum, ohne ihn auszufüllen; in jedem dieser erzählenden
Fresken ist das Verhältnis der Figuren zum Raum und die Intensität des Lichts eine andere (Abb. 225). Nur
als farbenschillernde Pracht will die sonst so leere Pieta (im Palazzo Pitti) gewertet sein. Inder Beweinung
Christi (Wien, Belvedere) baut er die ganze Farbengebung aus Varianten des Gegensatzes von Blau und Gelb auf
und stellt diese helle Skäla zwischen tiefes Lila und warmes Orange (Abb. 226).
Alle Register stark herausmodellierter Plastik, leuchtender Farbenflächen und weichen
Helldunkels läßt der Maler in seiner letzten Epoche spielen, in der freilich die Tafelbilder sehr
ungleichwertig ausfielen. Sarto dachte nur noch an malerische Probleme, die Wahrhaftigkeit
seines Vortrags gegenüber dem Inhalt ließ ihn gleichgültig. Eine Fülle von römischen Anklängen
zwingt zur Annahme eines Aufenthalts in der ewigen Stadt.
Am nächsten reicht er in der Madonna del sacco (Fresko im Vorhof der SS. Annunziata) an Michelangelos
Ideal heran: Verteilung zweier ungefähr gleich schwerer plastischer Massen, schweres breites Sitzen, ein massiver
Umriß aus gewaltsam aufgetürmten Linien, gewichtigem Übergreifen des Arms, eine herrische Kälte, die des spie-
lenden Kindes nicht achtet, und dahinter Joseph als scharfe, in sich versunkene Silhouette, ohne Interesse für
die Anderen. Wohl erinnert Maria an die delphische Sibylle, aber die ernste kalte Stimmung, die sonst so gar-
nicht im Naturell Sartos lag, wehte aus Michelangelos Vorfahrengruppen. — Schwere Gestalten mit gewichtigen,
großen Gebärden, unbestimmt aus dem Dunkel herausleuchtend, sind Träger der „Heimsuchung“ und der Geburt
Johannis des Täufers in den Scalzifresken. Gravitätisches Sitzen und Schreiten, aussichtsreiche Körperdrehungen,
in die Tiefe Stoßen der Arme, geschlossene Rundungen, lauter Züge, die ihn mit Michelangelo verbinden. Über
dem vortrefflichen Einfühlungsvermögen in dessen Kunst hat Andrea del Sarto sein eigenes Naturell nicht ver-
leugnet. Wohl aber vermochte ihn der Anblick der Laokoongruppe vorübergehend zu verwirren; das wilde Pathos
der Opferung Isaaks (Dresden) ist durchaus unwahr. In Sti. Salvi bei Florenz malte del Sarto 1526—27 ein Abend-
mahl al fresco; auf einem anderen Gebiet als dem der Farbe konnte er es nicht mit Leonardo aufnehmen; viel-
leicht darf ihm sogar zu besonderem Ruhme angerechnet werden, daß er sich, wenige Einzelheiten ausgenommen,
von dessen Vorbild frei hielt; unter Verzicht auf schmückende Details erreichte er vornehme, festliche Wirkung. —
Wie in dieser Zeit die Figuren wachsen, aber zugleich auch sich beruhigen, wie sich aber auch der Raum nach
vorn erweitert (Madonna mit Heiligen; Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum, Tafel VI) so lösen sich die Farben, die
gelegentlich aus farbigem Helldunkel herausglühen, in zarten Duft und in helles Freilicht auf. „Lichtdurch-
glühte Farbkörper“ oder farbig getönte Strahlungen, das sind Sartos Gestalten am Ende seiner künstlerischen
Wirksamkeit.
Verschwindend wenige Bildnisse sind von Andrea del Sarto bekannt; Lucrezia del Fede (Prado, Museum)
leiht ihre Züge den Madonnen und Heiligen, in früherer Jugend sowohl als im resoluten Alter (Berliner Bildnis).
Sein nächster Schüler war Francesco di Cristofano Bigi, gen. Franciabigio (1482(?)—1525),
wie Sarto zunächst von Piero di Cosimo beeinflußt (laut Vasaris Mitteilung). Er tritt als Mit-
arbeiter in den Kreuzgängen der Scalzi und der SS. Annunziata auf; hier wie in seinen Tafel-
bildern erweist er sich als gefälliger Verarbeiter fremder Anregungen. In seinen Madonnenbildern
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227. Bacchiacca, Taufe Christi. Florenz, Uffizien.
