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Escher, Konrad; Bercken, Erich von der
Malerei der Renaissance in Italien ([Band 1]): Die Malerei des 14.-16. Jahrhunderts in Mittel- und Unteritalien — Berlin-Neubabelsberg: Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion m.b.H., 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.62235#0308
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DAS PROBLEM „MICHELANGELO“

260. Michelangelo, Erschaffung des Lichts (Teil). Rom, Sixtina. Phot. Aünari.


5. Die Überwindung der Renaissance durch Michelangelos plastische Lösung des
Konfliktproblems.
Der Maler Michelangelo Buonarotti (1475—1564) kann nur aus dem Bildhauer heraus verstan-
den werden; denn auch als Maler erfaßt er die ganze Gestalt nach ihrem Wert; wie im
Relief und der Freiskulptur so sucht er, wie seine Skizzen beweisen, auch in der Malerei der ganzen
Gestalt habhaft zu werden. Der plastische Ausdruck ist ihm wichtiger als der räumliche; farbige
Werte nehmen einen ganz untergeordneten Rang ein. Stets hat er sich als scultore bezeichnet,
und mit dieser Erklärung stellt er sich auf den Boden der Florentiner Überlieferung, die er zeit-
lebens mit aller ihm eigenen Herbheit vertrat. An Kenntnis der Anatomie hat er alle Vorgänger
hinter sich gelassen; gemeißelte und gemalte Figuren halten die strengste Kontrolle von Seiten
der Wirklichkeit aus, aber Michelangelo steigert die Vitalität seiner Menschen; alle Bestrebungen
seiner Vorgänger, Signorelli inbegriffen, führte er in übernatürliche Lebensbedingungen hinein.
Diese schuf Michelangelo freilich nicht um ihrer selbst willen, sondern er betrachtete sie nur als
Hülle und formalen Ausdruck für ein aus den tiefsten Tiefen des menschlichen Innenlebens ent-
wickelten Problems, das des Konfliktes, des Kernpunktes dramatischer Gestaltung. Im ein-
 
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