Die Sage vom Solstein.
verstanden ist, mit den Andern will ich schon fertig werden,
ich bestell' mir die Stärksten auf die nächste Kirchweih nach
Seefeld, wo wir dann die Sache mitsammen ausroblen!" —
Judith verstand nur zu gut den fürchterlich ernsten Sinn, der
in diesen Worten verborgen lag; unsere Dirnen auf dem Lande
sind aber aus derberem Teig geknetet, als die zarten Schönen
der Städte und zittern nicht so leicht für ihre Liebhaber; über-
dies war der Jörgl weit und breit bekannt wegen seiner Riesen-
stärke und Gewandtheit, denn er war der Kräftigste unter den
athletischen Söhnen seines Thales, und hatte selbst den Bären
im Handgemenge überwunden; sie entgegnetc also nur: „So
versuch's einmal!"
Nach einigen Tagen erschien der Jörgl wirklich in seinem
besten Feiertaggewand vor dem Alten, und brachte, wie es da
gebräuchlich ist, ohne viele Umschweife sein Anliegen vor.
Der silberne Natz betrachtete kopfschüttelnd den stämmigen
Freier und dachte bei sich: „Armer Schlucker, meinst du, ich
Hab' für dich meine Thaler gespart, damit du sie verprassen
kannst im gemächlichen Schlemmerleben? — solche Vögel kämen
öfter auf den Zaun, aber ich Hab' kein Futter für dich!"
„Judith!" sagte er zur Dirne, die so eben herein trat und
dem Jäger einen verstohlen grüßenden Blick zuwarf, weißt du,
was der Mensch da will! er freit um dich — kennst du ihn?"
„Freilich, Vater!" entgegncte sie mit Fasiung, während eine
schwache Röthe ihr Gesicht überflog, „er ist Mein Schatz, und
ich Hab' ihm mein Herz geschenkt für ewige Zeiten!" Der Alte
wollte kaum seinen eigenen Ohren trauen, als er dies Geständ-
niß hörte. „Was," polterte er, „den hergelaufenen Menschen da,
bist du von Sinnen!"
Judith wiederholte aber ernstlich: „Er ist mein Schatz und
ich will ihn behalten im Leben und im Tod!" Auf der Stirn
des Gemsenjägers hatte sich unterdeffen eine verdächtige Glut
gelagert und seine Blicke funkelten unter den drohend zusammen-
gezogenen Braunen, als wollten sie den silbernen Natz versengen;
er bezwang sich aber und sagte so gelasien als möglich: „Her-
gelaufener Mensch, Natz! bin ich keiner; ich Hab' mein ordent-
liches Heimath (Anwesen), ein paar tüchtige Arme und ein
sicheres Aug', und ich kann Euere Tochter auch ohne eine Aus-
j steuer erhalten, nach der mir gar nicht gelüstet."
Ich gib mein Kind keinem Wildschützen!" rief zornig der
Alte. — „Mein Gew erb ist so ehrlich und einträglich, als ein
anderes!" sagte der Jäger in gereiztem Ton.
Judith kannte die Hartnäckigkeit ihres Vaters und Jörgels
gähcn, unbändigen Charakter; sie wagte keine Einsprache und
sah mit klopfendem Herzen dem Ausbruche eines Sturmes ent-
gegen. —
„Ein einträgliches Gewerbe!" höhnte Natz, indem er nach
Art der geldstolzen Bauern beide Hände in die Säcke steckte
und seine Münzen klingeln ließ, „sind schon viele dabei reich
geworden; ja, wenn Einmal den Gemsen silberne Hörner wachsen, <
| dann will ich dir recht geben, hörst du, bring' mir einen Gems- j
bock mit solchen Hörnern, dann kannst du um meine Judith
freien, eher nicht, jetzt hast du meinen Bescheid!"
„So sollen Euch selbst die Hörner wachsen auf Eucrm
»1
grauen Schädel!" polterte der Gefoppte heraus, indem er dro-
hend die Faust erhob, „wollt Ihr, daß ich mit dem Schwarzen
selbst anbandeln soll, um Euch das Verlangte herbei zu .schaffen,
aber wahrlich, es soll Euch noch gereuen, einen Menschen aus
solche Art behandelt zu haben, der nichts Unehrliches gegen Euch
im Sinn hatte!"
Der Alte wich einen Schritt zurück vor dem Ergrimmten;
dieser trat aber vor die Judith hin, drückte ihr bedeutsam die
Hand, und sagte in besänftigtem, fast weichen Ton: „B'hüt dich
Gott, Dient! wie gern ich dich Hab', das weißt du, und wenn wir
uns auch nicht haben können auf der Welt, so denk' doch zu-
weilen an deinen Jörgl, der dich auch nicht vergeffen wird!"