Phot. Alinari.
hingesetzten Lichtern geisterartig hervor; der Maler löst die Gestalten mehr voneinander, aber kraft ihres groß-
zügigen einfachen Zusammenhangs beherrschen sie den Raum, ohne ihn auszufüllen; in jedem dieser erzählenden
Fresken ist das Verhältnis der Figuren zum Raum und die Intensität des Lichts eine andere (Abb. 225). Nur
als farbenschillernde Pracht will die sonst so leere Pieta (im Palazzo Pitti) gewertet sein. Inder Beweinung
Christi (Wien, Belvedere) baut er die ganze Farbengebung aus Varianten des Gegensatzes von Blau und Gelb auf
und stellt diese helle Skäla zwischen tiefes Lila und warmes Orange (Abb. 226).
Alle Register stark herausmodellierter Plastik, leuchtender Farbenflächen und weichen
Helldunkels läßt der Maler in seiner letzten Epoche spielen, in der freilich die Tafelbilder sehr
ungleichwertig ausfielen. Sarto dachte nur noch an malerische Probleme, die Wahrhaftigkeit
seines Vortrags gegenüber dem Inhalt ließ ihn gleichgültig. Eine Fülle von römischen Anklängen
zwingt zur Annahme eines Aufenthalts in der ewigen Stadt.
Am nächsten reicht er in der Madonna del sacco (Fresko im Vorhof der SS. Annunziata) an Michelangelos
Ideal heran: Verteilung zweier ungefähr gleich schwerer plastischer Massen, schweres breites Sitzen, ein massiver
Umriß aus gewaltsam aufgetürmten Linien, gewichtigem Übergreifen des Arms, eine herrische Kälte, die des spie-
lenden Kindes nicht achtet, und dahinter Joseph als scharfe, in sich versunkene Silhouette, ohne Interesse für
die Anderen. Wohl erinnert Maria an die delphische Sibylle, aber die ernste kalte Stimmung, die sonst so gar-
nicht im Naturell Sartos lag, wehte aus Michelangelos Vorfahrengruppen. — Schwere Gestalten mit gewichtigen,
großen Gebärden, unbestimmt aus dem Dunkel herausleuchtend, sind Träger der „Heimsuchung“ und der Geburt
Johannis des Täufers in den Scalzifresken. Gravitätisches Sitzen und Schreiten, aussichtsreiche Körperdrehungen,
in die Tiefe Stoßen der Arme, geschlossene Rundungen, lauter Züge, die ihn mit Michelangelo verbinden. Über
dem vortrefflichen Einfühlungsvermögen in dessen Kunst hat Andrea del Sarto sein eigenes Naturell nicht ver-
leugnet. Wohl aber vermochte ihn der Anblick der Laokoongruppe vorübergehend zu verwirren; das wilde Pathos
der Opferung Isaaks (Dresden) ist durchaus unwahr. In Sti. Salvi bei Florenz malte del Sarto 1526—27 ein Abend-
mahl al fresco; auf einem anderen Gebiet als dem der Farbe konnte er es nicht mit Leonardo aufnehmen; viel-
leicht darf ihm sogar zu besonderem Ruhme angerechnet werden, daß er sich, wenige Einzelheiten ausgenommen,
von dessen Vorbild frei hielt; unter Verzicht auf schmückende Details erreichte er vornehme, festliche Wirkung. —
Wie in dieser Zeit die Figuren wachsen, aber zugleich auch sich beruhigen, wie sich aber auch der Raum nach
vorn erweitert (Madonna mit Heiligen; Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum, Tafel VI) so lösen sich die Farben, die
gelegentlich aus farbigem Helldunkel herausglühen, in zarten Duft und in helles Freilicht auf. „Lichtdurch-
glühte Farbkörper“ oder farbig getönte Strahlungen, das sind Sartos Gestalten am Ende seiner künstlerischen
Wirksamkeit.
Verschwindend wenige Bildnisse sind von Andrea del Sarto bekannt; Lucrezia del Fede (Prado, Museum)
leiht ihre Züge den Madonnen und Heiligen, in früherer Jugend sowohl als im resoluten Alter (Berliner Bildnis).
Sein nächster Schüler war Francesco di Cristofano Bigi, gen. Franciabigio (1482(?)—1525),
wie Sarto zunächst von Piero di Cosimo beeinflußt (laut Vasaris Mitteilung). Er tritt als Mit-
arbeiter in den Kreuzgängen der Scalzi und der SS. Annunziata auf; hier wie in seinen Tafel-
bildern erweist er sich als gefälliger Verarbeiter fremder Anregungen. In seinen Madonnenbildern