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Escher, Konrad; Bercken, Erich von der
Malerei der Renaissance in Italien ([Band 1]): Die Malerei des 14.-16. Jahrhunderts in Mittel- und Unteritalien — Berlin-Neubabelsberg: Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion m.b.H., 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.62235#0307
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SPÄTWERKE: VERKLÄRUNG CHRISTI

283

talen geschaffen. Im Abendmahl
entschädigt nur das unübertrefflich
klare Gefüge für den Mangel an
seelischer Vertiefung. Beim bethlehe-
mitischen Kindermord schaffen die
wohlausstudierten Stellungen der
Mütter und Krieger den nötigen
Raum, ein flacher Brückenbogen
und die Massive von alten Häusern
und Türmen begrenzen das aus einer
Summierung von Stellungen ent-
standene Getümmel. — Mit skizzen-
haften Anregungen hat sich Raffael
bei der unter dem Namen Spasimo
di Sicilia bekannten Kreuztragung
Christi (Madrid, Prado) begnügt und
einer Schülerhand, wohl derjenigen
Pennis, die Ausführung überlassen,
und ebensowenig hat Raffael an der
Vision Ezechiels (Florenz, Palazzo
Pitti) größeren Anteil. Zur letzten
großen Leistung hat sich Raffael in
der Transfiguration aufgerafft (von
Giulio Medici 1517 für seinen Bischof-
sitz Narbonne bestellt, 1524 auf dem
Hochaltar von S. Pietro in Montorio
aufgestellt, 1797 — 1815 in Paris,
heute im Vatikan). Bei Raffaels Tod
der Vollendung nahe. Während oben
Christus in Verklärung schwebt, sind
unten die Jünger und das Volk um
den tobsüchtigen Knaben versammelt
(die Gleichzeitigkeit auch bei den
Synoptikern). Der Verklärung woh-
nen nach Pastors einleuchtenden
Darstellungen noch die beiden Mär-
tyrerdiakono Felicissimus und Aga-
pitus bei. 1457 hatte Calixt III. das
Verklärungsfest auf den Tag der bei-
den Heiligen, den 6. August gelegt, an
welchem ein Jahr zuvor die Christen


259. Raffael und Schule, Verklärung Christi. Rom.

Phot. Alinari.

über die Türken bei Belgrad gesiegt hatten. 1517 aber stand die Türkengefahr wieder im Vordergrund des Inte-
resses, und Narbonne war der Gefahr eines Türkeneinfalls von Afrika her besonders ausgesetzt. Die Verklärung
entfaltet sich in der Fläche; die Jünger sind ganz an die Erde gebannt. In der unteren Partie, die mit ihren Schiller-
tönen und tiefen Schatten das Werk Giulio Romanos ist, versuchte Raffael ein schon in den Stanzenfresken an-
gedeutetes Kompositionsprinzip zur Alleingültigkeit zu erheben, die Diagonale, die als Kluft die feindlichen Lager
des Volkes und der Jünger trennt. Aber obgleich starke dramatische Akzente der Einzelfigur verliehen sein mögen,
so dürfen die heftigen Gebärden doch nirgends die Grenze ihres Raumvolumens überschreiten. So bannt der
Künstler den ganzen Vorgang im Grunde doch unter den Gedanken der symmetrischen Gruppe. Die diagonale
Kluft wirkt wohl raumerzeugend, aber sie wird auch zur Hemmung. Noch einmal trat Raffael an die Schwelle
des Barockstils heran, aber sein überaus fruchtbares Leben endigte, bevor er sie überschreiten durfte (Abb. 259).
 
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