Trotzig und ohne sich weiter umzusehen, verließ er darauf
das Haus, die Judith sagte aber schluchzend: „Ich glaub' fast,
Ihr habt nicht gut gethan, Vater! den Jörgl so schlimm anzu-
laffen, geb' Gott, daß nichts Uebles daraus entsteht!" ,
Zerrissen bis in's tiefste Gemüth stieg der Alpenjäger die
einsame Hochwiese hinan nach dem Solstein, von wo der steile
Gemssteig hinab führte in sein heimisches Thal; blutige Gedan-
ken dämmerten in seinem sonst wackeren Gemüthe herauf, und
seine Blicke waren wild und unstät, wie die rollenden Augen
des Stieres.
Wenn mächtige Rachegedanken die Seele des Menschen um-
flattern, gierigen Raben gleich, mit heiserem Geschrei, dann ist
auch der Böse nicht fern, und lauert nur auf den Augenblick,
wo die Leidenschaft, seine thätige Helfershelferin, ihm sein Opfer
in die Klauen spielt, um es dann hinab zu zerren in den schau-
erlichen Abgrund einer ewigen Finsterniß. —
Als der Jörgl finster brütend den Fuß des Solstcins erreicht
hatte, bemerkte er eine dunkle Gestalt, die unbeweglich an ein
Felsstück gelehnt, sein Erscheinen gar nicht zu beachten schien;
näher kommend gewahrte er, daß es ein Jäger sei, der sich da
auf dem Anstande befand. — Ein unwillkührlicher Schauer er-
faßte den sonst so Beherzten, als der unbekannte Waidmann
sein scharf geschnittenes, wetterverbranntes Gesicht langsam nach
ihm umdrehte, aus dem ihn zwei große, grünlich leuchtende
Augen gar seltsam funkelnd anstarrten. — Schon wollte Jörgl
mit einen kurzen Gruß vorbei gehen, da schaute ihn der Fremde
aber gar freundlich an und fragte: „Wohin des Weges, Lands-
mann, eilt Ihr schon nach Hause, und habt noch kein Körnlein
Pulver verschaffen und kein Federlein auf dem Hut!" — „Was
treibt denn Ihr da?" sagte Jörgl, ohne auf den leisen Spott
zu achten, der in dieser Rede lag; „Ihr habt ja den Wind
gegen Euch, glaubt Ihr denn, die Gemsen haben keine Nasen
mehr!" — „Ich gebe keine Witterung von mir," sagte schlau
lächelnd der Unbekannte, „und wenn Ihr ein wenig verziehen
wollt, so könnt Ihr die seltsamste Jagd mit ansehen, die Euch
je vorgekommen ist!" Dabei that er einen Schluck aus seiner
Flasche, und reichte sie dann dem Jörge! hin, dem der seltsame
Branntwein wie geschmolzenes Blei durch die Kehle rann.
(Schluß folgt.)
verstanden ist, mit den Andern will ich schon fertig werden,
ich bestell' mir die Stärksten auf die nächste Kirchweih nach
Seefeld, wo wir dann die Sache mitsammen ausroblen!" —
Judith verstand nur zu gut den fürchterlich ernsten Sinn, der
in diesen Worten verborgen lag; unsere Dirnen auf dem Lande
sind aber aus derberem Teig geknetet, als die zarten Schönen
der Städte und zittern nicht so leicht für ihre Liebhaber; über-
dies war der Jörgl weit und breit bekannt wegen seiner Riesen-
stärke und Gewandtheit, denn er war der Kräftigste unter den
athletischen Söhnen seines Thales, und hatte selbst den Bären
im Handgemenge überwunden; sie entgegnetc also nur: „So
versuch's einmal!"
Nach einigen Tagen erschien der Jörgl wirklich in seinem
besten Feiertaggewand vor dem Alten, und brachte, wie es da
gebräuchlich ist, ohne viele Umschweife sein Anliegen vor.
Der silberne Natz betrachtete kopfschüttelnd den stämmigen
Freier und dachte bei sich: „Armer Schlucker, meinst du, ich
Hab' für dich meine Thaler gespart, damit du sie verprassen
kannst im gemächlichen Schlemmerleben? — solche Vögel kämen
öfter auf den Zaun, aber ich Hab' kein Futter für dich!"
„Judith!" sagte er zur Dirne, die so eben herein trat und
dem Jäger einen verstohlen grüßenden Blick zuwarf, weißt du,
was der Mensch da will! er freit um dich — kennst du ihn?"
„Freilich, Vater!" entgegncte sie mit Fasiung, während eine
schwache Röthe ihr Gesicht überflog, „er ist Mein Schatz, und
ich Hab' ihm mein Herz geschenkt für ewige Zeiten!" Der Alte
wollte kaum seinen eigenen Ohren trauen, als er dies Geständ-
niß hörte. „Was," polterte er, „den hergelaufenen Menschen da,
bist du von Sinnen!"
Judith wiederholte aber ernstlich: „Er ist mein Schatz und
ich will ihn behalten im Leben und im Tod!" Auf der Stirn
des Gemsenjägers hatte sich unterdeffen eine verdächtige Glut
gelagert und seine Blicke funkelten unter den drohend zusammen-
gezogenen Braunen, als wollten sie den silbernen Natz versengen;
er bezwang sich aber und sagte so gelasien als möglich: „Her-
gelaufener Mensch, Natz! bin ich keiner; ich Hab' mein ordent-
liches Heimath (Anwesen), ein paar tüchtige Arme und ein
sicheres Aug', und ich kann Euere Tochter auch ohne eine Aus-
j steuer erhalten, nach der mir gar nicht gelüstet."
