26 Der verschriebene
natürlichen Kraft kommen zu lassen, vielmehr ihre Gedanken und
Sinne noch von einer anderen Seite in Anspruch zu nehmen,
vielleicht auch von der Eitelkeit getrieben, sich noch ferner als den
Gegenstand des Staunens und der Beivunderung hinzustellen,
fuhr fort: „Es liegen dem Jünger der höheren Naturwissenschaft
noch manche Probleme ungelöst vor, an denen er seine Kräfte
zum Heile und zum Ruhme des Menschengeschlechtes üben und
bewähren kann; es gibt halbe Wahrheiten, Glaubenssätze aus
dem Gebiete der Seelenkunde, deren eine Seite man schon in
ganz alten Zeiten durch Zufall kennen gelernt und als allseitig
glaubwürdig in der Welt ausposaunt, die man aber in der lan-
gen Reihe von Jahrhunderten von.dem Unwahren, was daran
klebt, bisher nicht hat befreien können. Solche halbe Wahrheiten
sind es, Durchlaucht, die dem tiefern Forscher der geheimen Wissen-
schaft und der höheren Seclenkunde erwünschte Aufgaben bilden,
an denen er seine Kraft, seinen Forschergeist prüfen und bewähren
: kann. Ew. Durchlaucht wissen hinlänglich, daß schon Pytagoras
die Lehre von der Metempsychose, d. h. der Wanderung der Seele
aus dem Thicrkörper in einen andern, von dem unvoükommenern
zum vollkommneren, feiner organisirten, der nllmühligen, stufen-
weisen Wandlung der Thierseele zu einer Menschenseele, zü
einem Geiste kannte und lehrte. Dieser ein ganz neues, aber
dunkles Gebiet des Seelenlebens erschließenden Lehre lag bei ihm
nur eine 'Ahnung, ein Telenbedürfniß zum Grunde. Er be-
kleidete sie zwar mit vielen Fetzen und Lappen von Schlußfol-
gerungen, die aber auf falschen Vordersätzen, auf nur halbwahren
j Voraussetzungen beruhend, eben so viele Verirrungen und 'Albern-
heiten enthielten. Diese große Wahrheit irrte nun als dunkle
Ahnung durch die Welt- und Menschengeschichte und ist als
solche ein Hauptartikel in dem Brahma-Cultus Indiens geworden.
Auf dieses Gebiet der Seelenkunde Hab' ich seit einigen Jahren
die Stunden meines stillen, nächtlichen Forschens geworfen und
ich glaube der Bescheidenheit nicht zu nahe zu treten, wenn ich
cs taut verkünde, daß ich bereits zu manchen ivunderbaren Resul-
taten gelangt bin, die Ew. Durchlaucht an einem Beispiele näher
erläutern zu dürfen, mir zur größten Befriedigung gereichen wird.
Ausgehend von der Thatsache, daß manche Menschengesichter noch
deutliche, unverkennbare Aehnlichkeit mit Thiergesichtern an sich
tragen, ferner fußend auf den Satz, daß das Antlitz des Men-
schen sowohl als das Gesicht der Thiere der Spiegel, der getreue
Ausdruck der zum Grunde liegenden Menschen- und Thicrseele
ist, habe ich den Schluß zu ziehen gewagt, daß man aus dieser
vorkommenden Aehnlichkeit des Menschenantlitzes mit dem Thier-
gesichtc schließen könne auf die Thierseele, aus der sich durch eine
lange Reihe von Wandlungen die Menschenseele verklärt, ver-
geistigt hat, und habe demgemäß einen ganz einfachen Apparat
erfunden, mittelst welches man in jedem beliebigen Mcnschenant-
titz noch das Thier erkennen kann, das die Menschenseele einst
bewohnt hat oder — einst noch bewohnen wird. Denn es ist
kaum anders anzunehmen, als daß die Menschenseele, die
nicht fortschreitet in der geistigen Entwickelung, sondern sich dem
Thierischen wieder nähert, nach dem Tode des Menschenlebens
sich auch wieder in einen Thierkörper als Thierseele begeben wird.
