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SODOMA. ZWEITE PERIODE. PERUZZI
229. Sodoma, Auferstehung Christi. Neapel, Museo Nazionale.
Phot. Alinari.
zu Häupten tummeln sich Eroten als
Träger der von den Erwachsenen scheu
verhaltenen Freude, als harmlose Ver-
körperungen des Liebesverlangens, als
muntere Paraphrase göttlichen Beistandes
und humorvolle Ausdeutung menschlicher
Neugier.
Im Oratorium von S. Bernardino zu
Siena läßt sich das Wachsen von Sodomas
Kompositions- und Figurenstil an dem
1518 und den erst 1532 gemalten Fresken
aus dem Marienleben mit vollster Klar-
heit ablesen. Aber Sodoma bleibt sich
im Grunde doch gleich; stets gelingt ihm
jugendlicher Liebreiz in ruhigen wie in
bewegten Gestalten. In seinem der Sie-
neser Akademie gehörenden Ecce homo
verbindet sich mit der Schönheit der
Bewegung, der an römischen Vorbildern
gesteigerten Körperlichkeit und mit der er-
greifenden Tiefe des Ausdrucks eine über-
aus delikate Farbenzusammenstellung,
die auch sein berühmtestes Gemälde,
seinen heiligen Sebastian (1525 gemalte
Prozessionsfahne, Florenz, Uffizien) aus-
zeichnet. Die bergige Landschaft mit
ihren römischen Ruinen erstrahlt in tiefen,
satten, weich vertriebenen Tönen, und
Heiligen selbst verbinden sich höchste
Körperschönheit mit dem ergreifenden
Übergang von irdischem Schmerzgefühl
zu seliger Verklärung.
Sienesische Schönheit in der Auffassung
Sodomas offenbart sich einzig und allein in
solchen Gestalten von vollendeter Körper-
bildung, in reiner Zuständlichkeit oder
leidend, mit melodischem Linienfluß, in
zart abgetönten hellen Farben vor der lieb-
lichen einladenden Landschaft, mit ihrer
reichen Vegetation, ihren Gewässern und
römischen Ruinen und der bewegten Bodengestaltung. Es ist, als müßte die sienesische Malerei die seit Jahrzehnten
versäumte Landschaftsdarstellung nachholen. Alle diese Vorzüge faßt Sodoma in den Fresken der Katharinen-
kapelle in S. Domenico zu Siena zusammen (1526); Ohnmacht und Ekstase der jugendschönen Nonne und der
Beistand ihrer Gefährtinnen waren Themata nach Sodomas Sinn; in den schwebenden Figuren versagte seine Kunst.
Seine zu raumillusionistischen Zwecken gemalten Architekturen: Pfeiler mit Bogen, tiefe, mehr flach abgetreppte
Nischen mit Pilasterflankierung zeichnen sich durch reiche Dekoration aus, sind aber selbst wiederum nur Träger
und Folie für die durch lebendige Figuren erzielte plastische Illusion (Katherinenkapelle in S. Domenico; Fresken
im Großen Saal des Palazzo Pubblico, 1529—1534; Kapelle S. Jacopo degli Spagnuoli in S. Bernardino).
Baldassare Peruzzi bezeichnet in seinen erzählenden Fresken und Tafelbildern einen hemmenden Einschlag
in der Entwicklung. In den Fresken der Chortribuna von S. Onofrio in Rom (1504) erfaßt er Pinturicchios Kunst
als befangene phantasielose Zierlichkeit. In der Ponzettikapelle von Sta. Maria della Pace (1516) sucht er umsonst
im Votivbild Raffaels Vorbild zu erreichen, erweist sich dagegen in der Gliederung und Bemalung des Gewölbes
als vorzüglicher Dekorateur. Die Szenen aus der römischen Geschichte in einem Saal des Konservatorenpalastes
offenbaren Peruzzis ganze Unfähigkeit zum großen historischen Stil; über eine unbeholfene Verzettelung und Zu-
SODOMA. ZWEITE PERIODE. PERUZZI
229. Sodoma, Auferstehung Christi. Neapel, Museo Nazionale.
Phot. Alinari.
zu Häupten tummeln sich Eroten als
Träger der von den Erwachsenen scheu
verhaltenen Freude, als harmlose Ver-
körperungen des Liebesverlangens, als
muntere Paraphrase göttlichen Beistandes
und humorvolle Ausdeutung menschlicher
Neugier.