Ich gib mein Kind keinem Wildschützen!" rief zornig der
Alte. — „Mein Gew erb ist so ehrlich und einträglich, als ein
anderes!" sagte der Jäger in gereiztem Ton.
Judith kannte die Hartnäckigkeit ihres Vaters und Jörgels
gähcn, unbändigen Charakter; sie wagte keine Einsprache und
sah mit klopfendem Herzen dem Ausbruche eines Sturmes ent-
gegen. —
„Ein einträgliches Gewerbe!" höhnte Natz, indem er nach
Art der geldstolzen Bauern beide Hände in die Säcke steckte
und seine Münzen klingeln ließ, „sind schon viele dabei reich
geworden; ja, wenn Einmal den Gemsen silberne Hörner wachsen, <
| dann will ich dir recht geben, hörst du, bring' mir einen Gems- j
bock mit solchen Hörnern, dann kannst du um meine Judith
freien, eher nicht, jetzt hast du meinen Bescheid!"
„So sollen Euch selbst die Hörner wachsen auf Eucrm
»1
grauen Schädel!" polterte der Gefoppte heraus, indem er dro-
hend die Faust erhob, „wollt Ihr, daß ich mit dem Schwarzen
selbst anbandeln soll, um Euch das Verlangte herbei zu .schaffen,
aber wahrlich, es soll Euch noch gereuen, einen Menschen aus
solche Art behandelt zu haben, der nichts Unehrliches gegen Euch
im Sinn hatte!"
Der Alte wich einen Schritt zurück vor dem Ergrimmten;
dieser trat aber vor die Judith hin, drückte ihr bedeutsam die
Hand, und sagte in besänftigtem, fast weichen Ton: „B'hüt dich
Gott, Dient! wie gern ich dich Hab', das weißt du, und wenn wir
uns auch nicht haben können auf der Welt, so denk' doch zu-
weilen an deinen Jörgl, der dich auch nicht vergeffen wird!"
Trotzig und ohne sich weiter umzusehen, verließ er darauf
das Haus, die Judith sagte aber schluchzend: „Ich glaub' fast,
Ihr habt nicht gut gethan, Vater! den Jörgl so schlimm anzu-
laffen, geb' Gott, daß nichts Uebles daraus entsteht!" ,
Zerrissen bis in's tiefste Gemüth stieg der Alpenjäger die
einsame Hochwiese hinan nach dem Solstein, von wo der steile
Gemssteig hinab führte in sein heimisches Thal; blutige Gedan-
ken dämmerten in seinem sonst wackeren Gemüthe herauf, und
seine Blicke waren wild und unstät, wie die rollenden Augen
des Stieres.
Wenn mächtige Rachegedanken die Seele des Menschen um-
flattern, gierigen Raben gleich, mit heiserem Geschrei, dann ist
auch der Böse nicht fern, und lauert nur auf den Augenblick,
wo die Leidenschaft, seine thätige Helfershelferin, ihm sein Opfer
in die Klauen spielt, um es dann hinab zu zerren in den schau-
erlichen Abgrund einer ewigen Finsterniß. —
Als der Jörgl finster brütend den Fuß des Solstcins erreicht
hatte, bemerkte er eine dunkle Gestalt, die unbeweglich an ein
Felsstück gelehnt, sein Erscheinen gar nicht zu beachten schien;
näher kommend gewahrte er, daß es ein Jäger sei, der sich da
auf dem Anstande befand. — Ein unwillkührlicher Schauer er-
faßte den sonst so Beherzten, als der unbekannte Waidmann
sein scharf geschnittenes, wetterverbranntes Gesicht langsam nach
ihm umdrehte, aus dem ihn zwei große, grünlich leuchtende
Augen gar seltsam funkelnd anstarrten. — Schon wollte Jörgl
mit einen kurzen Gruß vorbei gehen, da schaute ihn der Fremde
aber gar freundlich an und fragte: „Wohin des Weges, Lands-
mann, eilt Ihr schon nach Hause, und habt noch kein Körnlein
Pulver verschaffen und kein Federlein auf dem Hut!" — „Was
treibt denn Ihr da?" sagte Jörgl, ohne auf den leisen Spott
zu achten, der in dieser Rede lag; „Ihr habt ja den Wind
gegen Euch, glaubt Ihr denn, die Gemsen haben keine Nasen
mehr!" — „Ich gebe keine Witterung von mir," sagte schlau
lächelnd der Unbekannte, „und wenn Ihr ein wenig verziehen
wollt, so könnt Ihr die seltsamste Jagd mit ansehen, die Euch
je vorgekommen ist!" Dabei that er einen Schluck aus seiner
Flasche, und reichte sie dann dem Jörge! hin, dem der seltsame
Branntwein wie geschmolzenes Blei durch die Kehle rann.
(Schluß folgt.)