Das Menschenleben ist so eine Durchgangsperiode, eine Abklärung,
Kammermusikus.
eine Läuterung zu einer höhern Organisation oder — eine Rück-
kehr zu dem Thierischen. Hier liegt nun, Durchlaucht, der bis-
her ungelöste Knotenpunkt dieser Wissenschaft, an dem jedesmaligen
Menschenantlitz zu erkennen, ob die darin abgespiegelte Seele sich
zu einer feineren organisirten Leibeshülle eignet oder ob sie zu-
rücksinkt zu ihrer bestialischen Bestimmung."
Nach diesem Bortrage, den die Anwesenden mit gespannter
Aufmerksamkeit und selbst der Herzog ohne den satyrisch spötteln- |
den Zug im Antlitz, den er bisher nicht hatte verbergen können,
angehort hatten, ergriff Beireis einen vom. Hofkvch künstlich
ausgeschnittenen Bogen Papier, der als Unterlage unter eine
Baumtorte gedient hatte. Spielend riß er hier und dort ein
Theilchen ab, erhob sich dann mit einem Blicke, in dem ein etwas
gutmüthig maliciöser Zug nicht zu verkennen war und sagte:
„Es ist mit Anwendung dieses einfachen, von mir erfundenen
Apparats leicht, das Thiergesicht in jedem Menschenantlitz zu
erkennen und daraus der Stufengang der darin abgespiegelten
Thierseelc zu bestimmen. Wenn Ew. Durchlaucht mir allergnä-
digst vergönnen, an Einem der geehrten Anwesenden meinen
einfachen Apparat zu erläutern, so wird."
„Gut, thu Er es; aber verschone Er meine Allerhöchste
Person nur;" unterbrach ihn lachend der Herzog.
„Nun so wähle ich unter den verschiedenen hier vorhandenen
Menschenantlitzen eins aus," fuhr er mit einem feinen Spotte um
die Lippen fort, „in welchem man wohl am wenigsten irgend
eine Aehnlichkeit und Verwandschaft init einer Thierseele erkennen
mag, das meines Essig liebenden, hochivürdigen Freundes
zur Rechten, des Abts Lichtenstein."
„Man immer zu, Faustulc!" rief der joviale Abt, durchaus
nicht erzürnt über die Anspielung des Beireis auf sein etwas
materielles Gesicht; „vielleicht bringst du heraus, daß meine Seele
nach meinem Tode in deine Ente fahren wird."
Der Abt Lichtenstein mußte sich nun so setzen , daß, wenn
ein Licht vor ihm gehalten wurde, der Schattenriß seines Profils !
auf die weiße Wand des Saales fiel. Obgleich 'es schon nicht j
mehr ganz tageshell war, so wurden doch auf den Wunsch des
Beireis die Rouleaur niedergelassen und die Vorhänge vorgezogen,
um die Dunkelheit möglichst zu vergrößern. Er stellte sich dann
dem Abt zur Seite, und zog etwas, was in der Dunkelheit einem
Fläschchen glich, aus der Westentasche. Ein gelinder Druck am
Stöpsel und eine hellleuchtende, starkriechende Flamme schloß blitz-
artig daraus hervor und verbreitete im ganzen Saale eine
mächtige Helligkeit. 'An der weißen Wand aber erschien statt
des Profils des würdigen Abts ein Schweinskopf mit einem
mächtigen Rüssel und starken Hauern. Das war nur ein Augen-
blick; denn beim Nachlassen des Fingerdrucks fiel der Stöpsel
rasch wieder auf die Mündung des Fläschchens; die Flamme
verschwand, und durch die Dunkelheit erschallte das laute fröhliche
Gelächter der Anwesenden, und Lichtenstein war nicht der letzte
dabei. Er lachte, daß, als nun Lichter herbeigeschafft waren,
die hellen Thrünen ihm noch in den Augen standen. Ob auch
der vorhin' erwähnte Bogen Papier eine Rolle dabei gespielt,
hatte Niemand der Anwesenden bemerkt.