Im Oratorium von S. Bernardino zu
Siena läßt sich das Wachsen von Sodomas
Kompositions- und Figurenstil an dem
1518 und den erst 1532 gemalten Fresken
aus dem Marienleben mit vollster Klar-
heit ablesen. Aber Sodoma bleibt sich
im Grunde doch gleich; stets gelingt ihm
jugendlicher Liebreiz in ruhigen wie in
bewegten Gestalten. In seinem der Sie-
neser Akademie gehörenden Ecce homo
verbindet sich mit der Schönheit der
Bewegung, der an römischen Vorbildern
gesteigerten Körperlichkeit und mit der er-
greifenden Tiefe des Ausdrucks eine über-
aus delikate Farbenzusammenstellung,
die auch sein berühmtestes Gemälde,
seinen heiligen Sebastian (1525 gemalte
Prozessionsfahne, Florenz, Uffizien) aus-
zeichnet. Die bergige Landschaft mit
ihren römischen Ruinen erstrahlt in tiefen,
satten, weich vertriebenen Tönen, und
Heiligen selbst verbinden sich höchste
Körperschönheit mit dem ergreifenden
Übergang von irdischem Schmerzgefühl
zu seliger Verklärung.
Sienesische Schönheit in der Auffassung
Sodomas offenbart sich einzig und allein in
solchen Gestalten von vollendeter Körper-
bildung, in reiner Zuständlichkeit oder
leidend, mit melodischem Linienfluß, in
zart abgetönten hellen Farben vor der lieb-
lichen einladenden Landschaft, mit ihrer
reichen Vegetation, ihren Gewässern und
römischen Ruinen und der bewegten Bodengestaltung. Es ist, als müßte die sienesische Malerei die seit Jahrzehnten
versäumte Landschaftsdarstellung nachholen. Alle diese Vorzüge faßt Sodoma in den Fresken der Katharinen-
kapelle in S. Domenico zu Siena zusammen (1526); Ohnmacht und Ekstase der jugendschönen Nonne und der
Beistand ihrer Gefährtinnen waren Themata nach Sodomas Sinn; in den schwebenden Figuren versagte seine Kunst.
Seine zu raumillusionistischen Zwecken gemalten Architekturen: Pfeiler mit Bogen, tiefe, mehr flach abgetreppte
Nischen mit Pilasterflankierung zeichnen sich durch reiche Dekoration aus, sind aber selbst wiederum nur Träger
und Folie für die durch lebendige Figuren erzielte plastische Illusion (Katherinenkapelle in S. Domenico; Fresken
im Großen Saal des Palazzo Pubblico, 1529—1534; Kapelle S. Jacopo degli Spagnuoli in S. Bernardino).
Baldassare Peruzzi bezeichnet in seinen erzählenden Fresken und Tafelbildern einen hemmenden Einschlag
in der Entwicklung. In den Fresken der Chortribuna von S. Onofrio in Rom (1504) erfaßt er Pinturicchios Kunst
als befangene phantasielose Zierlichkeit. In der Ponzettikapelle von Sta. Maria della Pace (1516) sucht er umsonst
im Votivbild Raffaels Vorbild zu erreichen, erweist sich dagegen in der Gliederung und Bemalung des Gewölbes
als vorzüglicher Dekorateur. Die Szenen aus der römischen Geschichte in einem Saal des Konservatorenpalastes
offenbaren Peruzzis ganze Unfähigkeit zum großen historischen Stil; über eine unbeholfene Verzettelung und Zu-