„Ich bin meinem verehrten Kollegen zu aufrichtigem Danke
natürlichen Kraft kommen zu lassen, vielmehr ihre Gedanken und
Sinne noch von einer anderen Seite in Anspruch zu nehmen,
vielleicht auch von der Eitelkeit getrieben, sich noch ferner als den
Gegenstand des Staunens und der Beivunderung hinzustellen,
fuhr fort: „Es liegen dem Jünger der höheren Naturwissenschaft
noch manche Probleme ungelöst vor, an denen er seine Kräfte
zum Heile und zum Ruhme des Menschengeschlechtes üben und
bewähren kann; es gibt halbe Wahrheiten, Glaubenssätze aus
dem Gebiete der Seelenkunde, deren eine Seite man schon in
ganz alten Zeiten durch Zufall kennen gelernt und als allseitig
glaubwürdig in der Welt ausposaunt, die man aber in der lan-
gen Reihe von Jahrhunderten von.dem Unwahren, was daran
klebt, bisher nicht hat befreien können. Solche halbe Wahrheiten
sind es, Durchlaucht, die dem tiefern Forscher der geheimen Wissen-
schaft und der höheren Seclenkunde erwünschte Aufgaben bilden,
an denen er seine Kraft, seinen Forschergeist prüfen und bewähren
: kann. Ew. Durchlaucht wissen hinlänglich, daß schon Pytagoras
die Lehre von der Metempsychose, d. h. der Wanderung der Seele
aus dem Thicrkörper in einen andern, von dem unvoükommenern
zum vollkommneren, feiner organisirten, der nllmühligen, stufen-
weisen Wandlung der Thierseele zu einer Menschenseele, zü
einem Geiste kannte und lehrte. Dieser ein ganz neues, aber
dunkles Gebiet des Seelenlebens erschließenden Lehre lag bei ihm
nur eine 'Ahnung, ein Telenbedürfniß zum Grunde. Er be-
kleidete sie zwar mit vielen Fetzen und Lappen von Schlußfol-
gerungen, die aber auf falschen Vordersätzen, auf nur halbwahren
j Voraussetzungen beruhend, eben so viele Verirrungen und 'Albern-
heiten enthielten. Diese große Wahrheit irrte nun als dunkle
Ahnung durch die Welt- und Menschengeschichte und ist als
solche ein Hauptartikel in dem Brahma-Cultus Indiens geworden.
Auf dieses Gebiet der Seelenkunde Hab' ich seit einigen Jahren
die Stunden meines stillen, nächtlichen Forschens geworfen und
ich glaube der Bescheidenheit nicht zu nahe zu treten, wenn ich
cs taut verkünde, daß ich bereits zu manchen ivunderbaren Resul-
taten gelangt bin, die Ew. Durchlaucht an einem Beispiele näher
erläutern zu dürfen, mir zur größten Befriedigung gereichen wird.
Ausgehend von der Thatsache, daß manche Menschengesichter noch
deutliche, unverkennbare Aehnlichkeit mit Thiergesichtern an sich
tragen, ferner fußend auf den Satz, daß das Antlitz des Men-
schen sowohl als das Gesicht der Thiere der Spiegel, der getreue
Ausdruck der zum Grunde liegenden Menschen- und Thicrseele
ist, habe ich den Schluß zu ziehen gewagt, daß man aus dieser
vorkommenden Aehnlichkeit des Menschenantlitzes mit dem Thier-
gesichtc schließen könne auf die Thierseele, aus der sich durch eine
lange Reihe von Wandlungen die Menschenseele verklärt, ver-
geistigt hat, und habe demgemäß einen ganz einfachen Apparat
erfunden, mittelst welches man in jedem beliebigen Mcnschenant-
titz noch das Thier erkennen kann, das die Menschenseele einst
bewohnt hat oder — einst noch bewohnen wird. Denn es ist
kaum anders anzunehmen, als daß die Menschenseele, die
nicht fortschreitet in der geistigen Entwickelung, sondern sich dem
Thierischen wieder nähert, nach dem Tode des Menschenlebens
sich auch wieder in einen Thierkörper als Thierseele begeben wird.
Das Menschenleben ist so eine Durchgangsperiode, eine Abklärung,
Kammermusikus.
eine Läuterung zu einer höhern Organisation oder — eine Rück-
kehr zu dem Thierischen. Hier liegt nun, Durchlaucht, der bis-
her ungelöste Knotenpunkt dieser Wissenschaft, an dem jedesmaligen
Menschenantlitz zu erkennen, ob die darin abgespiegelte Seele sich
zu einer feineren organisirten Leibeshülle eignet oder ob sie zu-
rücksinkt zu ihrer bestialischen Bestimmung."
Nach diesem Bortrage, den die Anwesenden mit gespannter
Aufmerksamkeit und selbst der Herzog ohne den satyrisch spötteln- |
den Zug im Antlitz, den er bisher nicht hatte verbergen können,
angehort hatten, ergriff Beireis einen vom. Hofkvch künstlich
ausgeschnittenen Bogen Papier, der als Unterlage unter eine
Baumtorte gedient hatte. Spielend riß er hier und dort ein
Theilchen ab, erhob sich dann mit einem Blicke, in dem ein etwas
gutmüthig maliciöser Zug nicht zu verkennen war und sagte:
„Es ist mit Anwendung dieses einfachen, von mir erfundenen
Apparats leicht, das Thiergesicht in jedem Menschenantlitz zu
erkennen und daraus der Stufengang der darin abgespiegelten
Thierseelc zu bestimmen. Wenn Ew. Durchlaucht mir allergnä-
digst vergönnen, an Einem der geehrten Anwesenden meinen
einfachen Apparat zu erläutern, so wird."
„Gut, thu Er es; aber verschone Er meine Allerhöchste
Person nur;" unterbrach ihn lachend der Herzog.
„Nun so wähle ich unter den verschiedenen hier vorhandenen
Menschenantlitzen eins aus," fuhr er mit einem feinen Spotte um
die Lippen fort, „in welchem man wohl am wenigsten irgend
eine Aehnlichkeit und Verwandschaft init einer Thierseele erkennen
mag, das meines Essig liebenden, hochivürdigen Freundes
zur Rechten, des Abts Lichtenstein."
„Man immer zu, Faustulc!" rief der joviale Abt, durchaus
nicht erzürnt über die Anspielung des Beireis auf sein etwas
materielles Gesicht; „vielleicht bringst du heraus, daß meine Seele
nach meinem Tode in deine Ente fahren wird."
Der Abt Lichtenstein mußte sich nun so setzen , daß, wenn
ein Licht vor ihm gehalten wurde, der Schattenriß seines Profils !
auf die weiße Wand des Saales fiel. Obgleich 'es schon nicht j
mehr ganz tageshell war, so wurden doch auf den Wunsch des
Beireis die Rouleaur niedergelassen und die Vorhänge vorgezogen,
um die Dunkelheit möglichst zu vergrößern. Er stellte sich dann
dem Abt zur Seite, und zog etwas, was in der Dunkelheit einem
Fläschchen glich, aus der Westentasche. Ein gelinder Druck am
Stöpsel und eine hellleuchtende, starkriechende Flamme schloß blitz-
artig daraus hervor und verbreitete im ganzen Saale eine
mächtige Helligkeit. 'An der weißen Wand aber erschien statt
des Profils des würdigen Abts ein Schweinskopf mit einem
mächtigen Rüssel und starken Hauern. Das war nur ein Augen-
blick; denn beim Nachlassen des Fingerdrucks fiel der Stöpsel
rasch wieder auf die Mündung des Fläschchens; die Flamme
verschwand, und durch die Dunkelheit erschallte das laute fröhliche
Gelächter der Anwesenden, und Lichtenstein war nicht der letzte
dabei. Er lachte, daß, als nun Lichter herbeigeschafft waren,
die hellen Thrünen ihm noch in den Augen standen. Ob auch
der vorhin' erwähnte Bogen Papier eine Rolle dabei gespielt,
hatte Niemand der Anwesenden bemerkt.
„Ich bin meinem verehrten Kollegen zu aufrichtigem Danke